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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.7 DIE ANMERKUNGEN<br />

(VIII, 13 [S. 422], IX, 1 [S. 436], XII, 10 [S. 587]). Daneben hat die Übersetzung<br />

<strong>in</strong> IX, 6 (S. 460) die unmittelbare Funktion <strong>der</strong> Erklärung <strong>des</strong> Wortwitzes im Text,<br />

<strong>in</strong>dem e<strong>in</strong> Mißverständnis e<strong>in</strong>er Figur bezüglich <strong>des</strong> Wortgebrauchs (non sequitur<br />

als Beleidigung) berichtigt wird.<br />

Dieselbe traditionelle paratextuelle Funktion <strong>der</strong> Erleichterung <strong>des</strong> Textzugangs<br />

übernehmen auch Anmerkungen, die hilfreiche o<strong>der</strong> notwendige Informationen zum<br />

Verständnis von Textstellen liefern, wie die Kontextualisierung <strong>der</strong> Ortsangabe <strong>in</strong><br />

X, 9 (S. 501), die Erläuterung e<strong>in</strong>es Bil<strong>des</strong> <strong>in</strong> XIII, 5 (S. 622) o<strong>der</strong> die Identitätsklärung<br />

e<strong>in</strong>er erwähnten Person <strong>in</strong> X, 3 (S. 479). Der Name e<strong>in</strong>es berühmten Schauspielers<br />

dient <strong>in</strong> IX, 1 (S. 438) als Verweis auf e<strong>in</strong>e Analogieebene auch <strong>der</strong> Exemplifikation<br />

<strong>des</strong> poetischen Pr<strong>in</strong>zips <strong>der</strong> Naturnachahmung durch Welterfahrung als<br />

Voraussetzung für die Gattung History (Weltbühne) durch die Gleichsetzung mit<br />

<strong>der</strong> Natürlichkeit <strong>der</strong> Schauspielkunst auf <strong>der</strong> Bühne basierend auf dem Studium <strong>der</strong><br />

Natur und nicht <strong>der</strong> Imitation von Vorgängern (Fortführung <strong>des</strong> Vorwortdiskurses).<br />

E<strong>in</strong>en hilfreichen Verweis auf e<strong>in</strong>e die Argumentation stützende Quelle liefert z. B.<br />

die Anmerkung <strong>in</strong> XIII, 2 (S. 610). Daneben br<strong>in</strong>gen an<strong>der</strong>e diskursiv abschweifende<br />

Anmerkungen ergänzende Informationen betont sozialkritischen Charakters mit e<strong>in</strong>,<br />

etwa <strong>in</strong> IV, 14 (S. 196) (Unversorgtheit <strong>der</strong> <strong>in</strong>ferior clergy) und XVIII, 6 (S. 832)<br />

(Mängel im Rechtssystem), die gezielt außerdiegetische empirische Zusatz<strong>in</strong>formationen<br />

mit deutlichem rhetorischem Handlungsappell liefern.<br />

E<strong>in</strong>e letzte wichtige paratextuelle Funktion <strong>der</strong> Anmerkungen ist die unmittelbare<br />

auktoriale Interpretation von Textstellen. Dazu gehört die Interpretation von<br />

offensichtlich unklaren Textteilen, wie <strong>in</strong> X, 8 (S. 496), o<strong>der</strong> das Anstellen von Vermutungen<br />

über Referenzen im Text (Kommentierung), wie <strong>in</strong> XVI, 5 (S. 755), die<br />

nicht aufgelöst werden können. Interessant ist hierbei die teilweise Infragestellung<br />

<strong>der</strong> Allwissenheit <strong>des</strong> Erzählers, wenn Mutmaßungen über die Bedeutung von Figurenäußerungen<br />

gemacht werden, die die sonst vom Erzähler problemlos geleistete<br />

Innenperspektive ersetzten. Die anmerkende Instanz führt hier e<strong>in</strong>e Unsicherheit gegenüber<br />

<strong>der</strong> erzählenden Instanz e<strong>in</strong> 87 , die e<strong>in</strong>er potentiellen Identitätsbeziehung von<br />

Autor und Erzähler wi<strong>der</strong>spricht. Dadurch wird <strong>der</strong> Erzähler freilich erst zu jenem<br />

charakteristischen polyphonen Ganzen, <strong>der</strong> Theoretiker ist, auf die Authentizitäts–<br />

und Zeugenfiktion (Bekanntschaft mit den Figuren) zurückgreifen kann, Fehler korrigiert,<br />

aber selbst Unsicherheiten verursacht, die den Text offen gestalten ohne se<strong>in</strong>e<br />

Autorität aber, wie später Tristram Shandy, <strong>in</strong>fragezustellen. Gleichzeitig erneuert<br />

<strong>der</strong> Erzähler dadurch aber se<strong>in</strong>en Aufruf an den Leser zur unentbehrlichen <strong>in</strong>terpretatorischen<br />

Mitarbeit am Text, zumal auch Elemente <strong>des</strong> B<strong>in</strong>nenvorwortdiskurses <strong>in</strong><br />

die Anmerkungen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> fortgeführt werden. Die punktuelle lektürebegleitende Rezeptionssteuerung,<br />

die zudem den soziohistorischen H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> zeitgenössischen<br />

Gesellschaft im paratextuellen Schwellenraum andeutet, trägt somit weitestgehend<br />

zum Gel<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es ”<br />

guten“ Textverständnisses im S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong> Textadressanten bei,<br />

<strong>der</strong> Paratext erfüllt se<strong>in</strong>e textgebundene Aufgabe <strong>der</strong> Rezeptionserleichterung.<br />

Das Beispiel <strong>der</strong> Paratextverwendung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em klassischen Erzähltext <strong>des</strong> <strong>18.</strong> Jh.<br />

87 Vgl. [28] Genette, S. 319.<br />

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