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Rotes Grün

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3. Trügerische Erwartungen<br />

die wieder auf die eigenen Kräfte und auf gemeinwirtschaftliche Organisationsformen<br />

setzt.<br />

Die zweite Variante, das vorsichtige Bewahren, geht heute auch nicht<br />

mehr. Der alte, der klassische konservative Standpunkt wandte sich gegen<br />

Übermut und Anmaßung, gegen die Hybris des Eingreifens, gegen<br />

die Vorstellung, dass man Herkömmliches und Bestehendes durch Willensakte<br />

außer Kraft setzen oder gar vom Tisch fegen könne.<br />

Geschichtlich ist dieser alte Standpunkt zwar durch Revolutionen<br />

widerlegt worden. Denn bisweilen sind eben die Umstände so unerträglich,<br />

dass die Menschen die gewohnten Bahnen verlassen und<br />

ins Ungewohnte springen, auch wenn sie nicht wissen, was danach<br />

kommt. Aber Revolutionen passieren selten, und ihr Resultat kann<br />

auch unangenehm sein. Deshalb war der konservative Standpunkt,<br />

zumindest der redlich vorgetragene und nicht von einseitigen Interessen<br />

durchdrungene, nicht immer nur falsch. Denn je willkürlicher,<br />

je unorganischer die revolutionären Willensakte, desto schneller waren<br />

Diktaturen etabliert, auch wenn zunächst die Namen und Verkleidungen<br />

die Sinne täuschten.<br />

Diesen alten, mahnenden Konservatismus gibt es schon lange nicht<br />

mehr. Politisch konstituiert, zur Partei geworden, ist der Konservatismus<br />

vor allem aktives Gegenprogramm, Antipode zum Fortschrittsdenken.<br />

Damit unterliegt er der Gefahr, sich in das zu verwandeln, was er angeblich<br />

bekämpfen will – in eine ideologische, in eine gläubige Haltung.<br />

Als Partei in der Arena der politischen Konkurrenz kommt der Konservatismus<br />

nicht umhin, Zukunft zu antizipieren, Ziele zu formulieren und<br />

damit sich selbst einer Gestaltungsanmaßung anheimzugeben. Die Setzung<br />

äußerer Zwecke, dieses dem Fortschrittsdenken immanente Rütteln<br />

am Herkömmlichen und Bestehenden, dringt in den Konservatismus<br />

ein und verwandelt den Inhalt seiner ursprünglichen Idee.<br />

Diese alte Idee ist eines verdienten Todes gestorben, weil die geschichtliche<br />

Entwicklung über sie hinweggegangen ist und eine sich wirtschaftlich-technisch<br />

permanent verändernde Gesellschaft geschaffen<br />

hat. Wenn konservatives Denken heute überhaupt noch produktiv sein<br />

wollte, müsste es auf einen Mäßigungsappell hinsichtlich der Naturnutzung<br />

schrumpfen und die Hybrisanklage fallen lassen, weil der Verzicht<br />

auf resolutes Eingreifen einem Todesurteil für die menschliche Zivilisation<br />

gleichkäme. Denn heutige Gesellschaften sind in vielfältiger Weise

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