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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.3 DAS TITELBLATT<br />

Das orig<strong>in</strong>ale, unter dem Onym plazierte Zitatmotto von Tom Jones —Mores hom<strong>in</strong>um<br />

multorum vidit.—“ (Bd. 5 verkürzt: —Mores Hom<strong>in</strong>um Multorum.“) er-<br />

”<br />

”<br />

schien auf allen Titelseiten (vgl. Abbildung 3.2 [S. 20]) <strong>der</strong> sechsbändigen Erstveröffentlichung,<br />

se<strong>in</strong> Status entspricht <strong>der</strong> schon beschriebenen kanonischen Def<strong>in</strong>ition<br />

dieses <strong>Paratexte</strong>lements. Es handelt sich dabei um e<strong>in</strong> echtes, nicht zugeschriebenes<br />

allographes E<strong>in</strong>leitungsmotto, das aus Vers 142 von Horaz’ Ars Poetica<br />

stammt, wor<strong>in</strong> wie<strong>der</strong>um das Exordium <strong>der</strong> Odyssee <strong>des</strong> Homer (Musenanrufung<br />

im Ersten Gesang) zitiert wird. Die fehlende direkte Zuschreibung <strong>des</strong> late<strong>in</strong>ischen<br />

Mottos, das die meisten (gelehrten) Leser im <strong>18.</strong> Jh. aber als Teil dieser berühmten<br />

Textstelle kannten 30 , wird <strong>in</strong> Kapitel XII, 1 (S. 553) mit dem generellen Rückgriff<br />

aller mo<strong>der</strong>nen Autoren auf den Wissensschatz <strong>der</strong> Antike gerechtfertigt 31 und<br />

geht somit e<strong>in</strong>her mit dem Motto–Effekt“ als Resultat <strong>des</strong> im Roman <strong>des</strong> <strong>18.</strong> Jh.<br />

”<br />

generell seltenen Gebrauchs e<strong>in</strong>es Mottos. Die Wirkung <strong>der</strong> <strong>in</strong>direkten Bürgschaft<br />

e<strong>in</strong>er unmißverständlich anwesenden, kanonisierten Autorität für den Text ist dabei<br />

erreicht, zumal die Aussage <strong>in</strong> dieser Form noch unmittelbarer zur nicht unbescheidenen<br />

Fremdcharakterisierung“ <strong>des</strong> Autors (bzw. Erzählers) und se<strong>in</strong>er schriftstellerischen<br />

(erzählerischen) Qualifikation wird und so verstärkt im Dienst <strong>der</strong> vom<br />

”<br />

rhematischen Teil <strong>des</strong> Titels erweckten Gattungserwartung e<strong>in</strong>er vere<strong>in</strong>heitlichenden<br />

monoperspektivischen Darstellung steht.<br />

Gleichzeitig versprechen Motto und Titel als Kommentar zum Text die Darstellung<br />

e<strong>in</strong>es umfassenden zeitgenössischen Gesellschafts– und Sittenbil<strong>des</strong> basierend<br />

auf dem gesellschaftlichen Umgang <strong>der</strong> Menschen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> (Teil <strong>der</strong> emotionalen<br />

E<strong>in</strong>stimmung). Field<strong>in</strong>g hat das Motto aus <strong>der</strong> Ars Poetica dabei ganz gezielt<br />

für den Text ausgewählt, denn er hatte es <strong>in</strong>teressanterweise schon früher e<strong>in</strong>mal<br />

verwendet 32 und dann sogar im E<strong>in</strong>leitungskapitel “Matter prefatory <strong>in</strong> praise of<br />

Biography” zu Buch III von Joseph Andrews fast wörtlich expliziert:<br />

I declare here once for all, I <strong>des</strong>cribe not Men, but Manners; not an Individual,<br />

but a Species [mank<strong>in</strong>d, Anm. d. Verf.]. [. . . ] I believe I might aver, that I<br />

have writ little more than I have seen. 33<br />

Die Gattungsdef<strong>in</strong>itionen <strong>der</strong> History <strong>in</strong> den B<strong>in</strong>nenvorworten nehmen später immer<br />

wie<strong>der</strong> Bezug auf diese leitmotivische Kernaussage über Form und Inhalt (z. B. XIII,<br />

1 “From thee [Experience] only can the manners of mank<strong>in</strong>d be known” [S. 609],<br />

XIV, 1 “the manners of every rank must be seen <strong>in</strong> or<strong>der</strong> to be known” [S. 656], I, 1<br />

“The provision then which we have here made is no other than Human Nature”<br />

30 Die fehlende Zuschreibung ist also auch e<strong>in</strong> Akt <strong>der</strong> Höflichkeit gegenüber dieser Lesergruppe.<br />

31 Vgl. Kapitel XII, 1 (S. 553): “I [n]ever scruple to take to myself any passage which I shall f<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

an ancient author to my purpose, without sett<strong>in</strong>g down the name of the author from whence it was<br />

taken. Nay, I absolutely claim a property <strong>in</strong> all such sentiments the moment they are transcribed<br />

<strong>in</strong>to my writ<strong>in</strong>gs, and I expect all rea<strong>der</strong>s henceforwards to regard them as purely and entirely my<br />

own.”<br />

32 Field<strong>in</strong>g stellte das Motto hier mit Nennung <strong>des</strong> Zitierten e<strong>in</strong>em Artikel über fiktionale Reiseberichte<br />

<strong>in</strong> The Champion (Thursday, March 20, 1739–40) voran.<br />

33 In [1] Henry Field<strong>in</strong>g: The History of the Adventures of Joseph Andrews and of his friend Mr.<br />

Abraham Adams and An Apology for the Life of Mrs. Shamela Andrews. Hg. von Douglas Brooks.<br />

Oxford paperbacks. London und Oxford: Oxford UP, 1971, S. 168.<br />

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