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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.7 DIE ANMERKUNGEN<br />

an<strong>der</strong>e <strong>Paratexte</strong>, häufig lediglich den Status e<strong>in</strong>er fakultativen Lektüre besitzen,<br />

richten sie sich nur an Leser, die an ergänzenden o<strong>der</strong> abschweifenden Überlegungen<br />

<strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d (die Gruppe <strong>der</strong> Leser än<strong>der</strong>t sich nach Interesse von Anmerkung<br />

zu Anmerkung, wobei <strong>der</strong> Adressat allerd<strong>in</strong>gs die Verantwortung für se<strong>in</strong>e Auswahl<br />

trägt). Ihre illokutorische Wirkung ist die Informationsvergabe (“Control”,<br />

etwa Erläuterung, Ergänzung, Verweis, Quellenangabe, Abschweifung) und manchmal<br />

auch e<strong>in</strong>e Interpretation (Dokumentation) zur Klarstellung gewisser Passagen<br />

<strong>des</strong> Texts.<br />

Bei den spärlichen Anmerkungen <strong>in</strong> Tom Jones handelt es sich durchweg um orig<strong>in</strong>ale<br />

authentisch auktoriale Zusätze, die ausschließlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> zeitgemäßen Form <strong>der</strong><br />

Fußnote auftreten. Die paratextuellen Funktionen s<strong>in</strong>d dabei sehr unterschiedlich,<br />

bisweilen s<strong>in</strong>d die Fußnoten so eng auf e<strong>in</strong> Detail <strong>des</strong> Texts bezogen, daß ihnen kaum<br />

e<strong>in</strong>e darüberh<strong>in</strong>ausgehende selbständige Bedeutung zukommt, d. h. auch ke<strong>in</strong>e paratextuelle<br />

Funktion im eigentlichen S<strong>in</strong>n 85 , etwa <strong>in</strong> VII, 1 (S. 300), wo die Ergänzung<br />

(die auch <strong>in</strong> Klammern hätte stehen können) durch die Titelnennung <strong>des</strong> Gedichts<br />

im Text sogar e<strong>in</strong>igermaßen tautologisch ist (vgl. auch XII, 12 [S. 597]). In VI, 14<br />

(S. 296) f<strong>in</strong>det sich dann sogar e<strong>in</strong>e selbstironische Anmerkung über die Leerstelle<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Fußnote, die auch <strong>der</strong> Versicherung <strong>des</strong> engen Kontakts (phatische Funktion)<br />

zwischen Autor<strong>in</strong>stanz und Leser dient. 86 Wichtiger s<strong>in</strong>d dagegen philologische<br />

Erläuterungen, die teilweise <strong>in</strong> engem Zusammenhang zur moralischen Sphäre <strong>des</strong><br />

Texts stehen, d. h. ke<strong>in</strong>eswegs so neutral s<strong>in</strong>d, wie sie ersche<strong>in</strong>en, etwa wenn Wortbedeutungen<br />

umdef<strong>in</strong>iert werden, wie “mob” (i. e. unmoralischer Mensch egal welcher<br />

Schicht nach <strong>der</strong> bürgerlichen Klassendef<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> bezug auf die Moral) <strong>in</strong> I, 9 (S. 73)<br />

o<strong>der</strong> ihr Anwendungsgebiet erweitert wird, wie bei “critic” (i. e. <strong>der</strong> Leser schlechth<strong>in</strong><br />

als vom Text ”<br />

erzogener“ guter Kritiker) <strong>in</strong> VIII, 1 (S. 361), o<strong>der</strong> Wörter e<strong>in</strong>fach<br />

nur expliziert werden (V, 2 [S. 241]).<br />

E<strong>in</strong>e zweite wichtige Funktion <strong>der</strong> stets verlässlichen Anmerkungen ist die Rezeptionserleichterung<br />

durch Auszeichnung und Übersetzung orig<strong>in</strong>alsprachlicher Zitate,<br />

entwe<strong>der</strong> vom Autor selbst, o<strong>der</strong> bei Zitaten aus mo<strong>der</strong>nen Übersetzungen mit Angabe<br />

<strong>des</strong> Übersetzers, e<strong>in</strong>e Praxis, die <strong>in</strong> Kapitel XII, 1 auch mit dem Schutz vor<br />

dem Vorwurf <strong>des</strong> Plagiats begründet wurde (S. 551f.). Wenngleich solche Übersetzungen<br />

v. a. <strong>in</strong> den diskursiven Vorworten häufig direkt im Text gegeben werden<br />

(II, 1 [S. 87f.], V, 1 [S. 201f.], XI, 1 [S. 508] etc. mit Ausnahme <strong>der</strong> angemerkten<br />

Übersetzung von X, 1 [S. 468]), s<strong>in</strong>d sie im Text selbst, wo die Übersetzung also<br />

den Effekt <strong>des</strong> Orig<strong>in</strong>alzitats nur schwächen würde, immer angemerkt, wie bei <strong>der</strong><br />

<strong>des</strong> Autors <strong>in</strong> V, 9 (S. 236) mit zusätzlichem kritischem Übersetzungskommentar<br />

o<strong>der</strong> den Zitaten aus Übersetzungen mit Nennung <strong>des</strong> Übersetzers, hier Mr. Francis<br />

85 Vgl. [28] Genette, S. 304.<br />

86 Shari Benstock betont die Funktion <strong>der</strong> Bewußtmachung <strong>der</strong> auktorialen Präsenz <strong>in</strong> den Fußnoten,<br />

<strong>in</strong>dem <strong>der</strong> implizite Autor sich sowohl dem Text als auch dem Leser zuwendet. E<strong>in</strong>e Analyse<br />

<strong>der</strong> Fußnoten unter diesem Aspekt f<strong>in</strong>det sich für Tom Jones und Tristram Shandy <strong>in</strong> [13] Shari<br />

Benstock: “At the Marg<strong>in</strong> of Discourse: Footnotes <strong>in</strong> the Fictional Text”. In: Publications of the<br />

Mo<strong>der</strong>n Language Association of America 98(2), March 1983, S. 204–25, hier S. 205–207 bzw.<br />

207–210.<br />

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