Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts Paratexte in der englischen Erzählprosa des 18. Jahrhunderts

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KAPITEL 2 GRUNDLAGEN DES PARATEXTS 2.2 CHARAKTERISTIKA 2.2.4 Pragmatischer Status (von wem? an wen?) Der pragmatische Status eines paratextuellen Elements ist definiert durch die Eigenschaften seiner Kommunikationsinstanz oder –situation: • Adressant 9 : auktoriale Paratexte (von der Autorinstanz stammend), verlegerische Paratexte (beide sog. ” offizielle Paratexte“) oder allographe Paratexte (von Dritten stammend, aber vom Autor legitimiert) (sog. ” offiziöse Paratexte“ [hierher gehört auch der auktoriale Epitext]). • Adressat: öffentliche Paratexte (an die Öffentlichkeit schlechthin [z. B. Titel] oder spezifischer den Leser [z. B. Vorwort] oder Lesergruppen gerichtet) oder private Paratexte (direkt an bekannte oder unbekannte Privatpersonen [z. B. Zueignung] adressiert). • illokutorische Wirkung der Mitteilung: Paratexte können eine Vielzahl verschiedener Wirkungen haben, etwa eine einfache Information geben (Autorenname, Datum der Veröffentlichung), eine bestimmte Absicht oder eine auktoriale und/oder verlegerische Interpretation bekanntgeben (Vorwort, Gattungsangabe als auktoriale oder verlegerische Interpretation des Texts), den Kontext des literarischen Kommunikationsprozesses verdeutlichen (Gattungskontext) oder eine Rezeptionsanweisung beinhalten etc. 2.2.5 Funktion (wozu?) Der Paratext bildet nach Genette einen ” Hilfsdiskurs“, der im Dienst des Texts steht und von dem er seine Existenzberechtigung erhält. Er ist danach, unabhängig von seinem eigenen ästhetischen oder substantiellen Gehalt, immer seinem Text ” untergeordnet“, seine Funktionalität bestimmt also ganz wesentlich seine Beschaffenheit und seine Existenz. Gleichzeitig wird aber auch seine enge textuelle Gebundenheit und keineswegs gänzlich fakultative Verwendung nicht unterschlagen. Darüberhinaus muß diese streng hierarchische qualitative Distinktion zwischen Text und Paratext aber zumindest für den Epochen– und Gattungskontext dieser Untersuchung durch eine graduelle Unterscheidung der Texttypen ersetzt werden. Horst Zander deutet sogar die generelle Unmöglichkeit der Disjunktion von Text und Paratext an. Diese These ist in ihrer Allgemeinheit, d. h. ahistorisch und unabhängig von (auch außerliterarischen) Gattungskontexten sicher nicht haltbar. Sie wird relativiert durch die das Normalmaß übersteigende Funktionalisierung des Paratexts, die gerade im 18. Jh. besonders stark ausgeprägt ist. Die These kann demnach als relevant für den eingeschränkten gattungs– und epochenspezifischen Kontext dieser Arbeit bestehen bleiben und, so soll gezeigt werden, auch bestätigt werden. 10 9 Der Adressant eines Paratexts muß nicht notwendigerweise sein Verfasser sein: ” Der Adressant wird durch eine putative Zuschreibung und durch eine übernommene Verantwortung definiert.“ In [28] Genette, S. 16. 10 Vgl. [56] Zander, S. 135f. 13

