27.12.2013 Aufrufe

Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...

Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...

Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519<br />

Damit ist freilich bisher noch nicht hinreichend geklärt, was Goethe veranlaßt<br />

hat, Beireis mit einem Greifen zu vergleichen. Wir meinen, daß es sich bei diesem<br />

Greifenvergleich nicht um eine bloße Allegorie auf das Schätzebehüten handelt. Wir<br />

haben es vielmehr mit einem Symbol zu tun, das Wesen und Erscheinung als eine<br />

Einheit umschließt, und für dessen Verständnis es nicht ausreicht, in abstrakter<br />

Weise allein auf die Verbindung mit dem Goldmotiv hinzuweisen.<br />

Von verschiedenen Seiten her haben wir versucht, uns dem Verständnis des<br />

Greifenbildes zu nähern, indem wir es beleuchteten durch die zeichnerisch-morphologischen<br />

Bemühungen Goethes um das Motiv des Greifenkopfes und andererseits<br />

durch den Hinweis auf die schatzhütenden Greifen im Faustdrama. Ferner haben<br />

wir entsprechende Erwähnungen in den autobiographischen Schriften beachtet.<br />

Es ist auf den überlieferten Porträts, die wir von der Erscheinung des Helmstedter<br />

Hofrats besitzen, gut zu erkennen, daß Beireis im hohen Alter ein ausgesprochenes<br />

Vogelgesicht hatte (Taf. 1 a). Ferner wissen wir, daß Goethe im<br />

Jahre 1805 von Halle mit einem für physiognomische Besonderheiten geschärften<br />

Blick nach Helmstedt kam. Außerdem war Goethe, wie wir aus den genannten<br />

Zeichnungen wissen, durchaus gewohnt, Greifenkopf und menschliches Profil vom<br />

Standpunkt seiner morphologischen Fragestellungen aus im Zusammenhang zu<br />

sehen. So meinen wir: die visuelle Erinnerung an die Besonderheiten des Beireis­<br />

Gesichtes trug entscheidend mit dazu bei, daß Goethe als erstes dichterisches Bild<br />

seiner Charakteristik den Greifenvergleich gewählt hat. Seiner Absicht, den Sachverhalt<br />

"Schätzebehüten" zusammenzubringen mit dem physiognomischen Befund<br />

"vogelartige Züge", kam das mythologische Bild des Greifen in idealer Weise entgegen.<br />

Nicht von außen her wurde das deutende Bild herangetragen, sondern aus der<br />

Eigenart der Person selbst entwickelt. Goethe hat Beireis nicht nur mit einem<br />

Greifen verglichen, sondern er hat in Beireis den Greifen geschaut.<br />

Dem widerspricht keineswegs Goethes eigene Beschreibung der Beireis­<br />

Physiognomie. Von der jugendlich wirkenden Beweglichkeit der Gestalt ausgehend<br />

gelangt er zu einer sachlichen Beschreibung des Beireis-Kopfes 93):<br />

Nicht groß, wobl und beweglich gebaut, konnte man eben die Legenden seiner Fechterkünste<br />

gelten lassen; eine unglaublich bobe und gewölbte Stirn, ganz in Mißverbaltntß der<br />

untern, fein zusammengezogenen Tbeile, deutete auf einen Mann von besondern Geisteskräften<br />

.••<br />

Goethe besduänkt sich also auf die Mitteilung der außerordentlichen Proportionen<br />

dieses Kopfes, aus denen er die besonderen geistigen Fähigkeiten des Gelehrten<br />

abliest. Knappheit und Objektivität dieser Schilderung treten deutlicher in Erscheinung,<br />

wenn man sie mit anderen zeitgenössischen Personenbeschreibungen des Helmstedter<br />

Professors vergleicht U). Aus einem solchen Vergleich ergibt sich, daß<br />

13) W A 35, %10-1 II.<br />

U) Besdlfeibung der Beireis-Physiognomie in Besumerberimten und Beireis-Smrifttum:<br />

Bö tt i ger (Besum 1793) in: He ist e r 154: "Sein schmales, in den Wangen eingefallenes,<br />

blutloses Gesimt verdiente nom eine eigene Smilderung in Lavaters Physiognomik. Mir<br />

war es der wahre Abdru

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!