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Rotes Grün

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Reformisten im grünen Rausch<br />

49<br />

beitsprogramme und erstmaliger Aufbau nennenswerter sozialstaatlicher<br />

Strukturen in den USA.<br />

Das war damals ein mutiges, von Roosevelt und seinem Team mit<br />

Leidenschaft vorgetragenes und gegen mächtige Interessen durchgesetztes<br />

Reformpaket, eine Dehnung des bürgerlichen Rahmens bis zum<br />

Äußersten dessen, was damals möglich war. Von solch ambitioniertem<br />

gesellschaftlichem Umbau hat sich der Green New Deal in seiner parteigrünen<br />

Fassung verabschiedet. Wer den New Deal von Roosevelt für<br />

sich reklamiert, aber nur von »grünen Technologien« spricht und darauf<br />

verzichtet, im Rooseveltschen Geist nicht mehr zeitgemäße Vermögensund<br />

Machtverhältnisse zu thematisieren, der fälscht die Etiketten.<br />

Diese Kritik bewirkt gegenwärtig allerdings wenig, solange gesellschaftlicher<br />

und ökologischer Umbau zwei fast vollständig getrennte<br />

Themen bleiben, solange die Vorstellung eines durchgrünten Kapitalismus<br />

als letzte, verbliebene Leitidee erscheint. Gemäß dieser Leit idee<br />

darf grundsätzlich alles gleich bleiben, die Wirtschaftsordnung, die<br />

Macht- und Herrschaftsverhältnisse – nur die Technologien nicht. Das<br />

ist der neue Common Sense.<br />

Deshalb wird auf absehbare Zeit der Einfluss des grünen Reformismus<br />

weiter wachsen – nicht nur weil die gesellschaftliche Struktur sich<br />

in diese Richtung verändert, sondern auch und vor allem weil die ökologische<br />

Frage noch deutlicher als die entscheidende Frage hervortreten<br />

wird.<br />

Inwieweit sich dieser Rückenwind für die Originalpartei des grünen<br />

Reformismus, also für die <strong>Grün</strong>en selbst, in Wahlen niederschlägt, ist<br />

ungewiss. Gewiss aber dürfte sein, dass der grüne Reformismus als geistige<br />

Strömung stärker wird und auch Parteien anderen Namens beeinflusst,<br />

quasi innerlich verändert. Wer gegen alle Zeichen der Zeit an altindustrialistischen<br />

Traditionen festhält, kann bei Wahlen hin und wieder<br />

gut abschneiden, weil die Mobilisierung unmittelbarer Interessen gelingt,<br />

aber geistige Initiative ist so nicht zu gewinnen.<br />

Deshalb werden sich alle Parteien allmählich ökologisieren – ob lauthals<br />

proklamiert oder rein handwerklich ohne Fanfare. Parteien sind<br />

– bei allem Kalk, der ihnen aus den Gliedern rieselt – immer noch adaptive<br />

Gebilde, die Trends aufnehmen müssen und das, häufig mit Verzögerungen,<br />

auch tun. Sie haben einen Hang zum Opportunen und in<br />

Wahlkämpfen auch zur kühl kalkulierenden Prostitution.

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