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Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 3 TOM JONES (1749)<br />

3.2 DER TITELAPPARAT<br />

rialen) Paratexts. Neben se<strong>in</strong>er Informationsvergabe nimmt <strong>der</strong> öffentliche Paratext<br />

auch bereits e<strong>in</strong>e Interpretation <strong>des</strong> Texts vor, die funktional wie<strong>der</strong>um im Dienst<br />

<strong>des</strong> Texts steht.<br />

Der vollständige thematische Haupttitel The / History / of / Tom Jones, / a /<br />

Foundl<strong>in</strong>g ist e<strong>in</strong> wörtlicher“ Titel, <strong>der</strong> bereits den zentralen Gegenstand <strong>des</strong> Werks<br />

”<br />

beschreibt. Diese <strong>des</strong>kriptive Funktion <strong>des</strong> Titels wird hierbei auf unterschiedliche<br />

Weise von den zwei Verfahren <strong>der</strong> thematischen und rhematischen Betitelung erfüllt,<br />

die den Text durch e<strong>in</strong>es o<strong>der</strong> beide dieser Kennzeichen beschreiben. Folgt man also<br />

Genettes Unterscheidung zwischen dem thematischen ( Inhaltsangabe“ [thematic<br />

”<br />

<strong>in</strong>dicator]) und rhematischen ( Formangabe“ [generic <strong>in</strong>dicator]: Gattung, Bandzahl<br />

etc.) Teil <strong>des</strong> Titels, so wird deutlich, daß dieser Titel (<strong>in</strong> Nachfolge e<strong>in</strong>er<br />

”<br />

langen Titeltradition im <strong>18.</strong> Jh.) e<strong>in</strong> sog. gemischter Titel aus diesen beiden Verfahren<br />

ist: die genretypische Gattungsbezeichnung e<strong>in</strong>er (Auto–)Biographie (“History”<br />

20 ), die Field<strong>in</strong>g begrifflich auf e<strong>in</strong>e neue theoretische Grundlage stellte und <strong>in</strong><br />

den an<strong>der</strong>en <strong>Paratexte</strong>n (v. a. den B<strong>in</strong>nenvorworten 21 ) immer wie<strong>der</strong> für den Text<br />

bestätigend thematisierte, ist mit ihrem Gegenstand, <strong>der</strong> explizit ankündigenden<br />

Namensnennung <strong>der</strong> Titelfigur ( kataphorischer“ Titel) mitsamt <strong>der</strong> Spezifikation<br />

”<br />

ihrer sozialen“ Ausgangssituation 22 , verbunden. Letztere schafft durch ihre konnotative<br />

Funktion zugleich e<strong>in</strong>en Leseanreiz aus dem im Titel impliziten Versprechen<br />

”<br />

<strong>der</strong> Befriedigung <strong>der</strong> Neugier auf Aufklärung <strong>des</strong> Schicksals <strong>des</strong> Protagonisten (die<br />

implizite Verführung <strong>des</strong> Titels ist positiv). Die erstgenannte Gattungsangabe im<br />

Zentrum <strong>des</strong> Titels ist bei Field<strong>in</strong>g zugleich e<strong>in</strong> bedeutungsvoller <strong>in</strong>tertextueller<br />

Rückbezug auf das Prestige und die Würde <strong>der</strong> klassischen Gattungstitel“ als <strong>in</strong>direkte<br />

Bürgen für se<strong>in</strong> neues Romankonzept. 23 Das Fehlen e<strong>in</strong>er legitimierenden<br />

”<br />

Genealogie <strong>der</strong> Gattung bed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> den Gattungsreflexionen <strong>des</strong> Vorwortdiskurses<br />

die Charakterisierung über die neoklassizistische Theorie <strong>des</strong> Epos.<br />

Der Titel steht zusätzlich mit an<strong>der</strong>en Titeln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zusammenhang (metasprachliche<br />

Funktion): er bezieht sich explizit auf epochentypische und oft sprechende<br />

(i. e. resümierende) Romantitel <strong>der</strong> Gattungstradition Entwicklungsroman (vgl.<br />

Defoes The Life and strange surpriz<strong>in</strong>g Adventures of Rob<strong>in</strong>son Crusoe, [. . . ] Mar<strong>in</strong>er<br />

o<strong>der</strong> Field<strong>in</strong>gs The History of the Adventures of Joseph Andrews, And of his<br />

Friend Mr. Abraham Adams), hat somit als gattungsspezifischer Titeltyp Signalwirkung<br />

und weckt e<strong>in</strong>e bestimmte Leseerwartung beim Adressaten <strong>des</strong> Titels, denn<br />

e<strong>in</strong> Titel wie “The Life” o<strong>der</strong> “The History” bezeichnet zugleich das Thema <strong>des</strong><br />

Diskurses (Schil<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Lebens) und den Diskurs (<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Biographie) als<br />

solchen (Textgestalt). Der Textreferens“ bestätigt <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne dann die Vorgaben<br />

<strong>des</strong> Titels und die dadurch geweckte Gattungserwartung: im Zentrum <strong>der</strong><br />

”<br />

histoire steht nach <strong>der</strong> Gattungskonvention die Lebensgeschichte <strong>des</strong> F<strong>in</strong>delk<strong>in</strong>ds“<br />

”<br />

Tom Jones als e<strong>in</strong>e Folge von auktorial vermittelten Entwicklungsschritten (dis-<br />

20 Die Gattungsangabe alle<strong>in</strong> gibt hier bereits den Ausgang im voraus an, es handelt sich <strong>in</strong>sofern<br />

sogar um e<strong>in</strong>en sog. ”<br />

proleptischen“ Titel.<br />

21 Vgl. Abschnitt 3.5.2.3 (S. 36).<br />

22 In <strong>der</strong> zeitgenössischen Rezeption wurde <strong>der</strong> Titel <strong>des</strong> Werks zumeist zu The Foundl<strong>in</strong>g abgekürzt.<br />

23 Vgl. auch [28] Genette, S. 90f.<br />

21

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