Geschlechterrollen - UK-Online

Geschlechterrollen - UK-Online Geschlechterrollen - UK-Online

uk.online.uni.koeln.de
von uk.online.uni.koeln.de Mehr von diesem Publisher
28.12.2013 Aufrufe

Geschlechterrollen Gender Roles Bettina Hannover Vor über dreißig Jahren, nämlich 1972, erschien im Vorgänger-Handbuch der Psychologie ein Kapitel über GeschlechteITollen, das von Ursula Lehr verfasst worden war. Die spätere Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit dokumentierte unter dem Titel ,,Das Problem der Sozialisation gescWechtsspezifischer Verhaltensweisen" den damaligen Stand der Forschung. Liest man diesen Text heute, so stellt man (erleichtert) fest, dass sich seither auf gesellschaftspolitischer Ebene hinsichtlich GeschlechteITollen vieles verändert hat! So lassen Studien zu geschlechts spezifischen Sozialisationspraktiken über die vergangenen Dekaden hinweg einen klaren Trend erkennen, nach dem die Bedingungen, unter denen Mädchen bzw. Jungen aufwachsen, einander ähnlicher geworden sind. Im Jahre 1974 fanden Maccoby und Jacklin in ihrer einflussreichen und viel beachteten Studie noch, dass Jungen von ihren Eltern mehr physisch stimuliert (z. B. durch Streicheln), häufiger zu physischen Aktivitäten angeregt, häufiger bestraft und häufiger gelobt werden als Mädchen. Demgegenüber konnten Lytton und Romney (1991) knapp 20 Jahre später in einer Metaanalyse von 172 Studien keine bedeutsamen Effektgrößen nachweisen, die auf eine differenzielle Behandlung von Töchtern und Söhnen durch ihre Eltern verweisen würden. Eine Ausnahme bildete die Anregung geschlechtstypisierter Aktivitäten: Mädchen werden von ihren Eltern eher darin bestärkt, z. B. in der Küche zu helfen oder sich hübsch zu machen, Jungen hingegen eher darin, sich sportlich zu betätigen oder mit technischem Werkzeug umzugehen. Parallel zu dieser Angleichung in den Sozialisationsbedingungen von Mädchen und Jungen dokumentiert die GescWechterforschung der vergangenen Dekaden einen klaren Trend, dass sich männliche und weibliche Personen in ihren Fähigkeiten und psychologischen Merkmalen aneinander angeglichen haben (z. B. Feingold. 1988; Hyde & Plant, 1995). Weiter wird dem Leser des Lehr'schen Handbuchkapitels von 1972 deutlich, dass sich die Einstellungen zum Thema Geschlecht seither verändert haben. Lehrs Aufsatz ist insofern ein wissenschaftshistorisches Dokument, als er zeigt, dass zum damaligen Zeitpunkt die weibliche Rolle noch eindeutig negativ konnotiert war: was u. a. seinen Ausdruck darin fand, dass sogar innerhalb der Gruppe der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die sich mit Geschlecht befassten, Voreingenommenheiten gegenüber MädchenlFrauen bestanden. So konnten sich z. B. Unter-

<strong>Geschlechterrollen</strong><br />

Gender Roles<br />

Bettina Hannover<br />

Vor über dreißig Jahren, nämlich 1972, erschien im Vorgänger-Handbuch der Psychologie<br />

ein Kapitel über GeschlechteITollen, das von Ursula Lehr verfasst worden<br />

war. Die spätere Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit<br />

dokumentierte unter dem Titel ,,Das Problem der Sozialisation gescWechtsspezifischer<br />

Verhaltensweisen" den damaligen Stand der Forschung. Liest man diesen<br />

Text heute, so stellt man (erleichtert) fest, dass sich seither auf gesellschaftspolitischer<br />

Ebene hinsichtlich GeschlechteITollen vieles verändert hat!<br />

So lassen Studien zu geschlechts spezifischen Sozialisationspraktiken über die vergangenen<br />

