Rotes Grün
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6. Neue Geschichten<br />
Auch das Bemühen, über die Anklage hinaus zu neuen Entwürfen zu<br />
kommen, ist ernsthafter geworden und hat mit dem Internet das passende<br />
Medium gefunden. Die Produktivkräfte kommen den Alternativen<br />
entgegen. So kann aus tausend Blumen ein Blumenmeer werden, das<br />
auch politisch relevant zu werden beginnt, weil es einen gemeinsamen<br />
Boden hat und Veränderungsgewissheit begründen kann.<br />
Es gab einmal eine Bürgerbewegung, die dem Abstammungsprinzip<br />
des Feudalismus das Rechtsprinzip entgegenhielt und durchsetzte. Es<br />
gab einmal eine Arbeiterbewegung, die dem Rechtsprinzip des Bürgertums<br />
das Koalitionsprinzip entgegenhielt und durchsetzte. Wird man<br />
in 50 Jahren einmal auf die Geschichte zurückschauen und in ähnlicher<br />
Weise Subjekte identifizieren und Prinzipien benennen können, um die<br />
gerungen wurde?<br />
In klassischer, ökonomisch bestimmter Weise kann ein an grundlegender<br />
Veränderung interessiertes Subjekt nicht mehr identifiziert werden.<br />
Die Arbeiterklasse und ihre Bewegung waren das letzte Glied in<br />
einer Kette von Klassenkräften, die, um ihre ökonomische Lage zu befördern,<br />
politisch werden mussten. Eine an Veränderung interessierte<br />
größere Menschengruppe, die auch nur annähernd als soziale Klasse<br />
bezeichnet werden könnte, gibt es heute nicht mehr.<br />
In der Gegenwart deutet zumindest in den entwickelten Ländern<br />
nichts darauf hin, dass es hier eine Kraft geben könnte, die analog zu<br />
den beiden großen vorhergehenden Bewegungen und als ihr legitimer<br />
Nachfolger gedacht werden kann. Beide Vorgänger waren in erster Linie<br />
ökonomisch motiviert. Welche Verbindung von Interessen aber sollte<br />
es heute und in Zukunft noch geben, die sich vorrangig aus einer gemeinsamen<br />
wirtschaftlichen Lage speist und deshalb gemeinsame Forderungen<br />
und eine gemeinsame politische Praxis begründet?<br />
Die Zeiten, in denen die großen geschichtsmächtigen Subjekte unmittelbar<br />
aus der Ökonomie hervorkamen, sind offensichtlich vorbei. Bei<br />
aller Dominanz des Ökonomischen in der heutigen Zeit ist eine künftige<br />
Bewegung, die sich analog zu Kapital und Arbeit um ein ökonomisches<br />
Interesse gruppiert, nicht zu sehen.<br />
Die Revolutionäre von heute sind keine Parteisoldaten, sondern Generäle<br />
ihres Anliegens. Sie marschieren nicht, sie organisieren selbsttätig<br />
und kommunizieren selbstbestimmt. Sie wuseln im Reich der Veränderungen,<br />
die heute möglich sind. Absprachen treffen sie schon, aber