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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.5 DIE VORWORTE<br />

losigkeit e<strong>in</strong>er Konvention Vorwort“ satirisch kritisiert, <strong>in</strong>dem er sie als nützlich<br />

”<br />

für Kritiker und “idolent rea<strong>der</strong>[s]” beschreibt. Diese Lesergruppen s<strong>in</strong>d zu diesem<br />

späten Zeitpunkt <strong>des</strong> Vorwortdiskurses aber schon h<strong>in</strong>länglich <strong>der</strong> expliziten Kritik<br />

ausgesetzt worden. 57 Der ideale Leser soll und muß daraus folgern, daß die Vorworte<br />

hier das exakte Gegenteil <strong>der</strong> attackierten Theaterprologe darstellen, d. h.<br />

funktional unentberlich und textgebunden natürlich nicht beliebig verschieb– o<strong>der</strong><br />

gar austauschbar s<strong>in</strong>d. Gestützt wird die Argumentation im Vorwort dabei erneut<br />

durch e<strong>in</strong> kritisch distanzieren<strong>des</strong>, <strong>in</strong>tertextuelles Zitat aus A Tale of a Tub, wo <strong>der</strong><br />

Grub–street hack ebenfalls ironisch diese Möglichkeit eröffnete: “I have chosen for it<br />

[the digression, Anm. d. Verf.] as proper a place as I could readily f<strong>in</strong>d. If the judicious<br />

rea<strong>der</strong> can assign a fitter, I do here impower him to remove it <strong>in</strong>to any other<br />

corner he please.” (SECT. VII. “A Digression <strong>in</strong> Praise of Digressions.” [S. 72]).<br />

Bei Tom Jones dienen die Vorwortfunktionen, die <strong>der</strong> Vorwortdiskurs normalerweise<br />

für den Text erfüllt, also auch <strong>der</strong> Rechtfertigung e<strong>in</strong>er sche<strong>in</strong>bar recht wenig <strong>in</strong>tegrierten<br />

paratextuellen Praxis, die durch e<strong>in</strong>en rhetorischen Aufwertungsapparat“<br />

”<br />

ihren Nutzen als notwendiges Pendant zum Text deutlich macht. Es handelt sich bei<br />

den B<strong>in</strong>nenvorworten also um <strong>Paratexte</strong>, die nicht Opfer e<strong>in</strong>er fakultativen Lektüre<br />

werden dürfen.<br />

3.5.2.3 Vorworte als Funktionsbestimmungen von Gattung und Autorschaft<br />

E<strong>in</strong> zentrales Thema <strong>des</strong> Vorwortdiskurses erfüllt für den Text die paratextuelle<br />

Funktion <strong>der</strong> Gattungsdef<strong>in</strong>ition als direkte Bestätigung für den rhematischen<br />

Teil <strong>des</strong> Titels, die <strong>in</strong> Tom Jones über verschiedene Stufen fortgeschrieben wird<br />

und die Romanpoetik <strong>des</strong> “Preface” von Joseph Andrews aufgreift und ergänzt.<br />

Der qualitativen Unterscheidung zwischen History (“truth”, “nature”) 58 und den<br />

“idle romances” (“productions [. . . ] of distempered bra<strong>in</strong>s”) <strong>in</strong> IV, 1 (S. 151) folgt<br />

<strong>in</strong> VIII, 1 (S. 361–367) die Fundierung <strong>der</strong> Gattung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Aristotelischen<br />

Grenzen von Möglichkeit, Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, Natürlichkeit und Notwendigkeit. Die<br />

Differenzierung von diesen Genres geht freilich immer e<strong>in</strong>her mit <strong>der</strong> Abgrenzung<br />

von <strong>der</strong>en Autoren und Lesern (Wahl <strong>des</strong> Publikums als Vorwortfunktion). Gleichzeitig<br />

wird die History (“private lives”) von Geschichtswerken (“public lives”) mit<br />

Auswirkungen auf die Stoffwahl und das Personal 59 differenziert, wobei erstere v. a.<br />

die “probabilty” weniger genau beachtet als letztere (S. 363f.). Beschränkungen s<strong>in</strong>d<br />

dem Dichter zudem auferlegt bei <strong>der</strong> Charakterzeichnung (ke<strong>in</strong>e Schwarz–Weiß–<br />

Malerei) und <strong>der</strong> Konsistenz <strong>der</strong> Figuren und ihrer Handlungen. Innerhalb dieser<br />

Grenzen jedoch sollte die epische Dichtung durchaus nach neoklassizistischer Poe-<br />

57 Vgl. [19] Chibka, S. 28.<br />

58 Vgl. auch die Absichtserklärung <strong>des</strong> Erzählers zum Werk <strong>in</strong> XII, 8 (S. 579).<br />

59 Vgl. XIV, 1 (S. 657): “The various call<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> lower spheres produce the great variety of humorous<br />

characters;”. Gleichzeitig wird Lady Bellaston kontrastiv als ausnehmend abschrecken<strong>des</strong><br />

Beispiel ihres Stan<strong>des</strong> charakterisiert, das verdeutlichen soll, daß <strong>der</strong> weitgehende Ausschluß <strong>der</strong><br />

“upper spheres” ke<strong>in</strong> wirklicher Verlust für den Autor komischer Epen ist, wenngleich solche Intrigen<br />

aber dem Interesse <strong>der</strong> Leser am plot dienlich s<strong>in</strong>d.<br />

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