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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.5 DIE VORWORTE<br />

Gel<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dung zwischen Tom und Sophia beiträgt. Der Mechanismus<br />

<strong>der</strong> nachgeholten Rezeptionssteuerung <strong>des</strong> vor– und nachbereitenden Vorwortdiskurses<br />

ist somit am deutlichsten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anwendung auf die Beurteilung <strong>der</strong> Figuren<br />

und Handlungen zu beobachten, hier exemplifizieren die Vorworte am deutlichsten<br />

die auktorial favorisierte Beurteilung und Charakterisierung. Die <strong>in</strong>terpretatorischen<br />

Vorworte stellen Anwendungsbeispiele für die grundlegenden theoretischen Überlegungen<br />

zur Interpretation und Urteilsbildung <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Vorworttypen dar und<br />

rufen den Leser damit zur aktiven Mitarbeit am Text auf. Die Kommentartätigkeit<br />

<strong>der</strong> Vorworte zum Text f<strong>in</strong>det dabei nur recht selten auf e<strong>in</strong>er direkten Verweisebene<br />

statt, son<strong>der</strong>n zumeist über teilweise sehr abstrakte Analogien und Kontrastierungen.<br />

Dabei wird die Kontextualisierung <strong>der</strong> Beobachtung durch die zugrundegelegte<br />

Theorie e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t. Allen Vorworten geme<strong>in</strong> ist das zentrale Anliegen <strong>der</strong> Herausbildung<br />

verläßlicher Grundlagen für e<strong>in</strong>e richtige Beurteilung <strong>des</strong> Inhalts, i. e. die<br />

traditionelle paratextuelle Aufgabe <strong>der</strong> Gewährleistung e<strong>in</strong>er ”<br />

guten“ Lektüre im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> ”<br />

Autor<strong>in</strong>tention“.<br />

Die wesentliche Funktion <strong>der</strong> Vorwortkapitel besteht allgeme<strong>in</strong> also <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schaffung<br />

positiver literarischer Normen für das Verhalten, Interpretationen und Urteile<br />

(read<strong>in</strong>g), die dann Episoden <strong>in</strong> <strong>der</strong> fiktionalen gesellschaftlichen und moralischen<br />

Sphäre kommentieren (re–read<strong>in</strong>g), wodurch die Theorie <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenvorworte unauflösbar<br />

mit <strong>der</strong> Praxis <strong>des</strong> Texts verbunden wird. 72 Der Versuch <strong>der</strong> Ablösung<br />

von Vorsatz/Anspruch (Theorie) und Verhalten/Handlung (Praxis) resultiert nach<br />

Field<strong>in</strong>g freilich <strong>in</strong> Heuchelei (affectation), se<strong>in</strong>em schärfsten Angriffspunkt: alle Vertreter<br />

dieser Auffassung, ob auf Figurenebene (Blifil, Thwackum, Square), <strong>der</strong> Ebene<br />

<strong>der</strong> Schriftstellerei (Richardson), <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Literaturästhetik (präskriptive<br />

Literaturtheorie), <strong>der</strong> <strong>der</strong> unmittelbaren Kritiker se<strong>in</strong>er Romankonzeption (unorganisches<br />

Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> <strong>der</strong> Diskurse) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> Leser, die nicht <strong>in</strong> die postulierten<br />

positiven Rollen passen, s<strong>in</strong>d daher von vornhere<strong>in</strong> disqualifiziert. Gerade die progressive<br />

Bewegung <strong>der</strong> akkumulativen pro– und retrospektiven Kommentierungen<br />

ermöglicht es e<strong>in</strong>em Text, <strong>der</strong> nach Field<strong>in</strong>gs Konzept moralischen und gesellschaftlichen<br />

Nutzen haben soll, se<strong>in</strong>en eigenen kommentierten idealen Leseakt gleichzeitig<br />

zum idealen Akt <strong>der</strong> authentischen Realitätswahrnehmung zu machen, so daß das<br />

Resultat die E<strong>in</strong>heit von Vorwortdiskurs und narrativem Diskurs ist, wie sie Robert<br />

L. Chibka zugespitzt beschreibt: “In this novel whose plot is motivated at every<br />

po<strong>in</strong>t by misprision and re<strong>in</strong>terpretation, learn<strong>in</strong>g to live and learn<strong>in</strong>g to read [via<br />

the <strong>in</strong>troductory chapters, Anm. d. Verf.] are f<strong>in</strong>ally one and the same process.<br />

[. . . ] Field<strong>in</strong>g’s <strong>in</strong>troductory chapters constitute not an <strong>in</strong>trusion upon the work (to<br />

paraphrase Tristram Shandy’s best–known epigraph), but the work itself.” 73<br />

72 In [19] Chibka, S. 30f.<br />

73 In [19] Chibka, S. 38f.<br />

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