KAPITEL 2 GRUNDLAGEN DES PARATEXTS 2.2 CHARAKTERISTIKA Nach Genettes Definition ist der Paratext weiterhin den starken Zwängen der Pragmatik unterworfen, zumeist werden also ” funktionale Typen“ tradiert und verwandt ohne wirkliche substantielle Neuerungen. Die Funktionen des Paratexts lassen sich im Gegensatz zu den anderen Merkmalen jedoch nicht theoretisch beschreiben (wie beim Status, wo bestimmte mögliche Alternativen von Begriffen einen bestimmten Typus definieren), da Paratexte mehrere, dem jeweiligen Element eigene Zwecke gleichzeitig wahrnehmen können. Zudem sind die Funktionen entscheidend vom Status des jeweiligen Elements abhängig. Ein paratextuelles Element läßt sich folglich nur in einer Einzelanalyse und –synthese aus der Abhängigkeitsbeziehung von Status (Abschnitte 2.2.1–2.2.4 [s. a. unten die einleitenden Grundlagen zu den einzelnen Paratextformen]) und Funktion vollständig erfassen und definieren. Laurence Lerner faßt als Ergebnis seiner Untersuchung dagegen bereits von vornherein vier Hauptfunktionen des Paratexts zusammen, denen er jeweils bestimmte paratextuelle Elemente zuordnet: “1. Information [notes, Anmerkungen d. Verf.], 2. Apology [dedication], 3. Control [preface, notes] and 4. Indecision [whether or not to use paratexts and if, which?].” 11 Auf diese Funktionen soll jeweils in den die Paratextelemente einleitenden Grundlagenüberlegungen eingegangen werden. Allen Paratexten gemein ist vorweg lediglich, daß sie durch ihr bloßes Auftreten (Besetzung einer systemimmanenten Möglichkeit) oder Fehlen (Signifikanz der Leerstelle) bereits einen Kommentar zum Werk abgeben, den der Leser zumeist zur Kenntnis nehmen muß und der bereits seine Lektüre beeinflußt. 12 Lerner führt allgemein zu ihrer Funktion aus: “The function of the frontier areas of the text – all of those discussed – is to exert pressure on the reader, in the act of constituting meaning. Supplying information, exerting (or diminishing) didactic control, apologizing (or boasting): all these are aspects of that pressure.” 13 Im Hauptteil der Arbeit (Kapitel 3–5) soll nun, aufbauend auf den bisher dargelegten Grundlagen, die Verwendung der wichtigsten Paratexte in den drei gewählten Beispielfällen untersucht werden. Im Zentrum stehen dabei (mit unterschiedlicher Gewichtung) sechs Formen von Paratexten: der Name des Autors, der Titel (unter Einbeziehung des Mottos), die Zueignung, das Vorwort, die Zwischentitel und die Anmerkungen. Jede der Formen wird zu Beginn mit kurzen allgemeinen Einführungen eingeleitet, denen Genettes Paratext–Konzeption zugrundegelegt ist und die im wesentlichen die Charakteristika und den Status der jeweiligen Elemente definieren sollen. Vor der Folie dieser allgemeinen Typologie (zumeist) traditioneller Form– und den daraus abstrahierten Funktionsbestimmungen sollen die Texte dann analysiert und ihre jeweiligen Besonderheiten herausgearbeitet werden. 11 In [35] Lerner, S. 243. 12 Vgl. Laurence Lerner: “To provide your reader with information is no doubt to exert a kind of control, since it will be difficult for him to ignore it, and read as if he did not know; but it is the mildest and most indirect form of control”. In [35] Lerner, S. 243. 13 In [35] Lerner, S. 255. 14

KAPITEL 2 GRUNDLAGEN DES PARATEXTS<br />

2.2 CHARAKTERISTIKA<br />

2.2.4 Pragmatischer Status (von wem? an wen?)<br />

Der pragmatische Status e<strong>in</strong>es paratextuellen Elements ist def<strong>in</strong>iert durch die Eigenschaften<br />

se<strong>in</strong>er Kommunikations<strong>in</strong>stanz o<strong>der</strong> –situation:<br />

• Adressant 9 : auktoriale <strong>Paratexte</strong> (von <strong>der</strong> Autor<strong>in</strong>stanz stammend), verlegerische<br />

<strong>Paratexte</strong> (beide sog. ”<br />

offizielle <strong>Paratexte</strong>“) o<strong>der</strong> allographe <strong>Paratexte</strong><br />