Dekaden hinweg einen klaren Trend erkennen, nach dem die Bedingungen,<br />

unter denen Mädchen bzw. Jungen aufwachsen, einander ähnlicher geworden<br />

sind. Im Jahre 1974 fanden Maccoby und Jacklin in ihrer einflussreichen und<br />

viel beachteten Studie noch, dass Jungen von ihren Eltern mehr physisch stimuliert<br />

(z. B. durch Streicheln), häufiger zu physischen Aktivitäten angeregt, häufiger<br />

bestraft und häufiger gelobt werden als Mädchen. Demgegenüber konnten Lytton<br />

und Romney (1991) knapp 20 Jahre später in einer Metaanalyse von 172 Studien<br />

keine bedeutsamen Effektgrößen nachweisen, die auf eine differenzielle Behandlung<br />

von Töchtern und Söhnen durch ihre Eltern verweisen würden. Eine Ausnahme<br />

bildete die Anregung geschlechtstypisierter Aktivitäten: Mädchen werden<br />

von ihren Eltern eher darin bestärkt, z. B. in der Küche zu helfen oder sich hübsch<br />

zu machen, Jungen hingegen eher darin, sich sportlich zu betätigen oder mit technischem<br />

Werkzeug umzugehen.<br />

Parallel zu dieser Angleichung in den Sozialisationsbedingungen von Mädchen und<br />

Jungen dokumentiert die GescWechterforschung der vergangenen Dekaden einen<br />

klaren Trend, dass sich männliche und weibliche Personen in ihren Fähigkeiten<br />

und psychologischen Merkmalen aneinander angeglichen haben (z. B. Feingold.<br />

1988; Hyde & Plant, 1995).<br />

Weiter wird dem Leser des Lehr'schen Handbuchkapitels von 1972 deutlich, dass<br />

sich die Einstellungen zum Thema Geschlecht seither verändert haben. Lehrs Aufsatz<br />

ist insofern ein wissenschaftshistorisches Dokument, als er zeigt, dass zum<br />

damaligen Zeitpunkt die weibliche Rolle noch eindeutig negativ konnotiert war:<br />

was u. a. seinen Ausdruck darin fand, dass sogar innerhalb der Gruppe der Wissenschaftler<br />

und Wissenschaftlerinnen, die sich mit Geschlecht befassten, Voreingenommenheiten<br />

gegenüber MädchenlFrauen bestanden. So konnten sich z. B. Unter-


Bettina Hannover 465<br />

suchungen als wissenschaftlich bezeichnen, die günstigere Beurteilungen, die<br />

Studierende über Männer relativ zu Frauen abgegeben hatten, als Beleg für die<br />

Unterlegenheit und die Abhängigkeit weiblichen Seins interpretierten (so geschehen<br />

bei Taylor & Brayer, 1960; zit. nach Lehr, 1972).<br />

Während das Kapitel zum Thema Geschlecht im Handbuch von 1972 mit ,,Das<br />

Problem der Sozialisation geschlechtsspezifischerVerhaltensweisen" überschrieben<br />

war, heißt es in diesem neuen Handbuch "<strong>Geschlechterrollen</strong>". Unter einer<br />

Rolle wird ein Set von Erwartungen verstanden, die Menschen gegenüber einer<br />

Personhegen, die eine bestimmte Position oder Eigenschaftbesitzt. In diesemTitel<br />

drückt sich der Erkenntnisfortschritt aus, den die Geschlechterforschung in den<br />

letzten Dekaden hervorgebracht hat. Lehr musste 1972noch beklagen, dass "es in<br />

der Forschung zu einer sehr starken Gewichtung familiärer Sozialisationsbedingungen<br />

und geradezu zurVernachlässigungder Ergründung möglicher anderer sozialisierender<br />

