Braunschweigisches Jahrbuch 49.1968 - Digitale Bibliothek ...
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<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> Braunschweig<br />
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042519<br />
zugebracht. Der Lehrer hat ihn aber abends und morgens ein Stück des Katechismus<br />
und einen Psalm neben dem Gebet hersagen, ebenso ein Kapitel aus der Bibel lesen<br />
lassen. Auch ist das Lesen von geschriebener und gedruckter Schrift geübt, er hat<br />
Briefe selbst aufsetzen müssen. In Latein hat er Cato gelesen, sich mit den nötigen<br />
grammatischen und syntaktischen Regeln befaßt, dazu ab und an deutsche Sentenzen<br />
ins Lateinische übersetzt. Aus dem corpus iuris mußte er 9 Stellen, die er früher auswendig<br />
gelernt hatte, wiederholen, dazu kamen 17 neue. Beim Lesen hatte er<br />
Schwierigkeiten wegen seiner Augenschwäche. Der Lehrer machte dann den Vorschlag,<br />
seinen Schüler in der Arithmetik zu unterweisen, denn sie sei einer fürstlichen<br />
Person sehr nützlich und "an sich sehr lustig". Sonst solle man den Schüler nicht mit<br />
anderen neuen Lektionen beschweren, nur sei anzuraten, daß er etwas politische<br />
Studien betreibe, auch allgemeine Geschichte und Französisch. Ebenfalls solle er<br />
sich für Architektur interessieren, Grundrisse machen und perspektivisch zeichnen 32).<br />
Herzog Julius hatte gewünscht, daß sich sein Sohn neben seinen wissenschaftlichen<br />
Studien auch für die Landwirtschaft interessiere, sich umsehe, wie in Pommern<br />
die Höfe gebaut, wie das Land beackert werde, wie es mit der Viehzucht stehe, wieviel<br />
Tonnen Butter und Käse man von den Kühen gewinne, wieviel Wolle von den<br />
Schafen. " Weil s. I. auch corpulent und die leibsubungen s.l. dabei notig und dienlich,<br />
sehen wir [= Julius] gern, daß s.l. zu zeiten lustsweiß das dreihen (tanzen),<br />
wenn einer were, der s.l. dartzu anweisen konte, lernen, damit s.l. desto mehr aus<br />
der melancholei kommen, anderweits sich auch im fechten, auch ringrennen exerziren<br />
und uben." Die Tochter schreibt darüber an ihren Vater, ihr Gemahl werde darauf<br />
sehen, daß ihr Bruder zum Fechten und Ringreiten angehalten werde, in Wolgast<br />
sei eine Rennbahn. Einen Tanzlehrer weiß sie allerdings nicht. Sehr liebevoll schreibt<br />
sie von ihrem Bruder, er sei fromm und gehorche gern "und er ist gereits, als wenn<br />
er ein ander mens were", man könne seine Melancholie nicht mehr spüren, er sei<br />
freundlich, auch nicht übermäßig dick und wachse sehr 33).<br />
Von Philipp Sigismunds Briefen aus Pommern sind anscheinend nur wenige<br />
erhalten. Er schreibt am 29. Dezember 1584. daß es in Ueckermünde viel Sand und<br />
Heide gäbe, der Acker sei nicht fruchtbar. Dagegen gäbe es dort schöne Holzungen,<br />
stattliche Wildbahnen und Jagden sowie Ziegeleien, in denen viele Tausend Ziegel<br />
und Steine gebrannt würden. Auf den Bauernhöfen hatte er gewissenhaft den Viehbestand<br />
gezählt und berichtet, daß 9 Kühe in der Mai- und Sommerzeit z Tonnen<br />
Butter gäben 34).<br />
Die Zeit in Pommern bedeutete für ihn eine Wandlung in seiner Entwicklung.<br />
Nicht nur die Reisen durch fremde Gegenden, vor allem aber die mütterliche<br />
Betreuung durch seine Schwester bewirkten bei ihm eine starke Auflockerung. Seine<br />
Mutter hatte sich anscheinend wenig um ihn bekümmert, er stand bisher nur unter<br />
der Zucht seiner Hofmeister, die wiederum von seinem Vater streng kontrolliert<br />
wurden. Er war wohl das, was man heute einen Spätentwickler nennt, der dazu<br />
~Z) StA W I Alt 9 Nr. 104-<br />
83) E. Bodemann a. a. O. S. 2.07. 2.09-10, 2.0S.<br />
") StA W 1 Alt 9 Nr. 104.