Rotes Grün
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– vom totalen Markt zu sektoraler Blüte<br />
133<br />
Nutzen und Grenzen der Keynesianer<br />
Treffender und politisch wesentlich schärfer ist die zweite Kritik, weil sie<br />
sich nicht nur mit den Voraussetzungen des liberalen Modells befasst,<br />
sondern auch den Kern des Modells kritisiert. Dieses Argument besagt:<br />
Wenn alle Märkte tatsächlich in der Reinheit funktionieren würden,<br />
wie es die bürgerliche Theorie verlangt, dann bringen sie uns um, und<br />
zwar mit hohem Tempo und mit Exitusgarantie. Denn die ausschließliche<br />
Orientierung an Preisen, Mengen und Profiten, die Konzentration<br />
aller Kräfte auf kaufmännische Größen, zerstört im Zeitraffer jede Gesellschaft,<br />
weil sie alles, selbst die innersten Regungen, in kurzfristige<br />
und – wegen der Schwäche des Gemeinwesens – auch räuberische Rechenbarkeit<br />
verwandelt.<br />
Was das im 19. Jahrhundert bedeutete, hat Karl Marx vor allem im<br />
ersten Band des »Kapital« am Beispiel Englands beschrieben. In einer<br />
anderen Variante untersuchte später Karl Polanyi (1978), welche verheerenden<br />
Wirkungen entfesselte Märkte haben. Das aktuellere, wiederum<br />
englische Beispiel ist die Thatcher-Ära, die mit dem alleinigen<br />
Blick auf Investorenwünsche gewachsene Communities reihenweise<br />
zerstörte (siehe Gray 1999).<br />
Die These, dass eine Marktwirtschaft stabil überhaupt nur dann funktionieren<br />
kann, wenn das Gemeinwesen und sein politischer Arm als<br />
starker Rahmensetzer auftreten, hat in jüngster Zeit wieder Zuspruch<br />
gefunden, wird als explizites Konzept aber nur von Ökonomen vertreten,<br />
die sich an Keynes orientieren. Aus ihrer Sicht funktionieren Märkte<br />
nicht nur ausnahmsweise, sondern immer unvollkommen. Deshalb seien<br />
Staatseingriffe immer und nicht nur bei offensichtlichem Marktversagen<br />
geboten. Märkte sind in einer an Keynes orientierten Betrachtung<br />
nie eine naturwüchsige, sich selbst regelnde Angelegenheit. Entsprechend<br />
gibt es auch nie eine aus dem Marktgeschehen resultierende<br />
Tendenz zum Gleichgewicht.<br />
Märkte seien eine politisch organisierte Veranstaltung – und das gelte<br />
vor allem für die wichtigsten Märkte und für die wichtigsten Austauschbeziehungen.<br />
Deshalb konzentrieren sich Keynesianer zu Recht auf die<br />
drei wichtigsten Preise einer Volkswirtschaft (Lohnsatz, Zinssatz, Wechselkurs),<br />
die in erheblichem Umfang politisch zu steuern sind und auch<br />
gesteuert werden sollten. Wer die Volkswirtschaft nur als Summe von<br />
Einzelakteuren, insbesondere von Unternehmen, betrachtet und sich