Rotes Grün
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5. Modellwechsel<br />
auch einen Zusammenhang, theoretischer gesprochen: ein Modell.<br />
Dieses Modell muss fähig sein, nicht nur im Reich der Theorie zu gewinnen,<br />
sondern auch herrschende, in der Bevölkerung verbreitete Deutungsmuster<br />
zu erschüttern und bessere an ihre Stelle zu setzen. Es<br />
reicht also nicht aus, das Kapital als Wachstumstreiber zu benennen<br />
und allein davon ausgehend ein anderes Modell zu suchen. Auch die<br />
Story, die sich um Wachstum rankt, bedarf der finalen Delegitimation.<br />
Diese Geschichte permanenten Wachstums ist noch lebendig. Sie<br />
lebt mit Blessuren weiter und wird in aktualisierten Varianten neu geboren.<br />
Das gelingt, weil die Gedankenfolge, die aus der gewöhnlichen,<br />
liberal gesinnten Wirtschaftswissenschaft stammt und im politischen<br />
Raum vom bürgerlichen Lager, bisweilen auch von Sozialdemokraten<br />
und <strong>Grün</strong>en, erzählt wird, an das Alltagsbewusstsein anzudocken versteht.<br />
Diese Gedankenfolge wird quasi übersetzt in souveräne Handlungen<br />
freier Vereinigungen und freier Bürgerinnen und Bürger, die jeweils<br />
ihre Rollen spielen.<br />
Demnach sind die Unternehmen kreative Organisationen, die sich den<br />
Kaufentscheidungen der mündigen, wissenden und souveränen Bürgerschaft<br />
fügen. Der Souverän entscheidet, und die Unternehmen buhlen<br />
mit ihren Angeboten um die zahlende Zuneigung des Souveräns. Der<br />
Konsument ist der Herr, das Unternehmen sein kreativer Knecht. Um<br />
das Geld des Souveräns zu bekommen, müssen die Unternehmen permanent<br />
innovativ sein. Diese Konstellation ist gut und richtig. Denn die<br />
Entscheidungen, denen sich die Unternehmen anpassen, sind per definitionem<br />
demokratisch, weil sie den Willen der Konsumentengesamtheit<br />
widerspiegeln.<br />
Die einzige wesentliche Spielregel, die politisch zu wahren ist, heißt<br />
Wettbewerb. Wenn Wettbewerb herrscht, ist alles in bester Ordnung.<br />
Dann werden im Kampf um Marktanteile Investitionen getätigt, um innovative<br />
Produkte anbieten zu können. Das daraus resultierende Wachstum<br />
ist gutes Wachstum, weil souveräne Menschen es so wollen.<br />
Diese Gedankenfolge hat Wirkung. Was in ihr vorkommt, ist zwar<br />
ein extrem einseitiges und geschöntes Herausheben bestimmter Seiten<br />
der Realität, vor allem des Kaufs und Verkaufs von Waren. Aber<br />
die se Aspekte des Wirtschaftslebens sind nicht erfunden, und sie gelten<br />
nach wie vor als die stärkste Leistung der heutigen Produktionsweise.<br />
Wenn diese Leistung im Mittelpunkt des Bildes von der Wirtschaft steht,