Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519<br />
Noch ein zweites Gemälde hat Goethe eingehend beschrieben, über das er m<br />
seinen Reisenotizen folgende Stichworte vorfand 147):<br />
Ein Höckenweib an eine wohlhäbige Dame verkaufend indep ein Knabe hinter ihr stielt<br />
und von ihrer Macht geschlagen wird. Eine kleine Scizze von Rubens sehr schon gedacht,<br />
leicht gemahit wahrscheinlich Original.<br />
Daraus wird - offenbar ganz aus dem anschaulichen Gedächtnis heraus - im<br />
Jahre 18z5148):<br />
Ferner gedenk' ich eines geistreich frei gemahlten Bildes von Ru ben s, länglid" nicht allzugrop,<br />
wie er sich's für solche ausgeführte Skizzen liebte. Eine Höckenfrau sitzend in der Fülle<br />
eines wohlversorgten Gemüskrams, Kohlhäupter und Salat aller Arten, Wurzeln, Zwiebeln aller<br />
Farben und Gestalten; sie ist eben im Handel mit einer stattlichen Bürgersfrau begriffen,<br />
deren behagliche Würde sich gar gut ausnimmt neben dem ruhig anbietenden Wesen der<br />
Verkäuferin, hinter welcher ein Knabe, so eben im Begriff einiges Obst zu stehlen, von ihrer<br />
Magd mit einem unvorgesehenen Schlag bedroht wird. An der andern Seite, hinter der<br />
angesehenen BürgerSfrau, sieht man ihre Magd einen wohlgeflochtenen, mit Marktwaaren<br />
schon einigermapen versehenen Korb tragen, aber auch sie ist nicht müßig, sie blickt nach<br />
einem Burschen und scheint dessen Fingerzeig mit einem freundlichen Blick zu erwidern.<br />
Besser gedacht und meisterhafter ausgeführt war nicht leicht etwas zu schauen, und hätten<br />
wir nidH unsere jährlichen Ausstellungen abzuschließen festgestellt, so würden wir diesen<br />
Gegenstand, wie er hier beschrieben ist, als Preisaufgabe gesetzt haben, um die Künstler<br />
kennen zu lernen, die, von der überhandnehmenden Verirrung auf Goldgrund noch unangesteckt,<br />
in's derbe, frische Leben Blick und Talent zu wenden geneigt wären.<br />
Dieses Gemälde, das erstmals von Merbach in seinem Beireis-Aufsatz von 1930<br />
abgebildet worden ist und sich heute im Besitz des Goethe-National-Museums in<br />
Weimar befindet 140), war ebenfalls kein Original von Rubens, sondern wahrscheinlich<br />
eine Arbeit der Rubensschule (Taf. 6). Es soll hier nur auf folgendes<br />
aufmerksam gemacht werden. Goethe beschreibt das Detail so, daß der unbefangene<br />
Leser meinen kann, der Künstler habe auf dem Gemälde tatsächlich sechs<br />
147) Go e t he, Reisenotizen Bi. 3v, 4-10.<br />
14&) W A 35,118-11 9,<br />
1(1) Bei r eis, Gemälde 7-8, Nr. 35: nEin Marktplatz. Rubens Frau, reich gekleidet,<br />
handelt mit einer Gemüsehökerin; hinter ihr steht ihre Magd, welche in einem Handkorbe<br />
einen Fasan trägt. Indem die Hökerin ihr Gesicht von den Fruchtkörben abwendet, stiehlt<br />
ein Knabe einige Früdlte; eine zweite Hökerin, welche dies bemerkt, schlägt nach dem Knaben<br />
mit einem Handkorbe. In Zeichnung und Farbengebung, in der \Vahrheit und dem kräftigen<br />
Leben, im ganzen Tone dieses Stücks, ist der größte Meister der Niederländischen Schule<br />
unverkennbar. Das Gemälde ist auf Holz. 171/2 Zoll hoch 13 breit. In schwarzem Rahmen mit<br />
goldenen Leisten." - In keinem anderen Besucherbericht erwähnt. - B eck e r 38 u.<br />
Anhang 18; M erb ach, Beireis Tafel hinter S. 18: nDas angebliche Rubensbild im Besitze<br />
des FrL Werneburg in Mühlhausen." - Bessmertny 170 Anm. 87: "Der angebliche<br />
Rubens befindet sich in Mühlhausen i. Th. In der dargestellten Marktszene sind die Figuren<br />
der heiden linksstehenden Frauen nach Rubensschen Vorbildern gemalt. Aber das ganze Bild<br />
ist nicht einmal nach einem Original von Rubens kopiert, sondern eine Komposition aus der<br />
Zeit um die Wende des 17. und 18. Jahrhunderts." - Goethe-Beireis-Ausstellu<br />
n g 1930 XVII, 3. - 1949 wurde das Bild als nMarktszene, gemalt von einem unbekannten<br />
Künstler der Rubensschule", für das Goethe-National-Museum in Weimar erworben;<br />
Olgemälde auf Holz (Eiche), 620X470 mm groß, Inventar-Nr. NE Ih955. (Frdl. Mitteilung<br />
des Goethe-National-Museums.)