Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519<br />
von der Menschenkenntnis, die der Herzog in den langen Jahren seiner Regierung<br />
gewonnen hat. Großzügig sieht er über die kleinen Schwächen der Minister hinweg<br />
und würdigt ihre Verdienste desto beredter. Er ist bestrebt, für die, die ihm in<br />
Treue dienten, lobende und anerkennende Worte zu finden und seinen Sohn für<br />
sie einzunehmen. Besonders der Kanzler, Probst von Wendhausen, wird als guter<br />
Politiker und integrer Charakter gelobt. Desto auffallender ist die scharfe Ablehnung,<br />
die von Münchhausen 16 erfährt. Hier tritt eine Charaktereigenschaft des Herzogs<br />
zutage, die auch in seiner Beurteilung seiner politischen Gegner auffällt: Anton<br />
Ulrich war nachtragend und konnte eine einmal erlittene Niederlage oder ein Versagen<br />
anderer ihm gegenüber nicht verzeihen; hier steigert sich seine Empfindlichkeit<br />
bis zur kleinlichen Gesinnung 17.<br />
Im zweiten Teil der "Väterlichen Instruction" steht Anton Ulrich vor der<br />
schweren Aufgabe, dem Sohn gegenüber seine verfehlte Politik zu verteidigen<br />
und ihre gänzliche Erfolglosigkeit zuzugeben. Er, der von den großen Erwerbungen<br />
für Wolfenbüttel träumte, konnte lediglich die Erwerbung des kleinen<br />
Amtes Thedinghausen 18) und der Stadt Braunschweig 19) zur Verteidigung<br />
seiner geplanten Expansionspolitik heranziehen; alle anderen Versuche, Bremen<br />
und Verden - oder doch Teile davon - zu erwerben, schlugen fehl. Diese<br />
Erfolglosigkeit steht der hohen Meinung, die Anton Ulrich von sich hatte, kraß<br />
entgegen. Besonders die Schulden 20) aber sind es, die den Herzog bedrücken,<br />
jedoch bezeichnenderweise nur im Hinblick auf seinen Nachruhm, wenn er seinen<br />
Sohn beschwört: " ... laß doch darüber, wann dir der Etat davon gezeiget wird,<br />
keinen Unmuht spühren, vielweniger 'Von schmähsüchtigen Leuten, dir derentwegen<br />
etwas 'Vorbringen, wodurch mein Andenken verunglimpfet werden könte." Die<br />
Entschuldigung, die Anton Ulrich vorbringt, ist wichtig; denn sie enthält den Tenor<br />
seiner Politik: die Furcht, hinter Hannover zurückzubleiben. Man habe die Schulden<br />
machen müssen " ... wegen der Negotiationen gegen die Neundte Chur und Combination<br />
der Cell- und Hannöverschen Länder, damit man nicht gar unter die Füße<br />
getreten, sondern noch einigermaßen aufrecht erhalten worden ..• " 21) - seine<br />
16) Hieronymus von Münchhausen, 1680-1741; 1706 Kammerrat, 1711 Geh. Kammerrat,<br />
1716 Geh. Rat und Kammerpräsident, 1733 Premierminister.<br />
17) Nds. Staats-A. Wolfenbiittel I Alt 1l Nr.197. Wie unversöhnlich und nachtragend<br />
der Herzog war, zeigt ein Brief an den Abt Fabrizius (eigenh.), Braunschweig, 13. Juni 1707:<br />
"Der Curfürst von Hannover [Georg LudwigJ komt gleich von Hannover mich zu besuchen<br />
mit freundlicherer Manier als für 5 Jahr bei der Cellischen Invasion." (5. Anm. 35.)<br />
18) Das Amt Thedinghausen an der Weser kam 1681 an Wolfenbüttel.<br />
19) Braunschweig wurde 1671 von den Truppen des Gesamthauses eingenommen und<br />
durch Gesamthausbeschluß Wolfenbüttel zugesprochen.<br />
20) Die Summe belief sich auf nahezu I Million Taler. Nds. Staats-A. Wolfenbüttel<br />
I Alt lZ Nr. 419 a.<br />
21) Zu Anton Ulrichs verzweifelten Versuchen, die Erhebung Hannovers zum Kurfürstenturn<br />
und die Vereinigung von Celle und Hannover (narn Georg Wilhelms Tod 1705) zu<br />
verhindern, vgI. S eh n a t h, Georg: Geschichte Hannovers im Zeitalter der 9. Kur und der<br />
englischen Sukzession 1674-1714. Bd. I. Hildesheim 1938; Sc h war t e, Clemens: Die<br />
neunte Kur und Braunschweig-Wolfenbüttel (= Münstersche Beiträge zur Geschichtsforschung<br />
NF 7). Münster 1905.