Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
Beireis hin, um sie auf den sonderbaren Gast vorzubereiten. Auch hier dürfte eine<br />
ausführIkne Berichterstattung über den Helmstedter Professor vorausgegangen sein.<br />
Seit etwa 1803 arbeitete Goethe an der Novelle Der Mann von funfzig 'lahren.<br />
Im ersten Kapitel dieser Dichtung läßt sich eine Beireis-Rcminiszenz vermuten. Es<br />
ist das Bild der Haarhaube 51), unter die sich der Major im Zuge seiner Verjüngungskur<br />
bequemen muß, das uns berechtigt, einen Zusammenhang mit dem<br />
Helmstedt-Erlebnis zu sehen; das Motiv der über Nacht festgebundenen Frisur<br />
spielt auch in der Personenbeschreibung des Helmstedter Arztes in den Tag- und<br />
'lahresheften eine wichtige Rolle 52). Ein Brief an Johanna Frommann vom<br />
16. Dezember 18°7, der für die Entstehungsgeschichte der Novelle von Wichtigkeit<br />
ist, enthält ebenfalls eine Beireis-Anspielung 53).<br />
Kurz nachdem Beireis im September 1809 gestorben war, kam in Weimar noch<br />
einmal das Gespräch auf ihn und zwar im Zusammenhang mit Universitätszum<br />
allerschönsten zu danken haben. Hinter den Fischen erschien ein anderes scandinavisches<br />
und obotritisches Wundergeschöpf, das uns, ob wir gleich darauf vorbereitet waren, in<br />
Erstaunen setzte. Wir nahmen den Mann und seine Runen freundlich auf, und gaben ihm<br />
Gelegenheit seine Verdienste bekannt zu machen und Theilnahme zu erregen. Aber gar bald<br />
zeigte sim, dap seine etwas starre Natur und sein eigensinniges Wesen in der Weimarismen<br />
Welt nimt gedeihen könne. Aufrichtig zu sprechen, so ist der Ort bey des zu klein und zu<br />
gebildet, als daß die Anmaßungen einer Originalitat Glück finden könnten. Aum fing der<br />
Mann bald an, sim zurückzuziehen, und ist vor einigen Tagen ohne Abschied versmwunden. -<br />
G H b 1. AufI. Sp. 355-357 (Zastrau): "Diese Originalität, aum in Tismsitten, war beträmtlim<br />
und erhob A. gewissermaßen als einen ,franziskanischen Wodan' bis in die kleine Spitzengruppe<br />
höchstextremer Originale, von denen überhaupt die europäisme Gesellsmaftsgesmimte<br />
zu berichten weiß: ,Kahl, einäugig, mit weißem Barte, den Leib mit einem Strick umgürtet,<br />
die Füße mit Leinwand umwickelt und besmuht mit didcen Sandalen nach Art der ungariscllen<br />
Bergbauern, einen kleinen Tornister auf dem Rücken, in der Hand einen Stock' - 50 trat er<br />
nach dessen späterer Smilderung (1813) bei dem Historiker Baron A. v. Mednyanszky ins Haus<br />
und entwickelte im Gespräch ,eine Gelehrsamkeit, welme für ein halbes Dutzend Akademiker<br />
hätte ausreimen können ... er zeigte überall ein immenses Wissen, große persönlime Erfahrung<br />
und ein äußerst glücklimes, gut geordnetes Gedämtnis· ...<br />
51) WA 24.260-292. - WolH 107-113; Wiese 32-33.<br />
61) 'V A 35, 223: Das Vorderhaupt war mit einem Toupee gesmmückt, alles fest, glatt<br />
und tüchtig gepudert. Altf diese Weise, sagte er, lasse er sich alle Abend frisiren, lege sim, die<br />
Haare festgebunden, zu Bette, und welche Stunde er denn aum zu einem Kranken gerufen<br />
werde, erscheine er dom so anstandig, eben als wie er in jede Gesellschaft komme.<br />
13) B, 19,479 (Goethe an Johanna Frommann, 16. u. 1807): Für eine recht hübsche Brieftasche<br />
hoffte im Ihnen zu danken, nun überrascht mich eine sehr schöne, die mir ein außerordentliches<br />
Vergnügen macht. Dank! den besten Dank! daß sie mich auf ewig vor der Versuchung<br />
gerettet haben, meine liebsten Papiersmatze, wie Beyreis seinen Diamanten, wie<br />
Werner seine Sonette, auf eine wunderliche Weise zu verwahren und zu produciren. - Wo Hf<br />
113: "Das deutlimste Zeugnis für die erwachende Neigung der Witwe zum Major liegt inder<br />
überreimung der von ihr selbst gewirkten Brieftasdte, in der der neue Freund sein großes<br />
Gedimt aufbewahren soll. [ .•• ] Diese Episode steht mit einem wirklimen Vorfall in Parallele:<br />
Johanna Frommann [ •.. ] hatte Goethe zu Weihnamten 1807 eine Brieftasche gesmenkt,<br />
für die der Empfänger sich in einem Brief vom 26. Dezember 1807 bedankt. Daß zwismen<br />
diesem Ereignis und der Episode bei der schönen Witwe ein Zusammenhang besteht, liegt<br />
auf der Hand, somit kann das Motiv erst nam Weihnamten 1807 in den Plan der Novelle<br />
aufgenommen worden sein."<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519