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Rotes Grün

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– wie die Ideen in Bewegung kommen<br />

161<br />

Wenn es um Attacken auf den Sozialstaat geht, wird statt vom Sozialen<br />

von Lohnnebenkosten geredet, die nicht mehr tragfähig seien.<br />

Märkte wiederum, die doch bestenfalls nur der Koordination dienen<br />

sollen, erhalten menschengleiche Eigenschaften, werden nervös, zögerlich<br />

oder überschwänglich. Umgekehrt verwandeln sich erwerbstätige<br />

Frauen und Männer in Produktionsfaktoren und Kostenposten.<br />

Der Staat wird zu dem, was er nicht ist und auch nicht sein sollte, zum<br />

unternehmensähnlichen, einzelnen Akteur. Wiederum umgekehrt werden<br />

die Unternehmen als quasi-öffentliche Einrichtungen präsentiert,<br />

die allgemeine Ziele verfolgen.<br />

Karl Marx hat in seinem Hauptwerk »Das Kapital« nahezu seinen gesamten<br />

Gedankengang mit einer sozialpsychologischen Nebenlinie verwoben:<br />

mit den berühmten Mystifikationen, die an anderer Stelle notwendig<br />

falsches Bewusstsein heißen und beispielsweise die Vorstellung<br />

meinen, dass nicht Arbeit, sondern das Kapital selbst seinen Profit produziert<br />

oder dass es einen gerechten Lohn geben könne.<br />

All diese Enthüllungen falscher und mystifizierender Begriffe sind<br />

auch heute wichtig, um jeweils zu dem Kern vorzudringen, um den es<br />

immer wieder geht: um das bewusste, aber vom jeweiligen Zeitgeist<br />

und von Interessen geprägte Handeln unter gegebenen Umständen.<br />

Gelingt das, dann lautet die Frage nicht mehr »was gegen was«, sondern<br />

»wer gegen wen«.<br />

So werden Handlungen als Handlungen erkennbar. So ist zu vermeiden,<br />

dass Abstraktionen zu Menschen werden und – umgekehrt – Menschen<br />

zum Beiwerk von Fakten und Tendenzen. Dabei ist selbstverständlich<br />

stets zu berücksichtigen, dass die Einschränkung »unter gegebenen<br />

Umständen« eine gewichtige ist. Was bewusst, mit Absicht, getan wird,<br />

kann im Gegenteil enden. Die Gewissheit, auf der richtigen Seite zu<br />

stehen und in die richtige Richtung zu gehen – wie entsteht das, ohne<br />

beliebiges Herbeiwünschen, ohne naives Revoluzzertum, ohne anmaßende<br />

Belehrung?<br />

Das erste Moment ist die unerbittliche Anklage. Man muss wissen,<br />

was zu überwinden ist. Das passiert heute in mannigfaltigen Formen<br />

und hat seine Wirkung nicht verfehlt. In Industrieländern sind Mehrheiten<br />

skeptisch gegenüber der herrschenden Wirtschaftsordnung. In<br />

der Negation sind Mehrheiten auf der richtigen Seite der Barrikade. Als<br />

Weltverbesserer muss man sich also nicht ständig einsam fühlen.

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