Rotes Grün
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3. Trügerische Erwartungen<br />
Wie lange der grüne Reformismus die geistige Führung behalten wird,<br />
dürfte vor allem von der Frage abhängen, wann und inwieweit es zu<br />
Neuinterpretationen der ökologischen Herausforderungen kommt. Die<br />
wahrscheinlichste Variante ist – analog zu den Tendenzen, die es in den<br />
USA längst gibt – eine neo-imperialistische Strategie, die sich weniger<br />
dem Schutz der Biosphäre als vielmehr der Sicherung der Ressourcen<br />
widmet. Das verlogene, aber passende Motto, das dann aus dem bürgerlichen<br />
Lager käme, würde lauten: »Wir sichern unsere Ressourcen,<br />
nicht die der ganzen Welt.«<br />
Diese Gefahr ist heute schon spürbar. Sie wird wohl stärker werden,<br />
wenn sich abzeichnet, dass irreparable Schäden zunehmen und es nur<br />
noch um die Anpassung an fragil gewordene Ökosysteme geht. Dann<br />
könnte eine »Rette-sich-wer-kann-Logik« so naheliegen, dass sie auch<br />
subjektiv als Option ausgesprochen und verwirklicht wird. Der grüne Reformismus<br />
hätte dann ausgedient, weil ihm für den Ressourcen-Nationalismus<br />
die Härte fehlt – oder er würde den Schutz der Senken einstweilen<br />
weniger ernsthaft betreiben und den Schwenk zur Sicherung der<br />
Ressourcen mitmachen.<br />
Eine eher links-grüne Sicht – das ist die andere Variante der Neuinterpretation<br />
der ökologischen Herausforderungen. Diese Links-Wendung<br />
des Reformismus bedeutet konsequente Ökologie und auf dieser<br />
Grundlage Kritik am Green New Deal in seiner parteigrünen Fassung als<br />
gesellschaftspolitisch zu zahm, wirtschaftspolitisch zu traditionell und<br />
in seinen selbst proklamierten Zielen zu blass. Der Ausgangspunkt eines<br />
solchen, wieder etwas fundamentaleren grünen Standpunkts wäre die<br />
Inkonsequenz des grünen Reformismus, seine Beschränkung auf das<br />
Drehen an den vorhandenen Hebeln, seine unbegründete Zuversicht,<br />
dass das Begrünen von Investitionsanreizen und Steuervergünstigungen<br />
eine ausreichende Eingriffstiefe entwickelt.<br />
Wie sich der grüne Reformismus im Kraftfeld der beiden Varianten<br />
entwickeln wird, dürfte auch von seinem geistigen Umfeld abhängen.<br />
Dieses Umfeld lässt sich differenzieren einerseits in den moralischen<br />
Teil, der mehr will, aber nicht mehr kann, weil er nur lebensweltlich,<br />
nicht ökonomisch zu argumentieren versteht. Und andererseits in den<br />
eher politisch und ökonomisch argumentierenden Teil, der die gesellschaftliche<br />
Debatte mit deutlicheren Worten beeinflussen könnte, wenn<br />
er denn wollte und sich traute.