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Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

b) in der Hand bedeutsam ein blaublühendes Eryngium: Durch die<br />

Ergänzung des Wortes blaublühend werden wir auf die durchdachte Verteilung der<br />

Farbworte im Text aufmerksam. Viermal erscheinen Adjektive mit dem Farbwert<br />

Blau. Der Jüngling des Dürer-Porträts trägt einen blaugrauen, mit gelben Schnüren<br />

verbrämten überwurf und hält eine blaublühende Pflanze in seinen Händen. Die<br />

wohlerhaltenen griechischen Silbermünzen haben, weil sie lange genug in feuchter,<br />

verschlossener Luft aufbewahrt worden, einen bläulichen Anhauch 143). Den Helmstedter<br />

Hofrat sah man in seiner hellblaugrauen vollständigen Kleidung, in schwarzen<br />

Strümpfen und Schuhen mit großen Schnallen, überall ein- wie das anderemal<br />

144). Durch die wiederholte Nennung der blauen Farbe bei der Beschreibung<br />

der Kleider deutet Goethe an, daß er beide Gestalten aufeinander bezogen sehen<br />

will. Doch während die Beireis-Erscheinung in einer blau-grau-schwarzen Farbstimmung<br />

verharrt. wird das Bild des Jünglings belebt durch rote und gelbe Farbtöne,<br />

vor allem durch die Goethesche Steigerungs farbe Purpurrot 145).<br />

c) ein ernstes 'jünglingsgesicht, keimende Barthaare um Mund und Kinn, das<br />

Ganze herrlich gezeichnet, reich und unschuldig, harmonisch in seinen Thei­<br />

I e n: Diese Änderung darf man wohl im engeren Sinne auf die Zeichnung des<br />

, Gesichtes beziehen. Es wird damit auf das ausgewogene Verhältnis von Stirn-, Nasenund<br />

Mundpartie des Jünglingskopfes hingewiesen. Disharmonie der Teile dagegen<br />

war das Kennzeichen des Beireis-Profils 146): ••• eine unglaublich hohe und gewölbte<br />

Stirn, ganz in Mißverhältniß der untern, fein zusammengezogenen Theile . ..<br />

d) 'J e den A u gen b I i c k sie h z u s p alt end roh end, war des<br />

u n vor s ich ti ger als je des an der ehe r vor geh 0 I t: Fassen wir<br />

diesen letzten Einschub näher ins Auge, so können wir in der Gegenüberstellung<br />

des Dürer-Bildes mit der Beireis-Gestalt noch einen Schritt weiterkommen.<br />

Es wurde schon oben darauf hingewiesen, daß Goethe sich von<br />

anderen Besucherberichten dadurch unterscheidet. daß er die Personenbeschreibung<br />

des Professors nicht einheitlich vorträgt. sondern in zwei Hälften aufspaltet.<br />

Zuerst beschreibt Goethe die jugendliche Beweglichkeit des Körpers sowie<br />

die Physiognomie des Gesichts und sehr viel später erst werden Kleidung und Frisur<br />

betrachtet. Durch diesen Kunstgriff bringt uns der Dichter die sonderbare Zwiespältigkeit<br />

des Beireis-Wesens anschaulich ins Bewußtsein. Dasjenige, was die<br />

Physiognomie verriet, stand für ihn in einem anderen Zusammenhang als die<br />

blaugrau-schwarze Tracht und die festgebundene, rollengeschmüd:te Frisur des<br />

Arztprofessors. Auf dem Gemälde des jungen Dürer hingegen bilden Antlitz und<br />

Frisur, Kleidung und Gebärde ein harmonisch miteinander übereinstimmendes<br />

Ganzes. Die Lebendigkeit liegt hier mehr in den Farben der Kleidung. Das Halbprofil<br />

zeigt in selten schönem Ebenmaß die Dreigliedrigkeit des menschlichen<br />

Gesichtes. Allem, was uns in der Gestalt des edlen Jünglings als reines Urbild entgegentritt.<br />

droht Spaltung im Bannkreis der Beireis-Wirkung.<br />

1(3) \V A 35, Zll.<br />

144) \V A 35, 113.<br />

H5) Vgl. Sc h m i d t, Farbensymbolik I 99-11 O.<br />

H6) \V A 35, Z II.<br />

166<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519

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