28.12.2013 Aufrufe

Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.5 DIE VORWORTE<br />

tik gleichzeitig glaubhaft se<strong>in</strong> und überraschend wirken 60 , e<strong>in</strong> Mischverhältnis (wie<br />

schon zuvor bei <strong>der</strong> Harmonie <strong>der</strong> ”<br />

Gegensätze“ Vorwort – Text, die e<strong>in</strong> ausgewogenens<br />

Ganzes schafft) zwischen Wahrhaftigkeit (historian 61 ) und dem Wun<strong>der</strong>baren<br />

(romance writer) ist das Idealziel e<strong>in</strong>er komischen Dichtung (“novels [. . . ] of<br />

the comic class” XIV, 1 [S. 657]) wie Tom Jones. Die Möglichkeit <strong>der</strong> Darstellung<br />

außergewöhnlicher Figuren und die epische Breite erlauben gerade hier e<strong>in</strong> buntes<br />

Panorama <strong>des</strong> gesellschaftlichen Lebens, wie es im Textkommentar <strong>des</strong> Mottos<br />

schon angedeutet war. Im sich anschließenden Text wird diese E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> ”<br />

Wun<strong>der</strong>baren“<br />

dann im Buch VIII als Exemplifikation dieser Gattungsdef<strong>in</strong>ition auch<br />

geleistet mit <strong>der</strong> überraschenden Wie<strong>der</strong>begegnung von Tom und Partridge, ihrer<br />

Nachtwan<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> freier Natur und <strong>der</strong> The Man of the Hill–Episode.<br />

Schon im Vorwort II, 1 (S. 87–89) aber erfolgte e<strong>in</strong>e sehr wichtige Begriffsexplikation<br />

für den Titel History, <strong>der</strong> gegen Lebensbeichten 62 auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en und authentisch<br />

historiographischen Werken auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite abgegrenzt wird, wobei letztere<br />

wegen ihrer rout<strong>in</strong>ierten undramatischen Gestaltung (annähernde Zeitdeckung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Darstellung) kritisiert werden. Die Gattung <strong>der</strong> History nutzt dagegen alle erzähltechnischen<br />

Möglichkeiten zur Spannungsbewahrung und Konzentration <strong>der</strong> Darstellung<br />

auf das Wesentliche (etwa Zeitaussparung o<strong>der</strong> –raffung, wodurch Erzählzeit<br />

und erzählte Zeit als Ergebnis weit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>klaffen können). Diese paratextuelle<br />

genrespezifische Grundlegung, die <strong>in</strong> III, 1 (S. 121–122) noch vertieft wird, löst <strong>der</strong><br />

Text dann durch die Aussparung von acht Monaten am Beg<strong>in</strong>n von II, 2 (mit dem<br />

direkten Sprung zu Master Blifils Geburt) sowie <strong>der</strong> Aussparung von zwölf Jahren<br />

am Beg<strong>in</strong>n von Buch III sogleich e<strong>in</strong>.<br />

Wichtiger als die methodologische Gattungsdist<strong>in</strong>ktion ist die daraus zu folgernde<br />

Lektüreanweisung. Die Aussparungen haben die Aufgabe <strong>der</strong> Anregung <strong>der</strong> Phantasie<br />

<strong>der</strong> Leser, die zu e<strong>in</strong>er imag<strong>in</strong>ativen Ergänzung <strong>der</strong> ausgesparten erzählten Zeit<br />

auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> bisherigen Lektüre führen soll. Als Voraussetzung für e<strong>in</strong>e ”<br />

gute“<br />

Lektüre, kann so sichergestellt werden, daß zukünftige Ereignisse leicht nachvollziehbar<br />

bleiben bzw. beim “judicious rea<strong>der</strong>” auf fruchtbaren <strong>in</strong>terpretativen Boden<br />

fallen. Das Ziel e<strong>in</strong>er progressiven, übere<strong>in</strong>stimmenden Beurteilung <strong>der</strong> Handlungs–<br />

und Figurenentwicklung durch Erzähler und Leser kann durch e<strong>in</strong>e zentrale Beurteilungsnorm<br />

erreicht werden:<br />

[I]n the conjectures here proposed, some of the most excellent faculties of the<br />

m<strong>in</strong>d may be employed to much advantage, s<strong>in</strong>ce it is a more useful capacity<br />

to be able to foretel the actions of men, <strong>in</strong> any circumstance, from their<br />

characters, than to judge of their characters from their actions. [S. 122]<br />

Direkt angewandt auf das folgende dritte Buch obliegt dem Leser jetzt die Aufgabe,<br />

Toms Fehltritte und Schwierigkeiten (“actions”) nicht voreilig als Ausdruck e<strong>in</strong>es<br />

60 Vgl. [4] Field<strong>in</strong>g (Wesleyan edition), Bd. 1, Anm. auf S. 395.<br />

61 Schon <strong>der</strong> Erzähler <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenhandlung <strong>in</strong> A Tale of a Tub beansprucht diesen Titel (SECT. VI<br />

[S. 64]): “I shall by no means forget my character of an historian to follow the truth step by step,<br />

whatever happens or wherever it may lead me.”<br />

62 Field<strong>in</strong>g greift hier erneut se<strong>in</strong>e Attacken auf Colley Cibbers An Apology for the Life of Mr.<br />

Colley Cibber (1740) auf (vgl. auch Joseph Andrews I, i [<strong>in</strong> [1] Field<strong>in</strong>g, Joseph Andrews, S. 16]<br />

und die Titelseite und Zueignung von Shamela).<br />

37

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!