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Rotes Grün

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Bürgertum im zweifelnden Trotz<br />

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von Zukunftsantizipationen, von Strategien, von konzertierten Aktionen,<br />

von zielgerichtetem kollektivem Handeln abhängig.<br />

Der alte konservative Standpunkt, die gegebenen Verhältnisse zu bewahren<br />

und nur auf minimal-invasives Management zu setzen, würde<br />

heutige Gesellschaften in ihrer Reproduktionsfähigkeit gefährden. Wenn<br />

dem kapitalistischen Wirtschaftsleben die Hybris permanenter Veränderung<br />

eingeschrieben ist, wenn der Übermut seine Daseinsweise ist,<br />

sind Eingriffsnotwendigkeiten und Gestaltungszwänge gesetzt. Die Anmaßung<br />

der Politik und des Gemeinwesens ist das notwendige Pendant<br />

zum Übermut des Kapitals. Nicht über das »Ob« von Veränderungsstrategien<br />

lässt sich streiten, sondern nur über das »Wie«.<br />

Wie Ole von Beust, Hamburgs ehemaliger Erster Bürgermeister, rückblickend<br />

schreibt: »Das Kernthema also der Konservativen, das Gestaltenwollen<br />

gegen eine Veränderung, ist unlösbar geworden.« (Beust<br />

2012: 190) Eben deshalb begeben sich auch Konservative auf Erkundungspfad,<br />

scheitern dabei aber regelmäßig, weil sie nur an ihren Dogmen<br />

kratzen, aber sie nicht erschüttern können.<br />

Die bürgerliche Welt bietet hier und da noch Stabilität, aber nirgends<br />

mehr ein glaubhaftes Zukunftsversprechen, keine Vision, keine Ideen,<br />

kein Projekt. Wenn der Markt seine Utopiefunktion verliert, wenn egoistisches<br />

Streben Gemeinwohl zerstört, dann muss etwas anderes an<br />

seine Stelle treten. Fühlbar wird, dass im ökologischen Zeitalter andere<br />

Normen und andere Prinzipien, letztlich andere Wirtschaftsweisen notwendig<br />

werden, wenn Demokratie und Zivilisation halbwegs gewahrt<br />

bleiben sollen. Diese Einschränkung zu wahrender demokratischer Zivilisation<br />

kann man auch fallen lassen. Wie stark der Zug ins Reaktionäre<br />

sein wird, kann man heute nicht wissen, wohl aber, dass es darum erbitterte<br />

Kämpfe geben wird.<br />

Das alte Bürgertum hat zwar noch die materiellen Machtmittel in der<br />

Hand. Es kann verhindern, bremsen, ablenken, Zwietracht säen. Aber<br />

nach vorn hat es wenig zu bieten. Es landet in der geistigen Sackgasse,<br />

die am Ende immer enger wird. Sie wird enger, weil weder die alten noch<br />

irgendwelche neuen konservativen Haltungen echte Optionen sind.<br />

Der geistige Bankrott des alten Bürgertums ist zwar unübersehbar,<br />

aber noch kein wirklicher Grund zur Freude. Denn die wirtschaftsbürgerliche<br />

Ordnung kann auch ohne geistige Hegemonie eine lange Weile<br />

weiterleben. Zahlreich sind die Strukturen, die aktiv am Alten festhalten.

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