(von Dritten stammend, aber vom Autor legitimiert) (sog. ”<br />

offiziöse <strong>Paratexte</strong>“<br />

[hierher gehört auch <strong>der</strong> auktoriale Epitext]).<br />

• Adressat: öffentliche <strong>Paratexte</strong> (an die Öffentlichkeit schlechth<strong>in</strong> [z. B. Titel]<br />

o<strong>der</strong> spezifischer den Leser [z. B. Vorwort] o<strong>der</strong> Lesergruppen gerichtet) o<strong>der</strong><br />

private <strong>Paratexte</strong> (direkt an bekannte o<strong>der</strong> unbekannte Privatpersonen [z. B.<br />

Zueignung] adressiert).<br />

• illokutorische Wirkung <strong>der</strong> Mitteilung: <strong>Paratexte</strong> können e<strong>in</strong>e Vielzahl verschiedener<br />

Wirkungen haben, etwa e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Information geben (Autorenname,<br />

Datum <strong>der</strong> Veröffentlichung), e<strong>in</strong>e bestimmte Absicht o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e auktoriale<br />

und/o<strong>der</strong> verlegerische Interpretation bekanntgeben (Vorwort, Gattungsangabe<br />

als auktoriale o<strong>der</strong> verlegerische Interpretation <strong>des</strong> Texts), den Kontext<br />

<strong>des</strong> literarischen Kommunikationsprozesses verdeutlichen (Gattungskontext)<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Rezeptionsanweisung be<strong>in</strong>halten etc.<br />

2.2.5 Funktion (wozu?)<br />

Der Paratext bildet nach Genette e<strong>in</strong>en ”<br />

Hilfsdiskurs“, <strong>der</strong> im Dienst <strong>des</strong> Texts steht<br />

und von dem er se<strong>in</strong>e Existenzberechtigung erhält. Er ist danach, unabhängig von<br />

se<strong>in</strong>em eigenen ästhetischen o<strong>der</strong> substantiellen Gehalt, immer se<strong>in</strong>em Text ”<br />

untergeordnet“,<br />

se<strong>in</strong>e Funktionalität bestimmt also ganz wesentlich se<strong>in</strong>e Beschaffenheit<br />

und se<strong>in</strong>e Existenz. Gleichzeitig wird aber auch se<strong>in</strong>e enge textuelle Gebundenheit<br />

und ke<strong>in</strong>eswegs gänzlich fakultative Verwendung nicht unterschlagen. Darüberh<strong>in</strong>aus<br />

muß diese streng hierarchische qualitative Dist<strong>in</strong>ktion zwischen Text und Paratext<br />

aber zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t für den Epochen– und Gattungskontext dieser Untersuchung durch<br />

e<strong>in</strong>e graduelle Unterscheidung <strong>der</strong> Texttypen ersetzt werden. Horst Zan<strong>der</strong> deutet<br />

sogar die generelle Unmöglichkeit <strong>der</strong> Disjunktion von Text und Paratext an. Diese<br />

These ist <strong>in</strong> ihrer Allgeme<strong>in</strong>heit, d. h. ahistorisch und unabhängig von (auch außerliterarischen)<br />

Gattungskontexten sicher nicht haltbar. Sie wird relativiert durch<br />

die das Normalmaß übersteigende Funktionalisierung <strong>des</strong> Paratexts, die gerade im<br />

<strong>18.</strong> Jh. beson<strong>der</strong>s stark ausgeprägt ist. Die These kann demnach als relevant für den<br />

e<strong>in</strong>geschränkten gattungs– und epochenspezifischen Kontext dieser Arbeit bestehen<br />

bleiben und, so soll gezeigt werden, auch bestätigt werden. 10<br />

9 Der Adressant e<strong>in</strong>es Paratexts muß nicht notwendigerweise se<strong>in</strong> Verfasser se<strong>in</strong>: ”<br />

Der Adressant<br />

wird durch e<strong>in</strong>e putative Zuschreibung und durch e<strong>in</strong>e übernommene Verantwortung def<strong>in</strong>iert.“ In<br />

[28] Genette, S. 16.<br />

10 Vgl. [56] Zan<strong>der</strong>, S. 135f.<br />

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