Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519<br />
Nachbarschaft zunehmend ergreifenden lutherischen Reformation der katholische<br />
Landesherr, Herzog Heinrich der Jüngere, letztlich als einziger Garant für den<br />
Fortbestand der Ordensanstalten angesehen werden mußte, wenn auch seine harte<br />
Hand oft schwer auf den Klöstern des Landes lastete und seine weitgespannten<br />
politischen Unternehmungen deren Finanzkraft bis zum äußersten in Anspruch<br />
nahm 42).<br />
Diese Verhältnisse änderten sich mit einem Schlage, als Herzog Julius nach<br />
dem Tode seines Vaters im Jahre 1568 die Reformation im ganzen Fürstentum<br />
Wolfenbüttel einführte. Waren schon während der Besetzung des Landes durch<br />
den Schmalkaldischen Bund in den Jahren 1541-1547 St. Marien, Brunshausen und<br />
Clus von den Okkupationsmächten ohne weiteres als landsässige Klöster behandelt<br />
worden, so versuchte Herzog Julius sogleich, die Gandersheimer Klöster teils aufzuheben,<br />
teils in evangelische Anstalten umzuwandeln und dem herzoglichen<br />
Kammergut im Rahmen eines Klosterfonds ad pias causas einzugliedern. Er fühlte<br />
sich dabei als Vertreter der reinen Lehre in höherem Auftrage zu ihrer Durchsetzung<br />
in seinem Lande ebenso berufen, wie er an der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens<br />
aufgrund des schon von seinen katholischen Vorgängern geübten landesherrlichen<br />
Klosterregiments keinen Zweifel gehabt haben dürfte. Im ersten Anlauf gelang ihm<br />
die Aufhebung des Gandersheimer Marienklosters, das zugleich mit dem ebenfalls<br />
aufgehobenen Franziskanerkloster als erste Ausstattung des in Gandersheim errichteten<br />
Paedagogium illustre 43), des Vorläufers der Universität Helmstedt, dienen<br />
sollte. Das Reichsstift Gandersheim leistete zunächst keinen ernsthaften \Viderstand.<br />
Doch führte die Bedrohung seiner eigenen Existenz durch den übermächtigen<br />
Landesherrn es sehr bald dazu, sich auf seine Reichsfreiheit zu besinnen, beim Kaiser<br />
Schutz zu suchen und erstmals auch für seine übriggebliebenen Patronatsklöster<br />
Clus und Brunshausen - unter Betonung eines regelrechten Eigentums- und Unterordnungsverhältnisses<br />
in spiritualibus wie in temporalibus - die ReidIsunmittelbarkeit<br />
in Anspruch zu nehmen. Die Klöster ihrerseits aber mußten nunmehr hoffen,<br />
bei ihrer alten Eigenherrin Schutz und Hilfe zu finden, wenn sie den katholischen<br />
Glauben und dIe hergebrachte Organisationsform bewahren wollten. Den mit allen<br />
Mitteln - von Nadelstichen bis zur massiven Gewaltanwendung - durdIgeführten<br />
Versuchen des Herzogs, das Reichsstift und seine Klöster der neuen Lehre zuzuführen<br />
und dem landesherrlichen Klostervermögen einzuverleiben, setzten die<br />
beiden letzten katholischen Äbtissinnen des Reichsstifts, die aus böhmischem Adel<br />
stammenden Schwestern Magdalena und Margareta von Chi um, zwei Jahrzehnte<br />
hindurch mit ihrem Kapitel den heftigsten Widerstand entgegen. Wir hatten gesehen,<br />
daß schließlich die Stifts äbtissin Magdalena in Wahrung ihrer Rechte Clus<br />
persönlich besetzte und dort bis zu ihrem Tode ausharrte, - versuchte doch Herzog<br />
JuHus gerade bei Clus immer wieder den Hebel anzusetzen, um auch das wider-<br />
&2) Reller, a. a. O. S. 51 H. Für die Belege zu den nachstehenden, speziell die Gandersheimer<br />
Klöster berührenden Ereignissen darf ich auf die in Anm. [ angekündigte VeröffentlidlUng<br />
verweisen.<br />
IS) Zuletzt Dieter Schäfer, Gründung und Einweihung des Paedagogium iIlustre in Gandersheim<br />
(1569-1571), Jahrb. d. GeseIIsch. f. nds. Kirchengesch. 64, [966, S. 97-Il8.<br />
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