Bedingungen, die als ,männlich' und, weiblich' definiertes Verhalten<br />

bewirken" (S. 939) gekommen ist. Seither sind in der Sozialpsychologie viele<br />

neue Forschungsansätze entstanden, die den Erklärungsfokus für Geschlechtsunterschiede<br />

von der Ebene der Individuen auf den Einfluss des sozialen Kontextes<br />

verschoben haben (Überblick in Deaux & LaFrance, 1998).<br />

1. Geschlechtsunterschiede<br />

Dimensionen zur Beschreibung von Geschlechtsunterschieden<br />

Ruble und Martin (1998) haben eine Taxonomie der Dimensionen vorgelegt,<br />

bzgl. derer Unterschiede zwischen den Geschlechtern beschrieben werden können.<br />

Sie differenzieren zwischen den Konstrukten a) Konzepte und Überzeugungen,<br />

b) Identität und Selbstwahmehmung, c) Präferenzen und d) Verhaltensmanifestationen.<br />

Diese Konstrukte könnenjeweils auf verschiedene Inhaltsebenen<br />

bezogen sein. Die wichtigsten sind dabei 1.Aktivitäten und Interessen, 2. personal-soziale<br />

Attribute und 3. soziale Beziehungen.<br />

Der aktuelle Forschungsstand zu der Frage, welche Unterschiede bei Verwendung<br />

moderner Methoden der sozialwissenschaftlichen Datenanalyse (Metaanalyse) zwischen<br />

den Geschlechtern nachgewiesen werden können, kann wie folgt zusammengefasst<br />

werden:<br />

· Den Erwerb geschlechtsbezogener Konzepte und Überzeugungen (z. B. Fähigkeit,<br />

männliche und weibliche Stimmen/Gesichter zu differenzieren; Erwerb<br />

von Geschlechterstereotypen) betreffend, zeigen sich entwicklungsbedingte<br />

Veränderungen, nicht aber Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen.<br />

· Geschlechtsunterschiede zeigen sich in Identität und Selbstwahmehmung: Mädchen<br />

und Frauen beschreiben sich mehr mit expressiven und die Verbundenheit


466 Bettina Hannover<br />

zu anderen betonenden Merkmalen, Jungen oder Männer hingegen halten instrumentelle<br />

und die eigene Unabhängigkeit betonende Merkmale für selbstcharakteristisch<br />

(Inhaltsebenepersonal-soziale Attribute). Weiter zeigt sich für<br />

eine Vielzahl von Inhaltsbereichen, dass Mädchen oder Frauen sich negativerwenn<br />

nicht gar negativ verzerrt - selbst wahrnehmen; u. a. sichtbar in einem<br />

geringeren Selbstwert.<br />

· Auch in ihren Präferenzen, ob diese auf Spielzeuge, Freizeitaktivitäten, schulische,<br />

berufliche oder universitäreAusbildungsangebote bezogen sind, unterscheiden<br />

sich die Geschlechter: Optionen, die mit der weiblichen Geschlechterrolle<br />

assoziiert sind, werden von MädchenlFrauen präferiert, Optionen, die zur<br />

männlichen Geschlechterrolle gehören, hingegen von Jungen und Männer (lnhaltsebene<br />

Aktivitäten und Interessen). Diese geschlechtstypisierten Präferenzen<br />

zeigen sich dann auch im manifesten Verhalten. Darüber hinausgehend<br />

zeigen Kinder zwischen Kindergartenalter und Adoleszenz eine ausgeprägte<br />

Präferenz und bevorzugte Wahl (Verhaltensmanifestation) gleichgeschlechtlicher<br />

gegenüber gegengeschlechtlichen Freunden.<br />

· Andere Geschlechtsunterschiede im manifesten Verhalten sind Ausdruck verschiedenerpersonal-sozialer<br />

