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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.5 DIE VORWORTE<br />

dungshilfe für den Gast (Leser) se<strong>in</strong>, ob er <strong>in</strong> dem Haus (Text) verweilt o<strong>der</strong> nicht<br />

(die Metaphorik ist dabei erweiterbar: <strong>der</strong> Titel <strong>des</strong> Werks als Name <strong>des</strong> Gasthofs,<br />

das Inhaltsverzeichnis als Speisekarte neben <strong>der</strong> E<strong>in</strong>gangstür, das B<strong>in</strong>nenvorwort<br />

als Türschwelle usw.). Gestützt wird diese Strategie dadurch, daß <strong>der</strong> “host” (auktorialer<br />

Erzähler) durch die <strong>in</strong>s Positive gewendete, <strong>in</strong>tertextuelle Bezugnahme <strong>des</strong><br />

Kapiteltitels auf Distanz zur satirischen Kritik an solchen Vorworten durch den<br />

Grub–street hack <strong>in</strong> A Tale of a Tub geht, <strong>der</strong> <strong>in</strong> SECT. V. “A Digression <strong>in</strong> the<br />

Mo<strong>der</strong>n K<strong>in</strong>d.” erklärt hatte (S. 63): “I do utterly disapprove and declare aga<strong>in</strong>st<br />

that pernicious custom of mak<strong>in</strong>g the preface a bill of fare to the book.” 52 Im<br />

Gegensatz dazu will <strong>der</strong> auktoriale Erzähler hier gerade den E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den Text<br />

erleichtern, <strong>in</strong>dem er se<strong>in</strong> Angebot (nach <strong>der</strong> Vororientierung durch das detaillierte<br />

Inhaltsverzeichnis [S. 39–50]) zuerst <strong>in</strong> groben Zügen darstellt und dann über die<br />

angekündigten “particular bills” (S. 51), also die an<strong>der</strong>en Vorworte, jeweils zu jedem<br />

Gang <strong>des</strong> Menüs (Ortszuweisung vor jedem neuen Buch) ergänzt.<br />

Im zweiten Teil <strong>des</strong> E<strong>in</strong>leitungskapitels steht dann die eigentliche Informationsvergabe<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> dom<strong>in</strong>anten Metapher im Zentrum. Der Gastgeber stellt<br />

jetzt, <strong>in</strong> offensichtlicher Wie<strong>der</strong>aufnahme <strong>des</strong> Mottos, den zentralen Gegenstand<br />

<strong>des</strong> Menüs <strong>in</strong> Form <strong>des</strong> Sammelbegriffs “Human Nature” vor, wodurch gleichzeitig<br />

se<strong>in</strong>e Diversifikation und Interessantheit werbend hervorgehoben wird. E<strong>in</strong>her<br />

geht damit die <strong>in</strong>terpretative Rechtfertigung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>beziehung aller (auch <strong>der</strong> nach<br />

klassizistischer Poetologie nicht literaturfähigen) Realitätsebenen <strong>in</strong> die Darstellung<br />

(Stoff), die durch e<strong>in</strong>e Gattungsabgrenzung sowie allgeme<strong>in</strong> poetologisch durch die<br />

dichterische Verfe<strong>in</strong>erung (Darstellung) als für alle Leserschichten geeignet gerechtfertigt<br />

wird (Aufhebung von traditionell klassenspezifischen Gattungszuordnungen<br />

im <strong>18.</strong> Jh.). Abschließend wird dann die Anlage (Glie<strong>der</strong>ung) <strong>des</strong> Werks <strong>in</strong> Form<br />

e<strong>in</strong>er bezüglich Spannung und Interessantheit aufsteigenden Reihenfolge von den<br />

e<strong>in</strong>fachen Verhältnissen auf dem Land (6 Bücher <strong>in</strong> Somersetshire) h<strong>in</strong> (6 Bücher<br />

Reise <strong>in</strong> die Stadt) zu den erleseneren Kreisen und reißerischen Themen <strong>der</strong> Stadt (6<br />

Bücher <strong>in</strong> London) beschrieben. Der jetzt noch gewogene Leser überschreitet dann<br />

endgültig die Schwelle und bekommt das erste Buch serviert.<br />

In <strong>der</strong> Erläuterung <strong>des</strong> Vorgehens, <strong>der</strong> Struktur <strong>des</strong> Texts, war bereits die traditionelle<br />

Reisemetapher <strong>in</strong> Analogie zur fiktionalen und symbolischen Reise auf <strong>der</strong><br />

Figurenebene angelegt, die für das letzte, ausleitende B<strong>in</strong>nenvorwort “A Farewel<br />

to the Rea<strong>der</strong>” (XVIII, 1 [S. 813–814]) dom<strong>in</strong>ant ist. Hauptfunktion dieses Vorworts,<br />

das die letzte Kommunikations<strong>in</strong>stanz darstellt, ist die Beendigung <strong>des</strong> Kontakts<br />

zwischen self–conscious narrator und angesprochenem Leser, die sich beide<br />

letztmals <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reisekutsche“ (discours) versammeln, womit gleichzeitig die histoire<br />

abgerundet wird. Nach e<strong>in</strong>er appellativ versöhnlichen Geste zum Abschied,<br />

”<br />

kündigt <strong>der</strong> auktoriale Erzähler jetzt e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Erzählmodus h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />

ernsthafteren und weniger digressiven Darstellungsform an, was sowohl auf die<br />

Notwendigkeit <strong>des</strong> Dénouements (<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Buch) <strong>des</strong> bis dah<strong>in</strong> immer noch äußerst<br />

verwickelten plot vorausgreift als auch den ernsthafteren Grundton für die noch<br />

52 Field<strong>in</strong>g bezog sich auch <strong>in</strong> XIII, 1 (S. 608) explizit auf Swift als Inspirationsquelle, se<strong>in</strong>e<br />

Wertschätzung Swifts ist bekannt.<br />

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