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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.4 DIE ZUEIGNUNG<br />

Der performative Akt <strong>der</strong> Zueignung hat neben dem captatio benevolentiae–<br />

Auftrag die ”<br />

traditionelle“ Funktion <strong>der</strong> (aufrichtigen o<strong>der</strong> unaufrichtigen) Zurschaustellung<br />

e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tellektuellen o<strong>der</strong> privaten, wirklichen o<strong>der</strong> symbolischen Beziehung,<br />

die ”<br />

als Argument für e<strong>in</strong>en höheren Wert [. . . ] immer im Dienst <strong>des</strong> Werkes“<br />

37 steht (Zueignung als moralische, <strong>in</strong>tellektuelle o<strong>der</strong> ästhetische Bürgschaft).<br />

Der Leser wird also annehmen, daß zwischen Sen<strong>der</strong> und dem gewählten Empfänger<br />

e<strong>in</strong>e Beziehung besteht, diese Beziehung, da veröffentlicht, belangvoll ist und <strong>der</strong><br />

Text (s<strong>in</strong>nvoll) mit ihr zu tun hat. Dabei kann generell zwischen öffentlichen und privaten<br />

Zueignungsadressaten unterschieden werden, e<strong>in</strong>e Zueignung an erstere dient<br />

<strong>der</strong> Zurschaustellung e<strong>in</strong>er öffentlichen Beziehung <strong>in</strong>tellektueller, künstlerischer, politischer<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Art, e<strong>in</strong>e Zueignung an letztere dagegen erfolgt im Namen e<strong>in</strong>er<br />

persönlichen freundschaftlichen, familiären o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Beziehung, beide Formen<br />

können sich freilich überschneiden.<br />

Die Zueignung von Tom Jones (S. 35–38) <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er signierten Widmungsepistel<br />

mit e<strong>in</strong>em Zueignungs– und e<strong>in</strong>em Vorwortteil entspricht bezüglich <strong>der</strong> Charakteristika<br />

erneut exakt dem schon beschriebenen kanonischen Status dieses <strong>Paratexte</strong>lements<br />

und erfüllt gleichzeitig se<strong>in</strong>e formalen und <strong>in</strong>haltlichen Aufgaben im Dienst<br />

<strong>des</strong> Textes. Die Zueignung (<strong>in</strong> aufrichtig schmeichelndem Ton) adressiert das Werk<br />

(das den Titel bestätigend als “history” bezeichnet wird) als Ehrengabe “to the<br />

honourable / GEORGE LYTTLETON, ESQ., / One of the Lords Commissioners<br />

of the Treasury”, <strong>der</strong> durch diese Berufsbezeichnung offiziell als öffentlicher<br />

Zueignungsadressat e<strong>in</strong>geführt wird (Verweis auf Autorität, Integrität und Urteilsvermögen),<br />

im weiteren Verlauf aber funktional dienlich v. a. als privater Adressat<br />

(Anteilnahme an <strong>der</strong> Entstehung <strong>des</strong> Werks) ersche<strong>in</strong>t. 38 Dabei steht am Beg<strong>in</strong>n<br />

noch die traditionelle und von Field<strong>in</strong>g, mit Blick auf den leicht anfe<strong>in</strong>dbaren Inhalt<br />

und se<strong>in</strong> Onym, ganz sicher ernstgeme<strong>in</strong>te Bitte um Protektion, die zweimal<br />

als Recht <strong>des</strong> Zugeigners bezeichnet e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t und im Vorwortteil noch genauer<br />

begründet wird: “Sir, / Notwithstand<strong>in</strong>g your constant refusal, when I have asked<br />

leave to prefix your name to this dedication, I must still <strong>in</strong>sist on my right to <strong>des</strong>ire<br />

your protection of this work” (S. 35), wobei die Zueignung ohne Zustimmung<br />

<strong>des</strong> Adressaten erfolgte. Hierbei handelt es sich aber vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> engen<br />

und im folgenden explizit zurschaugestellten Beziehung zwischen Field<strong>in</strong>g und<br />

se<strong>in</strong>em Freund und großzügigen Patron Lyttleton (1709-73) aber weniger um e<strong>in</strong>e<br />

tatsächliche Weigerung als vielmehr um e<strong>in</strong>e durch Field<strong>in</strong>gs paraliptische Umgehung<br />

39 verstärkt ausgedrückte Bescheidenheit <strong>des</strong> Adressaten (die Field<strong>in</strong>g auch als<br />

eigentliche Ursache für <strong>des</strong>sen Ablehnung benennt [S. 36]), die vor <strong>der</strong> Folie <strong>der</strong><br />

dann geschil<strong>der</strong>ten Verdienste <strong>des</strong>selben für die Entstehung <strong>des</strong> Werkes bereits umso<br />

schillern<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Größe benennt und damit funktional deutlich im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />

Wertsteigerung“ im Dienst <strong>des</strong> Textes selbst steht. Zumal Lyttleton, dem Field<strong>in</strong>g<br />

das Manuskript zur Lektüre gegeben hatte, uneigennützig mit se<strong>in</strong>em<br />

”<br />

frühen<br />

37 In [28] Genette, S. 132.<br />

38 Lyttleton wird im B<strong>in</strong>nenvorwort VIII, 1 als weiteres Kompliment als “most excellent writer”<br />

(S. 366) charakterisiert.<br />

39 Vgl. aber bei [28] Genette, S. 129.<br />

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