Rotes Grün
Rotes Grün
Rotes Grün
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
74<br />
4. Signale der Hoffnung<br />
geerbte Status, in einem reichen Land geboren zu sein, wäre keine pure<br />
Selbstverständlichkeit mehr. Das ökologische Verbrechen des Multimillionärs<br />
wäre nicht mehr nur auf ihn beschränkt.<br />
Und so taucht schnell die bange Frage auf: Was bliebe dann noch von<br />
all dem, was wir gewohnt sind? Ist globale ökologische Gleichheit nicht<br />
das Ende jeglicher Rechtfertigung für das gesamte Leben in einem reichen<br />
Land? Bei solchen Fragen werden selbst dem radikalsten Öko-Aktivisten<br />
die Knie weich.<br />
Und sie werden noch weicher, weil mit vollem Recht gefordert werden<br />
kann, dass diese Gleichheit nicht nur übermorgen gelten soll, sondern<br />
auch konsequent intertemporal, also rückwirkend, in die Vergangenheit<br />
hinein. Mit über zehn Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und Jahr<br />
liegen die Bevölkerungen des reichen Nordens schließlich seit langem<br />
weit über dem global zulässigen Niveau. Historisch gesehen haben die<br />
früh industrialisierten Länder ihr Kohlendioxid-Budget bereits aufgebraucht.<br />
Ihr ökologisches Konto ist tief im Minus, und ihre Schulden<br />
wachsen täglich.<br />
Wir sehen also: Ökologische Gleichheit im Sinne tatsächlich gleicher<br />
Nutzungsrechte und gleicher Schutzpflichten ist ein Fundamentalangriff<br />
auf die gewohnte Ordnung, ihre Wirklichkeit, ihre Prinzipien und –<br />
wenn wir den Anspruch auf intertemporale Gleichheit hinzufügen – sogar<br />
auf ihre Geschichte. Ökologische Gleichheit definiert den Platz des<br />
Menschen in der Welt nach Maßen verträglicher Naturnutzung – nicht<br />
nach Eigentumstiteln, nicht nach ererbten Positionen, nicht nach dem<br />
zufälligen Status, im Norden geboren zu sein.<br />
Aber was bedeutet das, wenn es mehr sein soll als eine folgenlose<br />
Proklamation eines neuen Fundamentalrechts? Zu verwirklichen ist es<br />
doch bestenfalls mit sehr langfristigem Blick in die Zukunft – und die<br />
Geschichte kann nicht mehr verändert werden. Die Schulden bleiben<br />
oder wären nur zu tilgen, wenn der Norden heute aufhört zu atmen.<br />
Deshalb gibt es berechtigte Zweifel, ob ökologische Gleichheit tatsächlich<br />
den Rang erobert, der ihr eigentlich gebührt.<br />
Dennoch hat die Gedankenkette, die mit Größenbeschränkungen beginnt,<br />
globale Kooperation erfordert und somit die Gleichheit als Handlungsnorm<br />
setzt, heute schon Folgen. Das entscheidende Moment, das<br />
auch kurzfristig zur Geltung kommt, ist die Umkehr der Beweislast. Nicht<br />
Gleichheit muss sich rechtfertigen, sondern Ungleichheit. Selbst wenn