Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...
Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...
Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519<br />
Der Beginn der Helmstedtfahrt stand noch ganz im Schatten der eben durchlittenen<br />
Krise. Nach der Rückkehr konnten unter dem Eindruck der Plotin-Lektüre<br />
jene Verse entstehen, die wir oben schon einmal zitierten 190):<br />
Wär' nicht das Auge sonnenhaft,<br />
Die Sonne könnt' es nie erblicken;<br />
Läg' nicht in uns des Gottes eigne Kraft,<br />
Wie könnt' uns Göttliches entzücken?<br />
Das Erlebnis der Helmstedtreise wurde im Rückblick und durch die Kunst des<br />
epischen Dichters zum Sinnbild der Genesung und inneren SelbstwiederherstellungO<br />
im Todesjahr Schillers.<br />
Mit dem leuchtenden Doppelbild des Diamantenfeuers und der Farbensäume<br />
beendet Goethe die Darstellung seines Helmstedtaufenthaltes. Eine entschiedene<br />
charakteristische Naturszene, das von Granitfelsen eingeschlossene rauschende<br />
Wasser der Bode bildet den Abschluß der gesamten Reiseschilderung 191). Betrachten<br />
wir diese drei Bilder im Zusammenhang miteinander, so erkennen wir eine für<br />
Goethe typische Konstellation wieder, die im zweiten Teil des Faustdramas in der<br />
Genesungsszene ihren erhabensten Ausdruck gefunden hat. Mit den Worten, die der<br />
erwachende, von Arie! und seinen Elfen erquickte Faust dort spricht, wollen wir<br />
unsere Betrachtung zur Beireis-Begegnung Goethes schließen 192):<br />
180) Siehe oben S. 13 1 •<br />
1tI) W A 35, 144.<br />
m) W A 15 I, Vers 4695-4717.<br />
Hinaufgeschaut! - Der Berge Gipfelriesen<br />
Verkünden schon die feierlichste Stunde,<br />
Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen<br />
Das später sich zu uns hernieder wendet.<br />
'Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen<br />
Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,<br />
Und stufenweis herab ist es gelungen; -<br />
Sie tritt hervor! - und, leider schon geblendet,<br />
Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.<br />
So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen<br />
Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen,<br />
Erfüllungspforten findet flügeloffen;<br />
Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen<br />
Ein Flammen-Obermaß, wir stehn betroffen;<br />
Des Lebens Fackel wollten wir entzünden,<br />
Ein Feuermeer umschlingt uns, welch ein Feuer!<br />
Ist's Lieb? Ist's Haß? die glühend uns umwinden,<br />
Mit Scbmerz- und Freuden wechselnd ungeheuer,<br />
So daß wir wieder nach der Erde blicken,<br />
Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier.<br />
181