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Rotes Grün

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Reformisten im grünen Rausch<br />

51<br />

Der moralische Zweig des grünen Umfeldes begann einst mit wortgewaltigen<br />

Kritikern der Maßlosigkeit wie beispielsweise Ivan Illich oder<br />

Carl Amery und fand seinen anklagenden Höhepunkt in Rudolf Bahro.<br />

Dessen radikale Kritik an jedweder Industrie (Bahro 1987) blieb allerdings<br />

von Anfang an ohne Resonanz, was bei ihm selbst den Zug ins<br />

Esoterische verstärkte. Am Ende klang Bahro, als wolle er, weil im Äußeren<br />

nichts zu erreichen war, nur noch das Innere revolutionieren,<br />

als könne man eine neue Mäßigungsreligion am Reißbrett konstruieren.<br />

Das war dann schließlich ebenso absurd, wie es heute der Versuch<br />

wäre, im digitalen Wahn einen neuen Glauben mit einem Algorithmus<br />

für das Ethische zu programmieren.<br />

Von Bahro und seinen Vorgängern ist kaum etwas geblieben, aber<br />

der Anruf des Individuums ist in jüngster Zeit wieder zu hören. Dieser<br />

erneuerte Appell ist pragmatischer geworden und speist sich aus zwei<br />

Quellen. Einerseits wird die Gewissheit formuliert, dass die Strategien<br />

grünen Wachstums zum Scheitern verurteilt sind, weil alle Signale, ob<br />

ökologischer Fußabdruck oder andere, zu erkennen geben: Schrumpfung,<br />

nicht Wachstum ist das Thema. Andererseits enthält dieser Appell<br />

einen Aufruf zum genauen Hinsehen: Wer vernünftig leben will, der<br />

kann es auch, wie Tausende Projekte beweisen. 12 Deshalb sei der individuelle<br />

Ausbruch aus einer nicht mehr zu rechtfertigenden Lebensweise<br />

jederzeit möglich – frau und man müsse es nur tun. Für diesen appellativen<br />

Zweig des grünen Umfeldes stehen Namen wie Niko Paech, Harald<br />

Welzer und Reinhard Loske.<br />

Aus dem doppelten Befund einer schwer zu bändigenden Wachstumsmaschinerie<br />

einerseits und andererseits der Fähigkeit, das als falsch Erkannte<br />

zu verlassen, folgt dann zwangsläufig die These, dass des Rätsels<br />

Lösung irgendwo in der Kultur zu finden sei. Weil aber das Individuum<br />

selbst in vielfältiger Weise von der Grenzenlosigkeit des Konsums ge-<br />

12<br />

»In der Zusammenschau vieler Versuche des Beginnens einer anderen Praxis,<br />

des Experimentierens mit einer anderen Wirklichkeit, zeichnet sich in Umrissen<br />

ab, wie die Kultivierung des erreichten zivilisatorischen Standards bei radikal<br />

gesenktem Ressourcenverbrauch aussehen könnte. Und anhand der vielen Geschichten<br />

des Gelingens beginnt sich auch heraus zu formen, was eine neue Geschichte<br />

über uns selbst sein könnte. Die nämlich brauchen wir, um die Praxis der<br />

Zukunftsfähigkeit in eine politische Bewegung übersetzen zu können, die das Land<br />

verändert.« (Welzer 2012: 44)

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