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Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519<br />

mit einem interessanten Brief bedankt 02). Dieser Brief vom l. September 1806<br />

enthält, ähnlich wie der oben erwähnte Geburtstagsbrief Goethes an den Weimarer<br />

Herzog, eine bisher kaum gewürdigte Beireis-Porträtskizze. Arnim fühlte sich<br />

gedrängt, eine dichterische Schilderung seines Helmstedt-Erlebnisses zu versuchen,<br />

äußerte jedoch am 11. März 1808 Jean Paul gegenüber folgende Bedenken 63):<br />

"Als ich bei Beireis in Helmstedt war [ .•. ], da ist mir so jämmerlich einsam geworden und<br />

wieder so herrlich wunderbar in allem, was er besitzt und was er dazu faselt, daß ich wünschte,<br />

den Eindrud: darstellen zu dürfen. Das führt mim aber in solche Unmöglichkeiten, es reißt<br />

mich in allerlei Geschichten, wobei mir die Luft ausgeht; ist es Ihnen nicht möglich, mir dieses<br />

Bild von Kometeneinsamkeit abzunehmen? Ich habe keinen Pinsel und keine Farbe dazu,<br />

besonders wird mir die Umgebung nicht reich genug zu dem Gemüte des Menschen."<br />

e2) Schüddekopf 119-111 (Arnirn an Goethe, 1.9.1806): "... an dieser Kraft<br />

der Lüge, die unsrer Zeit häufig bemerkt wird, läst sich der regierende Geist erkennen. Die<br />

Frage ist: ob es gut thut, einer bösen Kraft sich zu bemächtigen, um sie dienend gut zu<br />

machen; der Stier zieht, weil der Mensch sein Stossen mit Kopf und Brust in ein Ziehen<br />

verwandelt hat; ••. so könnte sich die Welt auch wohl dieses Lügengeistes bemächtigen,<br />

wenn er ihr nicht übermächtig wäre. Ist Beireis von ihm besessen, oder besitzt er ihn? Die<br />

Frage legte ich mir oft vor, wenn ich ihm in die freundlichen unruhigen Augen sah als er sich<br />

rühmte, alles zu besitzen in dem Hause, wonach sein Herz verlange, und sah ihn wie einen<br />

wahnsinnigen Geizigen Kieselsteine für Geld zählen, die öde Rumpelkammer von Haus, ein<br />

wüstes Gärtchen voll Unkraut in dem sim ein Paar magre Katzen sonnten, einen Heerd, wo<br />

statt des Essens eine krumme Retorte langsam destillirte, und sah dann doch seine Menschenkenntniß,<br />

wie er jedes mir zweifelhafte Stüd: auf die Seite sdlaffte, ohne daß ich mich darüber<br />

äusserte. Ich sage sehr vielen Dank, daß Sie meine Aufmerksamkeit zu ihm gewendet, ich fand<br />

ihn wie einen alten Bekannten, von dem man mehr weiß, als man wissen kann, ich errieth<br />

immer schon was er machen würde. [.•.] Er sagte, die Wissenschaften und Künste wären vorhanden,<br />

um dem menschlichen Verstande Ehre zu machen, ich fragte ihn, ob nicht vielleicht<br />

der Mensch da wäre um der Mechanik Ehre zu machen, weil die Rechenmaschine richtiger<br />

rechnete als er selbst, nun klapperte die freilim entsetzlich, wies gotdob im Kopfe sich nicht<br />

fände, das liesse sich vielleicht noch ändern. Da wurde er ernsdich böse, sagte das käme von<br />

der modemen Halbwisserey, dabey könnte kein Mensch selig werden, er wollte mal den<br />

Chemiker sehen, dem jezt seine Chemie einen G..roschen eingetragen, er verdanke seinem<br />

Kopfe alles. Den grossen Diamant drängte er mir den Abend zur Ansicht auf, mit der Feile<br />

ging er offenbar trüglich um, er strich mit der glatten Seite und behauptete, sie hätte sich<br />

davon abgestumpft. Ich fragte ihn, ob es wohl möglich, einen echten Diamanten zu machen,<br />

er antwortete darauf ganz scharfsinnig: schwerlich, weil sim das Verbrennliche nicht leicht<br />

so zusammen drängen lasse [.•.] Er erzählte mir darauf die Geschichte des Diamanten. Unter<br />

den Gemälden smien er nur das zu sm ätzen, was Hunde angebellt oder Consistorialräthe<br />

beweint, [•..] traurig ist es die edelmüthige Garnison in der dunklen Kammer eingesperrt zu<br />

sehen, wie sie so einzeln aus den Kasematten an die frische Luft gebracht werden und ganz<br />

wankend und gebrechlich dastehen." Vgl. die übernahme und Umarbeitung der einzelnen<br />

Motive in Ar n im, Dolores 271-193. - Der Besuch in Helmstedt fand nach dem Brief<br />

Arnims an Brentano vom 30.7.1806 "vorgestern", also am 28.7. statt. Ober Beireis wird<br />

dort gesagt: "er ist ein direkter negativer Gegensatz zu Goethe, alles nur Formel" (A r n im,<br />

Dolores 1069). Die Absicht dieses Besuches hatte er schon am 9. April 1806 Bettina Brentano<br />

mitgeteilt (S t e i g, Arnim und Bettina 30, 36). Me r b ach, Beireis 11 gibt, wohl fälschlim,<br />

an, daß Arnim schon im Jahre 1801 in Helmstedt bei Beireis gewesen sei. Der abgedrud:te<br />

Brief Arnims an Jean Paul vom u. 3. 1808 (A r n im, Dolores 1069) bezieht sich jedenfalls<br />

auf den Besuch im Jahre 1806. Vgl. L e v in, Romantiker 71-73; B r Ü g g em a n n 27. bis<br />

30. Folge.<br />

e3) Zitiert nach Me rb ach, Beireis U; vgl. Ar n im, Dolores 1069.

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