Attribute: Männliche Personen sind häufiger physisch<br />

aggressiv als weibliche; beginnend mit der Pubertät zeigen männliche<br />

Personen eine Überlegenheit in bestimmten mathematischen Fähigkeiten und<br />

im räumlichen Denken, während weibliche Personen beginnendmit dem Schuleintritt<br />

in bestimmten Bereichen bessere verbale Fähigkeiten entwickeln als<br />

männliche Personen.<br />

Gemessen an der großen Zahl der möglichen Kombinationenvon Dimensionen<br />

und Inhaltsbereichen, hinsichtlichderer gemäß der Taxonomievon Ruble<br />

und Martin(1998) Geschlechtsunterschiede denkbar wären und empirisch geprüftworden<br />

sind, ist festzustellen: Unterschiede zwischen den Geschlechtern<br />

sinddeutlichseltenerals Übereinstimmungen.<br />

2 Sozialpsychologische Theorien zur Erklärung<br />

von Geschlechtsunterschieden<br />

Theorien zur Erklärung von Geschlechtsunterschieden<br />

Verschiedene Theorien beanspruchen, die Entstehung von Geschlechtsunterschieden<br />

zu erklären. Grob kann zwischen biologischen, soziobiologischen,<br />

psychoanalytischen, lemtheoretischen, kognitionspsychologischen, sozialpsychologischen<br />

und soziologischen Erklärungsansätzen unterschieden werden<br />

(-t Familiale Sozialisationund Erziehung; Überblick in Ruble & Martin, 1998).


Bettina Hannover 467<br />

Sozialpsychologische Erklärungsansätze analysieren <strong>Geschlechterrollen</strong> sowohl<br />

auf der Ebene kognitiver Prozesse, als auch auf den Ebenen konkreter sozialer<br />

Situationen und übergeordneter sozialer Systeme.<br />

Sozialpsychologische Theorien betrachten Geschlecht nicht in erster Linie als ein<br />

stabiles Merkmal der Person, sondern vielmehr als im sozialen Kontext konstruiert;<br />

nämlich durch die Erwartungen, die Menschen an andere und an sich selbst in ihrer<br />

Eigenschaft als männlich bzw. weiblich in einer konkreten Situation herantragen<br />

I<strong>Geschlechterrollen</strong>). Das Modell von Deaux und LaFrance (1998) verdeutlicht<br />

diese Grundannahmen am Beispiel sozialer Interaktionen. Ob das Geschlecht der<br />

beteiligten Personen in einer konkreten Interaktion bedeutsam wird oder nicht,<br />

hängt demnach wesentlich von drei Faktoren ab: von<br />

a) Geschlechterstereotypen und<br />

b) geschlechtsbezogenem Selbstwissen der Personen sowie<br />

c) von Faktoren, die beeinflussen, wie bedeutsam oder hervorgehoben Geschlecht<br />

in der jeweiligen Situation ist (Salienz von Geschlecht).<br />

,<br />

2.1<br />

In einer Schulstunde soll ein Kind an der Tafel eine Aufgabe lösen. Ob das Geschlecht<br />

des Kindes Einfluss auf das Interaktionsgeschehen nimmt oder nicht,<br />

ist nun davon abhängig,<br />

a) ob die Lehrperson die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Aufgabenlösung in<br />

Abhängigkeit des Geschlechts des Kindes für unterschiedlich hält oder nicht<br />

(d. h. von den Geschlechterstereotypen (vgl. 2.1) der Lehrperson),<br />

b) ob das Kind einen Zusammenhang zwischen seinem Geschlecht und der<br />

Wahrscheinlichkeit, dass es die Aufgabe lösen kann, vermutet oder nicht<br />

(d. h. von geschlechtsbezogenem Selbstwissen (vgl. 2.2) des Kindes) und<br />

c) von der Salienz von Geschlecht in der konkreten Situation (vgl. 2.3).<br />

Geschlechterstereotype<br />

Geschlechterstereotype sind Erwartungen oder Überzeugungen darüber, welche<br />

Merkmale weibliche und männliche Personen wahrscheinlich besitzen (-+ Stereotype).<br />

Sie umfassen z. B. typische Personenmerkmale und soziale Rollen von Frauen<br />

'-lßdMännern. Fiske, Cuddy, Glick und Xu (2002) haben angenommen, dass Ste-<br />

