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Rotes Grün

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3. Trügerische Erwartungen<br />

also in Richtung wirklich neuer Horizonte, weiter gefahren, dann könnten<br />

wir heute über die globalen Herausforderungen ganz anders reden und<br />

von anderen Niveaus aus handeln.<br />

Dazu kam es bekanntlich nicht. Die Namen Ronald Reagan und Margaret<br />

Thatcher stehen als sichtbare Repräsentanten für den Bruch mit<br />

dem zuvor geltenden Konsens, der in Westdeutschland den Erhardschen<br />

Titel »Wohlstand für alle« trug. Seit den 1980er Jahren gelten in<br />

der angelsächsischen Welt, seit den 1990er Jahren gelten auch in Kontinentaleuropa<br />

neue Leitlinien für ein altes Klassenmodell.<br />

Wer arbeitslos ist, wird doppelt bestraft: weniger Rechte, weniger Almosen.<br />

Die normalen Lohnabhängigen dürfen immer schneller, immer<br />

hektischer arbeiten, aber haben nichts davon: Die Reallöhne stagnieren.<br />

Das diplomierte Fachpersonal soll in einer Mischung aus Disziplin<br />

und Kreativität alles aus sich herausholen und bekommt – auf den höheren<br />

Ebenen – gelegentlich einen satten Zuschlag. Die Unternehmerschaft<br />

kann wieder freier agieren und nach unten treten, ist aber auch<br />

von fremden Zwängen getrieben. Denn die Herren des Geschehens sind<br />

andere. Ganz oben thronen Großaktionäre und Financiers, sahnen ab,<br />

weil wieder eindeutig das Eigentumsprinzip zählt.<br />

So kam es zu einem Arrangement, in dem der stumme Zwang der<br />

Verhältnisse – anders als in den goldenen Jahrzehnten des Fortschritts<br />

– wieder regiert. Statt Zuversicht für das eigene Leben und begründeter<br />

Erwartungen für die Zukunft der Kinder machte sich wieder breit,<br />

was überwunden schien: Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau und die<br />

ständige Bedrohung ehemals verlässlicher Sicherheiten. Seitdem ist<br />

eine Menge Grau in den Alltag eingewoben – längst nicht für alle, aber<br />

für eine deutlich gewachsene Zahl. Nicht nur unten, sondern bis weit<br />

in die Mitte hinein gelten wieder die alten Grundsätze: sich fügen, Zumutungen<br />

stillschweigend akzeptieren, das eigene Leben halbwegs und<br />

mit einem leidlich funktionierenden Sozialstaat in den Griff bekommen.<br />

Zynische Weisheiten und immer kürzere Zyklen billig gewordener, technischer<br />

Spielereien müssen die Sinnlücken füllen.<br />

All das hat Folgen für die Legitimation bürgerlicher Herrschaft. Das<br />

Bürgertum sitzt, weil es bislang an glaubwürdigen und begehrenswerten<br />

Alternativen mangelt, fest im Sattel – aber ohne Esprit, ohne Strahlkraft,<br />

ohne Vision. Die Vollstrecker gemästeter Macht, Banker und Manager,<br />

verwirklichen das Steigerungsversprechen, das im »Goldenen Zeital-

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