Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519<br />
hervor, daß sie ihm zur Erprobung der allmählich nachwachsenden Kräfte sowie<br />
zur Beantwortung einer lange gehegten Frage dienen sollte. Wechselnde äußere<br />
Eindrücke wurden bewußt gesucht um ihrer ablenkenden und wohltätig zerstreuenden<br />
Wirkung willen. Weimar - Halle - Helmstedt: in wachsenden Ringen<br />
machte sich Goethe wieder mit der Welt bekannt.<br />
Als Goethe dann Anfang September nach Weimar zurückkehrte, hatte er in die<br />
Pflichten seines Alltags wieder zurückgefunden. Vorher aber, in Lauchstädt,<br />
entstanden zwei Vierzeiler, die uns empfinden lassen, wie sich Entscheidendes durch<br />
die Erlebnisse des Sommers - freilich erst in Anfängen - geklärt, gelöst und aufs<br />
neue entfaltet hatte. Hier sind zunächst die bekannten, aus der Beschäftigung mit<br />
Plotin hervorgegangenen Verse zu nennen 32):<br />
Wär' nicht das Auge sonnenbaft,<br />
Die Sonne könnt' es nie erblicken;<br />
Läi nicht in uns des Gottes eigne Kraft,<br />
Wie könnt' uns Göttliches entzücken?<br />
Ferner ist uns eine Eintragung in das Stammbuch der Tochter Wolfs überliefert,<br />
die unter dem Datum des I. September, also ebenfalls noch in Lauchstädt<br />
erfolgte 33):<br />
Was auch als Wahrheit oder Fabel<br />
In mancher Sprache dir mein gutes Kind, erscheint,<br />
Das alles ist ein Thurn von Babel,<br />
Wenn es die Liebe nicht vereint.<br />
Zeilen, die bewußt an die sprachbegabte Tochter eines kritischen Philologen<br />
gerichtet waren. Stellen wir diese beiden Gedichte in den soeben geschilderten<br />
Zusammenhang und halten dagegen die Äußerung an Zelter vom I. Juni, so wird<br />
deutlich, welche Kluft es zu überbrücken galt. Dort noch Lähmung und Resignation,<br />
hier Mut zu neuem Beginn, Licht - Liebe, in neuer Gewißheit mehr<br />
erfahren als errungen. Was sich in der Zwischenzeit vollzogen hatte, gehört zu den<br />
geheimnis reichen Aspekten der sich anbahnenden gegenklassischen Wandlung des<br />
Dichters. In dieser Phase der Neuorientierung hat sich vor Goethes empfänglichem<br />
Auge das abgespielt, was er später als das edle Helmstedter Drama 34) bezeidmet<br />
hat: die Begegnung mit Beireis, die unter diesem Gesichtspunkt unsere erhöhte<br />
Aufmerksamkeit verdient.<br />
bey einem ruhigen Aufenthalt in 'Jena mittheilen zu können. - Zur Erwähnung dieser Briefe<br />
in der Beireis-Literatur siehe Be c k e r 12; Me rb ach, Beireis 13-15 und Be s 5 m er t<br />
n y. Beireis 96-98.<br />
32) In den Zahmen Xenien. W A 3,179 Vers 714-717, W A 3,439; JA 4, 59 u. 181.<br />
") Zitiert nam: B ern a y s 68. Die überarbeitete spätere Fassung in den Zahmen<br />
Xenien lautet W A 3, 179 (Vers 718-7)1):<br />
Was auch als Wahrheit oder Fabel<br />
In tausend Büchern dir erscheint,<br />
Das alles ist ein Thurm von Babel,<br />
Wenn es die Liebe nicht vereint.<br />
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