'"OOtypeüber verschiedenste soziale Gruppen inhaltlich auf zwei Dimensionen be-<br />

~hrieben werden können, nämlich Kompetenz versus Inkompetenz und Wärme<br />

",ersus Kälte. Der Status einer Gruppe innerhalb einer Gesellschaft beeinflusst, wie<br />

sie auf der Kompetenz-Dimension wahrgenommen wird. Das Ausmaß, in dem die<br />

jeweilige Gruppe mit anderen um Ressourcen (z. B. Arbeitsplätze, Macht) kon-


468 Bettina Hannover<br />

kurriert, beeinflusst die Wahrnehmung auf der Wärme-Dimension. Entsprechend<br />

fanden Fiske et al. (2002), dass Frauen im Vergleichzu Männern als weniger kompetent<br />

(geringer Status), dafür aber als wärmer (wenig kompetitiv) wahrgenommen<br />

werden.<br />

Zahlreiche sozialpsychologische Untersuchungen zeigen, dass Menschen Geschlechterstereotype<br />

automatisch, d. h. ohne Absicht oder bewusstes Zutun, aktivieren,<br />

sobald sie eine Person als männlich bzw. weiblich klassifiziert haben.<br />

Deshalb tragen Geschlechterstereotype zur Aufrechterhaltung von Geschlechtsunterschieden<br />

bei. Denn sie können im Sinne von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen<br />

(-. Erwartungen und soziales Schema -. Stereotype) wirken. Dies kann<br />

sich beispielsweise darin zeigen, dass eine Person einem ihr unbekannten Menschen<br />

auf Grund seines Geschlechts bestimmte Eigenschaften zuschreibt (z.B.<br />

dass die Lehrperson denkt, die Schülerin könne die Matheaufgabe nicht lösen),<br />

die gemäß dem Stereotyp mit demjeweiligen Geschlecht assoziiert sind (z.B. geringe<br />

Kompetenz in Mathematik als weibliche Eigenschaft) und dann auf diesen<br />

Menschen so reagiert, als hätte er diese Eigenschaft (z.B. der Schülerin sofort<br />

hilft, wenn sie nicht weiter weiß). Die Person (hier die Schülerin) erlebt die an sie<br />

gerichteten Erwartungen (z.B. wird sie die sofortige Hilfestellung als Hinweis<br />

werten, dass sie für inkompetent gehalten wird) und richtet ihr Verhaltenentsprechend<br />

aus (z.B. indem sie ein Selbstkonzept geringer mathematischer Kompetenz<br />

entwickelt und sich entsprechend in der Mathematik nicht mehr engagiert). Auf<br />

diese Weise wird die Erwartung schlussendlich bestätigt (z.B. indem die Schülerin<br />

in ihren Leistungen abfällt).<br />

Geschlechterstereotype beeinflussen aber nicht nur, wie Menschen andere wahrnehmen,<br />

sondern sie können Selbstwahrnehmung und Verhalten einer Person auch<br />

direkt prägen. Ein Beispiel ist die so genannte Stereotypenbedrohung:<br />

Beispiel: Stereotypenbedrohung (Steele, 1997)<br />

Wenn eine Person zu einer Gruppe gehört, über die ein negatives Stereotyp<br />

existiert, sieht sie sich durch die Möglichkeitbedroht, dass sie durch ihr eigenes<br />

Verhalten das negative Stereotyp bestätigen könnte - und zwar auch<br />

dann, wenn sie selbst gar nicht an das Stereotyp glaubt. WirdStereotypenbedrohung<br />

in einer Leistungssituation erlebt, können negative emotionale Reaktionenausgelöstwerden,diedie<br />

Leistungsfähigkeitder Personreduzieren.So<br />

konnte gezeigt werden, dass Mathematikstudentinnendann, wenn in einer Testsituation<br />

das Stereotyp über die geringere Leistungsfähigkeitvon Frauen salient<br />

gemachtwordenwar(darüber,dassbehauptetwurde,FrauenwürdenimMittel<br />

in diesemTestwenigergutabschneiden),schlechtereErgebnisseerzieltenals<br />

ihremännlichenKommilitonen,nichtaber,wenndasStereotypinder Situation<br />

nichtaktiviertwordenwar.


