Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519<br />
elnrgen Stellen zusammen gezogen hat. Ein ernstes 'Junglings-Gesicht keimende Barthaare<br />
um Mund und Kinn. Das ganze herrlich gezeignet reich in seinen Theilen, von der höchsten<br />
Ausführung, vollkommen Dürers würdig HO).<br />
Stellt man dagegen den Text der Tag- und Jahreshefte, so sieht man, wie eng sich<br />
Goethe an seine bei den Vorlagen hält:<br />
Unschätzbar hielt ich Alb r e eh t D ü r e r s Porträt, von ihm selbst gemahIt mit der<br />
'Jahrzahl I493, also in seinem zwei und zwanzigsten 'Jahre, halbe Lebensgröße, Bruststück,<br />
zwei Hände, Ellenbogen abgestutzt, purpurrothes Mützchen mit kurzen schmalen Nesteln,<br />
Hals bis unter die Schlüsselbeine bloP, am Hemde gestickter Obersaum, die Falten der Ärmel<br />
mit pfirsichrothen Bändern unterbunden, blaugrauer mit gelben Schnüren verbrämter Oberwurf,<br />
wie sich ein feiner 'Jüngling gar zierlich herausgeputzt /Jätte, in der Hand bedeutsam ein<br />
blau blühendes Eryngium, im Deutschen Mannstreue genannt, ein ernstes 'Jünglingsgesicht,<br />
keimende Barthaare um Mund und Kinn, das Ganze herrlich gezeichnet, reich und unschuldig,<br />
barmonisch in seinen Theilen, von der höchsten Ausführung, vollkommen Dürers würdig,<br />
obgleich mit sehr dünner Farbe gemahIt, die sich an einigen Stellen zusammengezogen hatte.<br />
Dieses preiswürdige, durchaus unschätzbare Bild, das ein wahrer Kunstfreund im goldenen<br />
Rahmen eingefapt im schönsten Schränkchen aufbewahrt hätte, liep er das auf ein dünnes<br />
Bret gemahlte, ohne irgend einen Rahmen und Verwahrung. 'Jeden Augenblick sich zu spalten<br />
drohend, ward es unvorsichtiger als jedes andere bervorgeholt, auf- und wieder bei Seite<br />
gestellt, nicht weniger die dringende Theilnabme des Gastes, die um Schonung und Sicherung<br />
eines solchen Kleinods fiehte, gleichgültig abgelehnt; er schien sich wie Hofrath Büttner in<br />
einem herkömmlichen Unwesen eigensinnig zu gefallen Ul).<br />
Das früher schon Formulierte hatte also seine Gültigkeit noch nicht verloren.<br />
Oberflächlich gesehen mag es scheinen, als habe der Dichter das vorliegende handschriftliche<br />
Material im Jahre 1825 nur stilistisch geglättet und ineinandergearbeitet.<br />
Bei genauerem Vergleich jedoch bemerken wir einige Einschübe und Umgestaltungen.<br />
Wir betrachten der Reihe nach vier solcher Einfügungen, die uns im<br />
Zusammenhang der Erzählung wichtig erscheinen.<br />
a) wie sich ein feiner Jüngling gar zierlich herausgepu<br />
t z t h ä t t e: Goethe betont durch diesen Einschub das Jünglingsmotiv, das<br />
in seiner Beireis-Charakteristik ein wichtiges Leitmotiv darstellt. Seinen verschiedenen<br />
Abwandlungen soll hier nicht nachgegangen werden. Es sei nur auf folgendes<br />
Kontrastbild hingewiesen, das wenig später außerhalb der eigentlichen Gemäldebesichtigung<br />
folgt 142):<br />
In seinem Schlafzimmer hing das Bild eines jungen Mannes, von der Art wie man hunderte<br />
sieht, nicht ausgezeichnet, weder anziehend noch abstoßend; diesen ließ er seine Gäste<br />
gewöhnlich beschauen und bejammerte dabei das Ereignip, dap dieser junge Mann, an den<br />
er vieles gewendet, dem er sein ga1lzes Vermögen zugedacht, sich gegen ihn untreu und<br />
undankbar bewiesen, daß er ihn habe müssen fahren lassen und nun vergebens nach einem<br />
zweiten sich umsehe, mit dem er ein gleiches und glücklicheres Verbältniß anknüpfen könne.<br />
Demgegenüber wurde das Bildnis des jungen Dürer, das so individuelle, lebendige<br />
Züge trug, von seinem Besitzer nur nachlässig behandelt und schlecht verwahrt.<br />
1&0) Goethe, Reisenotizen BI. 1,1-17.<br />
141) \V A 35, 1I7-ZIB.<br />
142) W A 35, 2lD-21I.