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Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519<br />

eigenen bildhaften Erinnerung die Angabe über die beiden Walzen stammen, die<br />

Beireis im Verlauf der Besichtigung vorgezeigt haben soll.<br />

Durch die Entschuldigungsgeschichte, die Beireis vorbringt, wird die Entstehung<br />

der Paralyse erklärt. Die zu große Walze wird zum Sinnbild der Maßlosigkeit,<br />

wie sie in der Vielgesrnäftigkeit des Polyhistors und Sammlers wirksam war. Auch<br />

hier kann darauf aufmerksam gemacht werden, daß Goethe nicht der erste war, der<br />

sich gleichnishaft dieser Möglidlkeit bedient hat, Beireis mit den Apparaten seiner<br />

Sammlung zu charakterisieren. Schon der Helmstedter Theologe Lichtenstein<br />

äußerte sich über den alten Beireis in einem Brief aus dem Jahre 1810 in ähnlirner<br />

Weise 104):<br />

"Es ging ihm, wenn im den Vergleim wagen darf, mit dem Gebraume aller seiner Vorzüge<br />

so wie mit seiner schönen Hahnischen Rechenmaschine. Mit dieser kam er nie recht zu Stande,<br />

weil er fast immer vergaß, alles erst auf Null zu setzen. War dies gesmehen, so leistete sie<br />

unglaublim viel, aber da es von ihm gewöhnlim vemamlässiget wurde, so schien sie nicht<br />

bloß unbrauchbar, sondern ward auch durch den Mißbrauch immer verkrickelt und mußte<br />

unaufhörlich reparirt werden. Hätte Beireis sim selbst und seine Samen, im will nimt sagen<br />

auf nichts gesetzt, sondern auf den wahren Werth herabgestimmt, so wäre sein Haupt nicht,<br />

bei allen schönen Geistesgaben und Kenntnissen, in smändlime Verwirrung gerathen, welme<br />

machte, daß er grade wie jene Maschine immer von den hunderten in die tausende kam und<br />

zuletzt selbst nicht mehr wußte, wovon er eigentlich redete."<br />

Goethe wählt die beiden Automaten, Lichtenstein die Rechenmaschine für sein<br />

Gleichnis. Beide deuten auf den gleichen Sachverhalt. Nur bleibt Lichtenstein nicht<br />

bei der Andeutung dessen, was er sagen will, stehen, sondern gelangt zu einer<br />

geistreichen Auslegung seines Gleichnisses. Goethe läßt sich nicht darauf ein, seine<br />

Bilder abstrakt auszulegen, sondern überläßt es dem Leser, in den Sinngehalt der<br />

Darstellung tiefer einzudringen.<br />

Der übergang zu den beiden folgenden Objekten ist mit einem Wechsel des<br />

Sdlauplatzes verbunden. Erst jetzt wird das Beireis-Haus selber betreten. Auf die<br />

lebensgroßen, paralysierten Automatenfiguren, die im Gartenhaus außerhalb des<br />

Wohngebäudes ihren Platz hatten, folgt die Besichtigung der Mineraliensammlung<br />

dem." - S y bel 6-7: "Von den Merkwürdigkeiten seines Kunstkabinets interessirte<br />

mich besonders [.•• Hahnisme Remenmasmine, von Guerickesme Halbkugeln]; dann endlim<br />

die bekannten Vaucansonschen Automate: ein Flötenspieler, ein Trommelschläger und eine<br />

Ente, sämmtlim in natürlimer Größe. Die Ente war ohne überzug, wodurm man sim nom<br />

deutlicher über das Kunstwerk belehren konnte, und bestand aus lauter kleinen Metallstäben.<br />

Aufgezogen smien Leben in sie zu kommen, und es regte sim jedes der fast unzählbaren<br />

Gelenke. Sie ahmte alle Gebehrden einer lebendigen Ente nach, schnatterte, und fraß die<br />

vorgehaltene Gerste aus meiner Hand. Beireis erzählte hierbei von dem enormen Preise<br />

dieser Automate, und wie er als Knabe, da er davon gelesen, ausgerufen hätte: Vater, die<br />

muß ich haben! wie sein Vater ihn gesmlagen, ihm diesen Ausruf und die Begierde nach den<br />

Automaten verwiesen, ihn aber um Verzeihung gebeten und geküßt, da er versimert, er<br />

woUe und werde sie sich durm große Anstrengung zu verschaffen wissen. Das war damals<br />

mein Vorsatz, fügte er hinzu, jetzt habe im sie, denn der Wille des Mensmen ist allmächtigj<br />

was im will. das kann ich. Auch kann ich jede Sache, die Sie von mir verlangen mögen, in<br />

Zeit von einigen Stunden erfinden. Im habe die rimtigste Logik, und sie führt mim, bei<br />

meiner tiefen Kenntniß der Natur, auf Alles.·<br />

IIK) L ich t e n s t ein, Brief (1810) 40.

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