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Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

Dem Bild des Feuerwerks setzt Goethe das Bild der Farbensäume entgegen. An<br />

die Stelle des Diamanten tritt der Bergkristall. In den Farbensäumen erscheint integriert,<br />

was in der Mitte der Sammlungsbeschreibung zwischen dem Pol der Dunkelheit<br />

und des Lichtes an Farben aufleuchtete. Man wird dieses Schlußbild unter die<br />

Abglanzbilder des späten Goethe einordnen dürfen, über die Erich Trunz in seinem<br />

Faust-Kommentar sagt 189): "Nach Goethes Farbenlehre - die immer zugleich<br />

Symbolik ist - ist die Farbe die Mischung, die Verbindung von Licht und Materie.<br />

Das Auge ist nicht gemacht, in die Sonne zu schauen; aber wir stehen auch nicht im<br />

Dunkel; denn das Auge erkennt das herrliche Spiel der Farbe. Und so ist der menschliche<br />

Geist nicht gemacht, das Göttliche unmittelbar zu erkennen, aber er ist auch<br />

nicht in Dunkel gebannt; er erkennt es im Abglanz. Es ist eine Grundanschauung,<br />

die sich durch Goethes sämtliche Werke zieht: die Welt, die uns gegeben ist, ist<br />

Widerschein des Unendlichen. Er hat dafür viele Wörter: Gleichnis, Symbol, vor<br />

allem aber das von ihm neugeschaffene bildhaft-tiefsinnige Wort Abglanz. Sein<br />

Versuch einer Witterungslehre sagt: Das Wahre, mit dem Göttlichen identisch,<br />

läßt sich niemals von uns direkt erkennen, wir schauen es nur im Abglanz, im<br />

Beispiel, Symbol, in einzelnen und verwandten Erscheinungen; wir werden es<br />

gewahr als unbegreifliches Leben und können dem Wunsch nicht entsagen, es<br />

dennoch zu begreifen. Dieses gilt von allen Phänomenen der faßlichen Welt."<br />

VI. SCHLUSS<br />

Wir sind von der Frage nach dem autobiographischen Sinn der Beireis-Erzählung<br />

ausgegangen und haben versucht, am Beispiel des Greifenvergleichs und an<br />

den vier Absennitten der Sammlungsbeschreibung die Besonderheit und den Zusammenhang<br />

der einzelnen Bilder aufzuzeigen. Wichtige Grundgedanken der Komposition<br />

umschrieben wir mit den Worten Stufenpyramide, dynamische Wechselfolge<br />

und enromatisches Gleiennis.<br />

Vom Pol der Dunkelheit ging es folgerichtig hin zum Pol des Lichts. Kräfte der<br />

Steigerung und der Substanzverwandlung traten als Stufenfolge in der Kette der<br />

Objekte sichtbar in Erscheinung. Die halbzerstörten, paralysierten Automatenfiguren<br />

stehen zu Beginn, und über der ganzen ersten Sammlungsabteilung der<br />

Naturalien und Apparate lastet eine graue, düstere Aura des Todes und des Zerfalls.<br />

Dann leuenten zum ersten Male - bei der Beschreibung des Dürerbildes - die Farben<br />

auf. Von den Farben des Jünglingsbildes geht es weiter zum Glanz der Metalle. Aber<br />

auch der Schein des Silbers und der Glanz des Goldes werden übertroffen vom blendenden<br />

Licht des Diamantenfeuerwerks, um schließlich noch einmal zurückgenommen<br />

zu werden im Abglanzbild des Farbensaumes. Vollzieht man diese Steigerung<br />

von der Dunkelheit über das blendende Licht zum Farbensaum vor der inneren<br />

Anschauung, so beginnt man zu ahnen, warum Goethe sich noch nach Jahren so<br />

dankbar an diese Reise erinnert hat.<br />

189) HA Bd. 3.543. Zitat aus Versuch einer Witterungslehre (1825) nach HA Bd. 13.3°5.<br />

181<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519

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