2 Geschlechtsbezogenes Selbstwissen<br />

Bettina Hannover 469<br />

....<br />

~ .\"ohlalle Menschen (schon im Vorschulalter beginnend) Geschlechterstereope<br />

erwerben, bestehen interindividuelle Unterschiede darin, wie stark sie sich<br />

e.bst als maskulin bzw. feminin definieren (Geschlechtsrollenorientierung) und<br />

- demAusmaß, in dem sie ihr Wissen über Geschlecht bei der Verarbeitungneuer<br />

.ronnation verwenden (Geschlechtsselbstschemata). S. Bem (1981) misst die<br />

~hlechtsrollenorientierung einer Person über ihre Selbstbeschreibung auf dem<br />

3


470 Bettina Hannover<br />

Weiterführende Literatur<br />

Hannover, B. (2006). Vom biologischen zum psychologischen Geschlecht: Die Entwicklung<br />

von Geschlechtsunterschieden. In A. Renkl (Hrsg.), Pädagogische Psychologie.<br />

Bern: Huber.<br />

Literatur<br />

Bem, S. L. (1981). Gender schema theory: A cognitive account of sex typing. Psychological<br />

Review, 88, 354-364.<br />

Deux, K. & LaFrance, M. (1998). Gender. In D. T. Gilbert, S. Fiske & G. Lindzey (Eds.),<br />

The handbook of social psychology (4thed., pp. 788-827). New York: McGraw HilI.<br />

Feingold, A. (1988). Cognitive gender differences are disappearing. American Psychologist,<br />

43, 95-103.<br />

Fiske, S.T., Cuddy, A. J. C., Glick, P. & Xu, J. (2002). A model of (often mixed) stereotype<br />

content: Competence and warmth respectively follow from perceived status and<br />

competition. Journal of Personality and Social Psychology, 82, 878-902.<br />

Hannover, B. (2000). Development of the self in gendered contexts. In T. Eckes & H. M.<br />

Trautner (Eds.), The developmental social psychology of gender (pp. 177-206). Hillsdale:<br />

Erlbaum.<br />

Hyde, J. S. & Plant, E. A. (1995). Magnitude of psychological gender differences. American<br />

Psychologist, 50, 159-161.<br />

Kohlberg, L. (1966). A cognitive-developmental analysis of children's sex-role concepts<br />

and attitudes. In E. Maccoby (Ed.), The development of sex differences (pp. 82-172).<br />

Stanford: University Press.<br />

Lehr, U. (1972). Das Problem der Sozialisation geschlechtsspezifischerVerhaltensweisen.<br />

In C. F.Graumann (Hrsg.),Handbuchder Psychologie,Bd. 7.2 (S. 886-954). Göttingen:<br />

Hogrefe.<br />

Lytton, H. & Romney, D. M. (1991). Parent's differential socialization of boys and girls:<br />

A meta-analysis. Psychological Bulletin, 109, 267-296.<br />

Maccoby, E.E. & Jacklin, C. N. (1974). Thepsychology of sex differences. Stanford: University<br />

Press.<br />

Markus, H., Crane, M., Bernstein, S. & Siladi, M. (1982). Self-schemas and gender. Journal<br />

of Personality and Social Psychology, 42, 38-50.<br />

Ruble, D. N. & Martin, C. L. (1998). Gender development. In W.Damon (Ed.), Handbook<br />

ofchildpsychology, Vol.3 (pp. 933-1016). NewYork: Wiley.<br />

Steele, C.M. (1997). A threat in the air: How stereotypes shape intellectual identity and<br />

performance. American Psychologist, 52, 613-629.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!