Rotes Grün
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3. Trügerische Erwartungen<br />
einerseits die Verlängerung der gewerkschaftlichen Praxis unmittelbarer<br />
Interessenvertretung in den politischen Raum und andererseits<br />
die Partei des Glaubens an eine bessere Welt jenseits des Horizonts.<br />
So können die profilbildenden Projekte der mittleren Frist nicht gelingen,<br />
nicht einmal formuliert werden. So fehlen die Scharniere, die soziale<br />
Forderungen für die Gegenwart mit Visionen einer anderen Gesellschaft<br />
verbinden. 15<br />
Ein Grund für das Verharren in nicht mehr passenden Gedankenwelten<br />
ist die intellektuelle Selbstüberschätzung. Unter Linken herrscht<br />
im Allgemeinen das Selbstverständnis, klarer, schneller und treffender<br />
zum Kern des jeweiligen gesellschaftlichen Problems vorzudringen. Wo<br />
andere nur Individuen oder nur die Gesellschaft oder nur die Wirtschaft<br />
sehen, da diagnostizieren sie bestimmte Interessen, die sich zuordnen<br />
und als Großgruppen identifizieren lassen. Früher sagte man dann Klassen<br />
und Klassenkampf, später die Herrschenden, die Lohnabhängigen<br />
und ihre jeweiligen Kräfteverhältnisse.<br />
Heute ist man in der Regel noch etwas softer. So haben sich die Linken<br />
allmählich an die heute übliche soziotechnische Sprache herangetastet.<br />
Das Eingeständnis heißt: Die alte Sprache passt nicht mehr.<br />
Aber dieses Eingeständnis wurde stillschweigend vollzogen und die Aufgabe,<br />
eine andere Sprache mit passenderen Begriffen zu finden, nicht<br />
formuliert. So bleibt man – die Unverständigen verachtend – im Labyrinth<br />
der Kategorien: Irgendwie stimmt unsere Analyse doch, aber vermitteln<br />
lässt sie sich nicht.<br />
Diese Verlegenheit der Kapitalismuskritik muss fundamentale <strong>Grün</strong>de<br />
haben. Am wichtigsten ist wohl die selbst verschuldete Blockade marxistischen<br />
Denkens, die sich vielfältig äußert, aber vor allem einen großen<br />
Mangel hat: Die Unfähigkeit, für die Ökonomie, also für den nach wie<br />
vor relevantesten Teil dessen, was wir Gesellschaft nennen, eine wirklich<br />
überzeugende und – angesichts der Verwerfungen – angemessen<br />
radikale und durchgehend ökologische Vision hervorzubringen. Diese<br />
Vision müsste, wenn sie mehr sein wollte als ein beliebiges Wunschkonzert,<br />
in schon vorhandenen Tendenzen gründen und Knospen identifizieren,<br />
die – gut bewässert und gut gepflegt – zur Blüte treiben.<br />
15<br />
Ein erster Ausweg aus diesem Dilemma ist der »PLAN B«, ein Positionspapier<br />
der Linksfraktion im Bundestag – siehe Fraktion Die Linke 2012.