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Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...

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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />

Vater nahm dort die Stellung eines Kammerschreibers und Ratsherren ein. Seit 1759<br />

wirkte Beireis als Professor und Arzt in Helmstedt. Er starb am 18. September 1809,<br />

wenige Wochen bevor die dortige Universität durch Verfügung des Königreichs<br />

Westphalen aufgehoben wurde. Nur mit wenigen Professoren dieser Universität<br />

hat man sich so ausgiebig immer wieder beschäftigt wie gerade mit Beireis, mit<br />

seinen Verdiensten und seinen Eigenheiten 11). Seine aufopferungsvolle Tätigkeit<br />

als praktischer Arzt verband sich mit einer übersteigerten Eitelkeit und der Sucht,<br />

in allen Dingen original zu scheinen. Man kann über den Wert seines Charakters<br />

und Wirkens durchaus verschiedener Meinung sein. Eines jedoch wird man sagen<br />

dürfen, ohne damit von vornherein für oder gegen Beireis sprechen zu wollen: was<br />

an ihm beachtenswert bleibt, ist die starke Persönlichkeitswirkung, die von ihm ausging.<br />

Wer ihn einmal gesehen hatte, vergaß ihn so leicht nicht wieder. Was blieb,<br />

war der Eindruck einer starken Individualität, eines Originals, wie man im 18. Jahrhundert<br />

zu sagen liebte. Viele Berichte von Zeitgenossen und nicht zuletzt die<br />

Darstellung Goethes bezeugen das zur Genüge.<br />

Beireis war ein Genie an Vielseitigkeit. Sein barockes Lehrprogramm und die<br />

große Extensität seiner Vorlesungstätigkeit sind oft herausgestellt worden 12).<br />

Dennoch hat er auf den Fortgang der von ihm vertretenen Wissenschaften keinen<br />

nachweisbaren Einfluß genommen. Er hat keine Bücher geschrieben und keine<br />

eigene Schule im Sinne einer bestimmten wissenschaftlichen Richtung begründet.<br />

Ober seine chemischen Erfindungen, die bedeutend gewesen sein mögen, konnte bisher<br />

nichts Sicheres ermittelt werden. Selbstverständlich hat er durch seine Lehrtätigkeit,<br />

die sich durch eine große Anschaulichkeit des Vortrags auszeichnete, auf viele seiner<br />

Hörer anregend und fördernd gewirkt. Inwiefern Beireis im Rahmen der Helmstedter<br />

Universitätsgeschichte von Bedeutung war, muß eine offene Frage bleiben.<br />

Eine Untersuchung dieses Problems liegt bisher nicht vor. Was sich als Vermutung<br />

hierzu sagen läßt, ist folgendes: Beireis wirkte Zeit seines Lebens als einer der<br />

letzten großen Polyhistoren der deutschen Gelehrtengeschichte. Das bedeutet, daß<br />

man ihm und seinen Eigenheiten nur dann gerecht wird, wenn man in ihm einen<br />

der Vergangenheit verhafteten Geist erblickt. Was für das 16. und 17. Jahrhundert<br />

, noch zeitgemäß erschien, war um 1800 endgültig überholt. Den weiten Kreis so<br />

vieler Wissenschaften in einem Kopfe ,zu fassen, war bei dem unaufhaltsamen Vordringen<br />

der Einzeldisziplinen nicht mehr möglich. Ein Lehrprogramm, wie es<br />

Beireis an sich gezogen hatte und allein aus der Kraft seines genialen Gedächtnisses<br />

zu verwirklichen strebte, war zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Hierin kann<br />

man eine Art Lebenstragik des Gelehrten Beireis erblicken, wenn man von Tragik<br />

in diesem Zusammenhang sprechen will.<br />

Sein Ruf als Gelehrter wurde noch übertroffen durch die Legende, die sich um<br />

seine Person gebildet hatte. Vor die Gestalt des universalen Gelehrten trat das<br />

11) Einen überblick über die wichtigste biographische Beireis-Literatur geben S tA W b<br />

VI Hs 10 Nr. 1 Bd. 1; He ist e r 28S-29O; Me r b ach, Lebensbilder 174-17S; Me r­<br />

b ach, Beireis und B e s s m e r t n y, Beireis in den Anmerkungen; siehe auch V 0 1 k -<br />

man n 6S, US, U8-129, 143-144, 20S.<br />

U) Vgl. He ist e r 71-83, 340-344; Me rb ach, Beireis 31-3S.<br />

124<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519

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