Dokument 1.pdf - Hochschulschriftenserver der Universität Trier
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dubios, nicht aber als überflüssig" bezeichnet. "Trotz aller Ungereimtheiten enthält er<br />
einen historischen Kern", fügt Pauly hinzu." Da Wyndesbach-Winzberg als <strong>der</strong> Ort<br />
bekannt war, an dem man den Leichnam gefunden hatte, mußte - wenn die Version des in<br />
Oberwesel verübten Ritualmordes als Hauptthema beibehalten wurde - auch ein<br />
Transport des Leichnams von Oberwesel an diese Stelle erfolgt sein." 97 Eine Erklärung<br />
für Mainz als Zielort bleibt <strong>der</strong> Autor freilich schuldig.<br />
Dem "historischen Kern" <strong>der</strong> Geschichte begegnet man indes an<strong>der</strong>weitig. In <strong>der</strong> Tat<br />
können die Juden niemals die Absicht verfolgt haben, den Leichnam des angeblich von<br />
ihnen gemarterten und ermordeten Knaben nach Mainz zu transportieren, quasi in die<br />
"Höhle des Löwen", um sich hier <strong>der</strong> Volkswut auszuliefern. Das Motiv des<br />
Märtyrertransports vor die Tore <strong>der</strong> Stadt durch Herbord von Olm und seine<br />
Ministerialenkollegen, um vorgeblich Einlaß zu begehren, diente als rezentes Vorbild,<br />
aber nicht den angeblichen Tätern, son<strong>der</strong>n den Klägern! Das sowohl gegen den<br />
Erzbischof als auch gegen die Juden in Mainz gerichtete Komplott von Ministerialen und<br />
Stadtrat sollte offenbar wie<strong>der</strong>holt werden! Etwas Unvorhergesehenes muß den Plan<br />
durchkreuzt, zur "Programmän<strong>der</strong>ung" und zur vorzeitigen Anlandung bei Bacharach<br />
geführt haben!<br />
Das Martyrium des Knaben Werner soll nach <strong>der</strong> deutschen Verslegende an Karfreitag<br />
1287 in Oberwesel begonnen und drei Tage gedauert haben, 98 also vom 4.-6.April, die<br />
lateinische Vita des aus dem 14.Jahrhun<strong>der</strong>t stammenden und in den "Acta Sanctorum"<br />
abgedruckten Legendariums datiert den Todestag Werners hingegen auf den 19.April<br />
1287 99 . "Die für ´Ritualmordfälle´...recht typische Anschauung, Werner sei am Karfreitag<br />
gestorben", 100 spricht eindeutig gegen das Datum des 4.-6.April und für den 19.April.<br />
Mentgen lehnt auch den 19.April als Todestag Werners ab, aber <strong>der</strong> Einwand, daß auch<br />
<strong>der</strong> Pogrom des Jahres 1283 in Mainz am 19.April stattfand, darf nicht als "irrtümliche<br />
Verknüpfung" abgetan werden, 101 im Gegenteil, die Übereinstimmung <strong>der</strong><br />
Verfolgungsdatierung läßt auf den gleichen Täterkreis rückschließen, auf das Kalkül<br />
einer bestimmten Terminierung. Am 19.April 1283 war es nämlich nicht nur in Mainz,<br />
son<strong>der</strong>n gleichzeitig auch in Bacharach zu einem Pogrom gekommen, hier waren 26<br />
Juden ermordet worden. 102 Bacharach liegt nur ca.3 km unterhalb von Lorch auf <strong>der</strong><br />
gegenüberliegenden Rheinseite! Wie<strong>der</strong>um eine Verfolgung in Lorch wie schon 1275<br />
konnten die jetzt vorsichtiger und konspirativ vorgehenden Ministerialen des dortigen<br />
Salhofes nicht mehr riskieren - vielleicht gab es hier nach <strong>der</strong> Verfolgung von 1275 auch<br />
keine Juden mehr - , daher fiel die Wahl auf die Nachbarortschaft. Auch die<br />
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97 PAULY: S.97f.<br />
Bereits ein Jahr nach <strong>der</strong> Auffindung des Leichnams wurde an <strong>der</strong> Fundstelle bei Wyndesbach-Winzberg das<br />
Wilhelmitenkloster erbaut. (Ib.)<br />
98 "...und uff den heiliger karfritag, als alle creatur erschrack, daß got den bittern toidt erleit, den duchte die juden<br />
auch syn bereit befuglich mit jrer missetait...Dry tage er also hinge mit daß numme bludeß von jme ginge..."(zit.n.:<br />
CHRIST: S.19f.)<br />
99 "Passus est autem sanctus puer Wenherus anno Domini millesimo ducentesimo octuogesimo septimo, tertio decimo<br />
Kalendas Maii.", zit.n.: PAULY: S.96 mit Anm.11.<br />
100 MENTGEN: S.169.<br />
101 Ib.<br />
102 Ib.<br />
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