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Dokument 1.pdf - Hochschulschriftenserver der Universität Trier

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Cohen 14 erklärt die Inquisition gegen Juden mit einem "ideologischen Trend" innerhalb<br />

<strong>der</strong> Kirche des 13. Jahrhun<strong>der</strong>ts, bedingt durch drei Faktoren:<br />

1. Endzeitvorstellungen (Eschatologie) mit messianischer Erwartung und dem Gebot,<br />

alle Ungläubigen zu bekehren<br />

2. organologische Denkweise, die Einheit des Christentums betonend, die im<br />

Caesaropapismus Bonifaz VIII. und <strong>der</strong> Bulle "Unam Sanctam" gipfelt (nicht zwei<br />

Häupter <strong>der</strong> Christenheit son<strong>der</strong>n nur eines).<br />

3. Ausprägung des Begriffs <strong>der</strong> "Fremdheit" 15 mit <strong>der</strong> Gegenüberstellung von<br />

"Patria" und "Nativität".<br />

In diesem "ideologischen Trend" erblickt Cohen eine Abkehr <strong>der</strong> Kirche von dem<br />

augustinischen Toleranzgebot gegenüber den Juden.<br />

Diesen Begründungen mangelt es offenbar an Transparenz. Zur Erklärung <strong>der</strong><br />

Inquisition gegenüber den Juden kann auch an an<strong>der</strong>er Stelle angesetzt werden, <strong>der</strong><br />

Bipolarität : Mit deklamatorisch vorgetragenen Ansprüchen hinsichtlich des<br />

Judenschutzes - erstmals hatte ein Papst (Calixtus II.) im Jahre 1120 eine<br />

Judenschutzbulle ausgestellt (Sicut Judeis) - mochte sich die Kirche nicht begnügen.<br />

Wenn Inquisition insoweit nur gedacht war, um kirchliche Befugnisse über die Juden zu<br />

gewinnen, dann müßte das Verhalten <strong>der</strong> Bettelorden an<strong>der</strong>s bewertet werden: Sie<br />

scheinen sich in eine von <strong>der</strong> Kirche ansonsten nicht gebilligte Judenfeindschaft<br />

hineingesteigert zu haben ("Exempel" in ihren Predigten, 16 z.B. das Motiv <strong>der</strong> von<br />

Juden mit Füßen getretenen Hostie). Als Ursache ihrer Eigenmächtigkeit kommt eine<br />

sozialgeschichtliche Erklärung in Frage, auch wenn Cohen einen solchen Faktor nicht<br />

gelten lassen will: <strong>der</strong> Mittelklasse <strong>der</strong> christlichen Bevölkerung entstammend bzw. <strong>der</strong><br />

Handwerker- und Kaufleuteschicht, gewannen die Ressentimente gegen die lange Zeit<br />

den Handel und das Geldwesen beherrschenden Juden an Einfluß. Die Bettelorden<br />

beschränkten sich nicht mehr auf ihre eigentliche Aufgabe, den Juden das<br />

Proselytenmachen zu verwehren, sie unterstellten ihnen jetzt Feindschaft gegenüber den<br />

Christen, d.h. <strong>der</strong> Endkampf gegen die Scharen des Antichrist hätte bereits begonnen. 17<br />

Daß die Bipolarität sich maßgebend auf Weichenstellungen auswirkte, läßt sich auch am<br />

Verhalten <strong>der</strong> Könige ablesen: Auf die gewachsenen Ansprüche des Papstes reagierte<br />

König Friedrich II. a o 1236 in einem Schreiben an Papst Gregor IX., in dem er das von<br />

<strong>der</strong> Kirche beanspruchte "ius speciale" über die Juden zurückwies mit <strong>der</strong> Begründung,<br />

_______________________________________<br />

14 A.a.O., S.242-264.<br />

15 Hierzu WALTER PAKTER: De his qui foris sunt : The Teaching of the Medieval Canon and Civil Lawyers<br />

concerning the Jews, Ph.D. dissertation, John Hopkins University, 1974.<br />

16 CHRISTOPH CLUSE: Blut ist im Schuh. Ein Exempel zur Judenverfolgung des Rex Armle<strong>der</strong>, in: FRIEDHELM<br />

BURGARD / CHRISTOPH CLUSE / ALFRED HAVERKAMP (Hg.): Liber amicorum necnon amicarum für Alfred<br />

Heit. Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte und geschichtlichen Landeskunde, (THF), <strong>Trier</strong> 1996, S.371-392; E.<br />

RAUNER: Exempel, Exemplum, in: Lexikon des Mittelalters, Bd.4, München/Zürich 1989, Sp.161ff.<br />

17 Siehe COHEN: S. 247.<br />

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