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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.5 DIE VORWORTE<br />

aus Buch XVI (Eifersuchtstod von Mr. Fitzpartick) und Buch XVIII (Inzestverdacht<br />

bei Tom und Mrs. Waters [Jenny Jones]) verbunden.<br />

Das letzte B<strong>in</strong>nenvorwort hat bereits zu den direkteren <strong>in</strong>terpretatorischen Kommentaren<br />

<strong>in</strong> Vorworten übergeleitet. Zwei wichtige Vorworte, die dann an den schon<br />

allgeme<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geführten zentralen Diskurs über kritische Urteile anknüpfen, sollen<br />

dies veranschaulichen. Das satirische chorische Vorwort VI, 1 (S. 251–253) über die<br />

pseudo–philosophische Negation <strong>der</strong> Liebe (die im Text <strong>in</strong> allen Facetten geschil<strong>der</strong>t<br />

wird) verb<strong>in</strong>det thematisch die Bücher V (echte Liebe zwischen Tom und Sophia,<br />

re<strong>in</strong> körperliche Liebe zwischen Tom und Molly), VI (Trauer <strong>der</strong> Liebenden über<br />

die Aussichtslosigkeit ihrer Liebe) und VII (Trennung <strong>der</strong> Liebenden, Gefahr <strong>der</strong><br />

Zwangsheirat zwischen Sophia und Blifil). Dabei wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em argumentativen Interpretationsakt<br />

Liebe und sexuelles Verlangen e<strong>in</strong>erseits kategorisch unterschieden,<br />

beiden Empf<strong>in</strong>dungen aber an<strong>der</strong>erseits e<strong>in</strong> gleich starkes Bedürfnis nach Erfüllung<br />

zugebilligt, wobei letztere aber nur e<strong>in</strong>e Vervollständigung <strong>der</strong> weit wichtigeren ersteren<br />

ist. Es handelt sich hier folglich um e<strong>in</strong>e wichtige <strong>in</strong>terpretatorische Unterscheidung,<br />

um Toms Verhalten zu rechtfertigen und ihn nicht moralisch verkommen<br />

o<strong>der</strong> charakterlos ersche<strong>in</strong>en zu lassen, wozu auch die beson<strong>der</strong>e Gewichtung se<strong>in</strong>er<br />

universelleren, weil niemals endenden, Menschenliebe gehört. Am Schluß wird<br />

<strong>der</strong> angesprochene ideale Leser dazu aufgefor<strong>der</strong>t, die textuelle Exemplifikation dieser<br />

paratextuellen Überlegungen nachzuvollziehen, während alle an<strong>der</strong>en Leser aus<br />

dem Kreis <strong>der</strong> Adressaten <strong>des</strong> Texts ausgeschlossen werden, weil sie diesen we<strong>der</strong><br />

verstehen noch beurteilen können.<br />

Im B<strong>in</strong>nenvorwort VII, 1 (S. 299–302) wird unter Verwendung <strong>des</strong> Topos vom<br />

Theatrum vitae humanae, <strong>der</strong> generell e<strong>in</strong>e wichtige Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> christlich–humanistischen<br />

Tradition spielt und schon <strong>in</strong> II, 1 (S. 87) e<strong>in</strong>geführt wurde, retrospektiv<br />

das fiktive Geschehen <strong>in</strong> VI, 12 (Black Georges Diebstahl von Toms Geld) mit e<strong>in</strong>er<br />

Szene auf <strong>der</strong> Bühne gleichgesetzt. Dabei werden die Leserreaktionen mit den<br />

Publikumsreaktionen <strong>der</strong> verschiedenen Gesellschaftsschichten im Zuschauerraum<br />

assoziiert, die allerd<strong>in</strong>gs alle, trotz unterschiedlicher Ausdrucksformen, das gleiche<br />

qualitative Fehlurteil <strong>der</strong> Verurteilung <strong>der</strong> Handlung ablegen. Der Erzähler diskutiert<br />

also die moralischen Fragen, die die Handlungen <strong>der</strong> Charaktere aufwerfen und<br />

for<strong>der</strong>t erneut die tiefergehende Beurteilung <strong>des</strong> Verhaltens <strong>der</strong> Charaktere, da die<br />

oberflächliche Beurteilung nur e<strong>in</strong>es isolierten Wesenszugs auf <strong>der</strong> allzu verführerischen<br />

Weltbühne immer zu e<strong>in</strong>seitigen, den Urteilenden selbst disqualifizierenden<br />

Fehlurteilen führt:<br />

[T]he man of candour and of true un<strong>der</strong>stand<strong>in</strong>g is never hasty to condemn.<br />

He can censure an imperfection, or even a vice, without rage aga<strong>in</strong>st the guilty<br />

party. In a word, they are the same folly, the same childishness, the same ill–<br />

breed<strong>in</strong>g, and the same ill–nature, which raise all the clamours and uproars<br />

both <strong>in</strong> life and on the stage. The worst of men generally have the words rogue<br />

and villa<strong>in</strong> <strong>in</strong> their mouths, as the lowest of all wretches are the aptest to cry<br />

out low <strong>in</strong> the pit. [S. 302]<br />

Black George ist trotz se<strong>in</strong>es Charakterfehlers Toms erster (III, 2) und dann teilweise<br />

e<strong>in</strong>ziger wirklicher Freund, <strong>der</strong> durch se<strong>in</strong>e Botendienste später wesentlich zum<br />

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