Rotes Grün
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Linke im Labyrinth der Kategorien<br />
55<br />
essen. Im Chaos ihrer eigenen Ordnung die Eigentumstitel sichern, sich<br />
den neuen Konkurrenten auf dem Weltmarkt gewachsen zeigen, den<br />
eigenen Bedeutungsverlust im Weltgefüge moderieren, mit der Leimrute<br />
von Selbstverwirklichung und schnellem Reichtum junge Menschen<br />
an sich binden, sich vorsichtig an das ökologische Zeitalter herantasten,<br />
das gemeine Volk hart arbeiten lassen und den nicht gebrauchten Rest<br />
ruhigstellen – viel mehr steht nicht auf dem Programm.<br />
Aber wer die Macht hat, kann auch kooptieren, in sich aufsaugen,<br />
was an ideellem Nachschub von außen kommt. Diese Transfusion passiert<br />
gerade. <strong>Grün</strong>e Ideen fließen in den schwarz-gelben Block. Anders<br />
als das US-Establishment, das immer noch meint, dass <strong>Grün</strong> doch<br />
nur die Tarnfarbe für Rot ist, dass die »Ökos« eigentlich finstre Sozialisten<br />
sind, 14 beginnt das deutsche Bürgertum zu erkennen, dass »Bio«<br />
heute zum guten Ton gehört und man damit auch Geld verdienen kann.<br />
Entsprechend werden die grünen Ideen wässriger – einerseits durch<br />
schlichte Verbreitung, andererseits aber auch, weil ihre Urheber spüren,<br />
dass sie selbst den Takt vorgeben könnten, wenn sie abstreifen,<br />
was zwar in der Logik der ökologischen Sache, aber nicht im Interesse<br />
der Mächtigen liegt.<br />
Hier könnte nun die Stunde einer grünen Linken schlagen, einer Linken,<br />
die sich ihrer Machtferne nicht grämt, weil sie die Stärke zukunftsgewandter<br />
Ideen auf ihrer Seite weiß. Eine solche Linke gibt es in Gestalt<br />
eines bunten Schillerns Hunderter kleiner Organisationen und<br />
Projekte und einiger Intellektueller (siehe systematische Übersicht in<br />
Adler/Schachtschneider 2010). Aber als politische Strömung gibt es sie<br />
nicht. Der geistige Kern der meisten Linken – ob in Gewerkschaften,<br />
Sozialverbänden oder in der Partei gleichen Namens – ist immer noch<br />
die alte Vorstellung einer zunächst möglichst sozial gestalteten und<br />
später in gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmenden ökonomischen<br />
Maschinerie, die mit voller Last zu fahren ist, um ihr Produkt<br />
zu maximieren.<br />
Um diesen alten Gedanken der Arbeiterbewegung kreisen mittlerweile<br />
viele Satelliten moderner Programmatik wie etwa demokratische<br />
Partizipation, Energie- und Verkehrswende. Es mangelt nicht an Ange-<br />
14<br />
Siehe Naomi Kleins atmosphärische Einblicke in die Diskussionen des Heartland-Instituts<br />
(Klein 2012; Klein 2012a).