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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.5 DIE VORWORTE<br />

ausstehende Aufklärung von Toms Herkunft und die Beseitigung <strong>der</strong> letzten schweren<br />

H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse auf dem Weg zum Happy–End <strong>der</strong> Heirat <strong>der</strong> Liebenden Tom und<br />

Sophia ankündigt. 53 Das Vorwort übernimmt hier, wie fast überall, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>direkte,<br />

vorausweisende <strong>in</strong>terpretative Funktion für den Text.<br />

3.5.2.2 Autologische Vorworte<br />

Autologische Vorworte ( ”<br />

Vorworte über Vorworte“) dienen dem meta–paratextuellen<br />

Kommentar zu den Funktionen <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenvorworte im Text generell. Nachdem e<strong>in</strong>e<br />

Funktion schon <strong>in</strong> IV, 1 (S. 151) mit <strong>der</strong> Auflockerung <strong>des</strong> Erzähldiskurses beschrieben<br />

wurde, die e<strong>in</strong>er Ermüdung <strong>des</strong> Lesers vorbeugen soll, e<strong>in</strong>e weitere <strong>in</strong> IX,<br />

1 (S. 435) mit dem Wie<strong>der</strong>erkennungswert dieser genrekonstituierenden Praxis für<br />

den Autor, <strong>der</strong> sich unter e<strong>in</strong>er Flut von Imitaten (die allesamt unfähig zu <strong>der</strong>artigen<br />

selbstreflexiven Kommentaren s<strong>in</strong>d) dist<strong>in</strong>guieren muß, 54 begründet wurde, wird<br />

im B<strong>in</strong>nenvorwort V, 1 (S. 199–202), <strong>der</strong> extensivsten selbstreflexiven Funktionsbestimmung,<br />

detaillierter auf die spezifisch paratextuellen Funktionen e<strong>in</strong>gegangen.<br />

Dazu wird die Bedeutung <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenvorworte zunächst über den Kapiteltitel “Of<br />

the Serious <strong>in</strong> Writ<strong>in</strong>g, and for what Purpose it is <strong>in</strong>troduced” und den H<strong>in</strong>weis<br />

auf die Probleme bei <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schrift (vgl. auch XVI, 1 [S. 739–740]), im Unterschied<br />

zu den an<strong>der</strong>en Teilen, aufgewertet. 55 Ihr Status wird dabei von Beg<strong>in</strong>n an als<br />

“essentially necessary to this k<strong>in</strong>d of [prosai–comi–epic] writ<strong>in</strong>g” (S. 199) def<strong>in</strong>iert,<br />

die Funktion liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kontrastrelation, die so zwischen Vorwortdiskurs (seriousness,<br />

dullness) und dem dadurch betont komischen narrativem Diskurs erzeugt wird<br />

(S. 201), die ”<br />

Schönheit“ <strong>des</strong> ersteren wird nur vor dem negativen Kontrast <strong>des</strong> letzteren<br />

deutlich. Die Kunstreflexion über diese historisch verbürgte Praxis, basierend<br />

auf <strong>der</strong> klassizistischen Kunstästhetik <strong>des</strong> Concordia discors 56 , <strong>der</strong> Harmonieentstehung<br />

durch die Versöhnung entgegengesetzter Teile, gibt also im Vorwort Aufschluß<br />

über die Kompositionspr<strong>in</strong>zipien und erfüllt so e<strong>in</strong>e wichtige paratextuelle Funktion<br />

für den Text. Abschließend wird dann dem Leser die Lektüre dieser, selbstkritisch<br />

gesehen, absichtlich langweiligen B<strong>in</strong>nenvorworte sogar potentiell freigestellt, <strong>der</strong><br />

sche<strong>in</strong>bar paradoxe Charakter <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenvorworte zwischen Unverzichtbarkeit als<br />

Bestandteil <strong>der</strong> Erzählung und Vernachlässigbarkeit bzw. Ablösbarkeit als Theorie<br />

wird allerd<strong>in</strong>gs im folgenden als Ironie deutlich gemacht.<br />

Das B<strong>in</strong>nenvorwort XVI, 1 veranschaulicht anhand <strong>der</strong> Geschichte <strong>des</strong> Theaterprologs<br />

die zunehmende Auflösung <strong>der</strong> textuellen Gebundenheit und den Verlust <strong>der</strong><br />

ursprünglichen Funktion dieses <strong>Paratexte</strong>lements. Der auktoriale Erzähler, <strong>der</strong> sich<br />

auch e<strong>in</strong>e Flut von Vorworten anlasten lassen muß, bestätigt daher selbstironisch<br />

auch die Unverb<strong>in</strong>dlichkeit se<strong>in</strong>er Prologe, wobei er aber gleichzeitig die Funktions-<br />

53 Vgl. [19] Chibka, S. 38.<br />

54 Im gleichen Kontext wird die Verwendung griechischer o<strong>der</strong> late<strong>in</strong>ischer Motti mit <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />

<strong>der</strong> Abhebung <strong>der</strong> gelehrten Autoren von den talentlosen “scribblers” erklärt (S. 435).<br />

55 Vgl. [19] Chibka, S. 23. Das bis auf die Antike zurückgehende Vorwortklischee <strong>der</strong> Schwierigkeit<br />

<strong>des</strong> Themas und <strong>der</strong> schriftstellerischen Herausfor<strong>der</strong>ung wird hier zum meta–paratextuellen<br />

Eigenkommentar.<br />

56 Vgl. [4] Field<strong>in</strong>g (Wesleyan edition), Bd. 1, Anm. auf S. 212.<br />

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