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Leseprobe - Einsnull

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3.1 Präludium: Die Western-Trilogie Giuseppe Colizzis (1967–69)<br />

4 Weisser, 4.<br />

5 Seeßlen, Western, 154.<br />

43 Eine Variante des Leone-Triells: Der Showdown von Dio<br />

perdona… io no!<br />

gegenseitig auszutricksen, hier wie dort gibt es eine<br />

Partnerschaft – wenn auch nur auf Zeit – zwischen<br />

einem gleichgültigen, gelassenen Northerner (Eastwood<br />

resp. Hill) und einem aufbrausenden, emotionalen<br />

Southerner (Wallach resp. Spencer). Auch<br />

ästhetische und strukturelle Ähnlichkeiten zu den<br />

Dollar-Western sind festzustellen: So ähnelt die ins<br />

surreal verfremdete Erinnerungssequenz aus Colizzis<br />

Film (in der Cat Stevens sein einstiges Duell mit Bill St.<br />

Antonio immer wieder Revue passieren lässt) deutlich<br />

Lee Van Cleefs traumatische Erinnerung an die Vergewaltigung<br />

seiner Schwester in Per qualche dollaro<br />

in più, während im finalen Dreier-Shootout eine Variante<br />

des Arena-Triells aus Il buono, il brutto, il cattivo<br />

auszumachen ist. Wie in Sergio Leones Filmen<br />

erscheinen auch bei Colizzi persönliche Rachegelüste<br />

und die Gier nach materiellem Besitz als Antriebskräfte<br />

der Geschichte, deren düstere Grundstimmung sich<br />

vom Gros der Genrefilme im Grunde kaum abhebt.<br />

I quattro dell’Ave Maria, der zweite Film Colizzis,<br />

knüpft dann allein schon anhand der Besetzung Eli<br />

Wallachs deutlich an Leones dritten Western an. In der<br />

Tat entspricht der schmutzige, bauernschlaue Grieche<br />

Caco in der Figurenzeichnung beinahe gänzlich ‹dem<br />

Brutalen› Tuco. «Fundamentally, Eli Wallach replays<br />

the same character he popularized in Sergio Leone’s<br />

The Good, the Bad, and the Ugly», schreibt Thomas<br />

Weisser, «with a different name. And ancestry. Rather<br />

than being a Mexican named Tuco, he’s Cacopulos<br />

from Greece.» 4 Beide werden sie von ihren jeweiligen<br />

Partnern auf rücksichtslose Weise hinters Licht geführt,<br />

beide schwören sie deswegen grausame Rache<br />

und beiden wird diese auch gewährt – freilich nicht,<br />

ohne zuvor auch eigene physische wie psychische<br />

Qualen erleiden zu müssen. Sowohl Tuco als auch Caco<br />

offenbaren dabei deutliche Wesenszüge eines typisch<br />

katholischen Familarismus, der in deutlichem Kontrast<br />

zu ihrer sonstigen Kaltblütigkeit steht: Beide haben sie<br />

keinerlei Probleme, unzählige Menschen umzubringen;<br />

doch während Tuco sich in seelischer Qual ein besseres<br />

Verhältnis zu seinem Bruder zusammen phantasiert, zitiert<br />

Caco bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Lebensweisheiten<br />

seines Einwanderer-Großvaters.<br />

Auch darüber hinaus ist Colizzis formelgemäße<br />

Abgrasung des Leoneschen Szenenarsenals augenfällig:<br />

Wie der Uomo senza nome erholt sich Cat Stevens<br />

nach seiner schweren Verletzung in einem verborgenen<br />

Verschlag fernab der Stadt (in La collina<br />

degli stivali), wie Tuco werden nun Cat und Hutch<br />

inmitten der Wüste ihrer Pferde beraubt und müssen<br />

sich zu Fuß bis zur nächsten Siedlung durchschlagen<br />

(in I quattro dell’Ave Maria). Der von Caco geplante<br />

Casino-Einbruch erinnert in seiner Perfidie ferner<br />

an den großangelegten Banküberfall in Per qualche<br />

Dollaro in più (und den anschließenden Golddiebstahl<br />

aus Indios Gerätekammer), während Attribute<br />

wie der qualmende Zigarillo in Cats Mundwinkel, die<br />

Figur des kautzigen Totengräbers oder – kameraästhetisch<br />

– die wiederholt eingesetzten Kreisschwenks<br />

noch auffälligere Vergleichsmotive bieten.<br />

Colizzi jedoch kopierte das von Leone vorgegebene<br />

Schema nicht nur, sondern benutzte «die Formen<br />

und Dekors» des Italo-Westerns durchaus «als Ausgangsmaterial<br />

für persönliche Aussagen» 5 . Anders<br />

als dem Film-Buff und versierten Kino-Stilisten Leone<br />

ging es ihm nicht so sehr um das Durchbrechen<br />

vertrauter Wahrnehmungskodizes und bekannter<br />

Genrekonventionen, sondern eher um die Vermittlung<br />

einer didaktischen Botschaft: In allen seinen<br />

drei Western fungieren die Protagonisten letztlich<br />

nur als kleine Zahnrädchen innerhalb des großen<br />

Getriebes wirtschaftlicher Ausbeutung. Bei ihm repräsentieren<br />

nicht die<br />

Kopfgeldjäger die Verkommenheit<br />

und Amoralität<br />

der Gesellschaft,<br />

sondern die Bankiers,<br />

Versicherungschefs und<br />

profitversessenen Großgrundbesitzer,<br />

die das<br />

Volk nach ihren eigenen<br />

Gesetzen ausbeuten und<br />

knechten.<br />

44 Auffällige Eastwood-<br />

Ikonographie: Terence Hill<br />

als Cat Stevens<br />

37

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