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Rotes Grün

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4. Signale der Hoffnung<br />

geerbte Status, in einem reichen Land geboren zu sein, wäre keine pure<br />

Selbstverständlichkeit mehr. Das ökologische Verbrechen des Multimillionärs<br />

wäre nicht mehr nur auf ihn beschränkt.<br />

Und so taucht schnell die bange Frage auf: Was bliebe dann noch von<br />

all dem, was wir gewohnt sind? Ist globale ökologische Gleichheit nicht<br />

das Ende jeglicher Rechtfertigung für das gesamte Leben in einem reichen<br />

Land? Bei solchen Fragen werden selbst dem radikalsten Öko-Aktivisten<br />

die Knie weich.<br />

Und sie werden noch weicher, weil mit vollem Recht gefordert werden<br />

kann, dass diese Gleichheit nicht nur übermorgen gelten soll, sondern<br />

auch konsequent intertemporal, also rückwirkend, in die Vergangenheit<br />

hinein. Mit über zehn Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und Jahr<br />

liegen die Bevölkerungen des reichen Nordens schließlich seit langem<br />

weit über dem global zulässigen Niveau. Historisch gesehen haben die<br />

früh industrialisierten Länder ihr Kohlendioxid-Budget bereits aufgebraucht.<br />

Ihr ökologisches Konto ist tief im Minus, und ihre Schulden<br />

wachsen täglich.<br />

Wir sehen also: Ökologische Gleichheit im Sinne tatsächlich gleicher<br />

Nutzungsrechte und gleicher Schutzpflichten ist ein Fundamentalangriff<br />

auf die gewohnte Ordnung, ihre Wirklichkeit, ihre Prinzipien und –<br />

wenn wir den Anspruch auf intertemporale Gleichheit hinzufügen – sogar<br />

auf ihre Geschichte. Ökologische Gleichheit definiert den Platz des<br />

Menschen in der Welt nach Maßen verträglicher Naturnutzung – nicht<br />

nach Eigentumstiteln, nicht nach ererbten Positionen, nicht nach dem<br />

zufälligen Status, im Norden geboren zu sein.<br />

Aber was bedeutet das, wenn es mehr sein soll als eine folgenlose<br />

Proklamation eines neuen Fundamentalrechts? Zu verwirklichen ist es<br />

doch bestenfalls mit sehr langfristigem Blick in die Zukunft – und die<br />

Geschichte kann nicht mehr verändert werden. Die Schulden bleiben<br />

oder wären nur zu tilgen, wenn der Norden heute aufhört zu atmen.<br />

Deshalb gibt es berechtigte Zweifel, ob ökologische Gleichheit tatsächlich<br />

den Rang erobert, der ihr eigentlich gebührt.<br />

Dennoch hat die Gedankenkette, die mit Größenbeschränkungen beginnt,<br />

globale Kooperation erfordert und somit die Gleichheit als Handlungsnorm<br />

setzt, heute schon Folgen. Das entscheidende Moment, das<br />

auch kurzfristig zur Geltung kommt, ist die Umkehr der Beweislast. Nicht<br />

Gleichheit muss sich rechtfertigen, sondern Ungleichheit. Selbst wenn

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