Rotes Grün
Rotes Grün
Rotes Grün
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
126<br />
5. Modellwechsel<br />
Ein Unternehmen, das nur Einnahmen in Höhe seiner Kosten erzielt,<br />
kann gesellschaftlich Sinnvolles tun. Vom Standpunkt der Kapitalverwertung<br />
ist eine solche Veranstaltung sinnlos.<br />
Einzelne Unternehmen können auch in einer stationären, nicht wachsenden<br />
Wirtschaft Profite erzielen, die Gesamtheit der Unternehmen<br />
auf Dauer jedoch nicht. Wenn alle Unternehmen nur gerade das an Einnahmen<br />
erzielen, was ihren Kosten entspricht, dann kann es einen als<br />
Kostenfaktor aufgefassten Unternehmerlohn geben, aber der gesamtwirtschaftliche<br />
Gewinn im eigentlichen Sinne, also als Überschuss über<br />
alle Kosten inklusive Unternehmerlohn, ist gleich null.<br />
Deshalb ist in den Modellen der beratenden, auf Wirtschaftspolitik<br />
zielenden Ökonomen immer noch Wachstum die entscheidende Variable<br />
– und für die Politik bleibt, wenn sie ihr Eigeninteresse an geregelten<br />
Haushalten, gesicherten Sozialsystemen und an neuen Arbeitsplätzen<br />
wahren und den Rahmen der zulässigen Optionen nicht sprengen<br />
will, immer nur die Parole: Wachstum und nochmals Wachstum. Das ist<br />
gewissermaßen die innenpolitische Staatsräson.<br />
Wer Null-Wachstum, stationäre Wirtschaft oder die Aufhebung des<br />
Wachstumszwangs fordert und trotzdem davon ausgeht, dass die herrschende<br />
Wirtschaftsordnung keiner grundlegenden Änderung bedarf,<br />
der muss sich folglich erklären. Wer aus ökologischen <strong>Grün</strong>den für Null-<br />
Wachstum plädiert, sagt implizit, dass der Profit nicht das Steuerungszentrum<br />
sein kann, dass letztlich die Kapitalverwertung aufgehoben<br />
werden muss. Es ist merkwürdig und erstaunlich, dass nahezu alle Plädoyers<br />
gegen das Wachstum, die gegenwärtig in einer mittlerweile nicht<br />
mehr überschaubaren Breite existieren, die antikapitalistische Konsequenz<br />
ihrer eigenen Argumentation nicht einmal ahnen, geschweige<br />
denn klar und eindeutig aussprechen.<br />
Dieses Schweigen ist schon angesichts der erkennbaren Tatsachen<br />
merkwürdig. Kapitalistisch verfasste Gesellschaften werden sehr schnell<br />
instabil, wenn sie nicht mehr wachsen, wie sich in jeder Krise und erst<br />
recht in jeder Rezession zeigt, also in Zeiten des Null-Wachstums und<br />
der Schrumpfung.<br />
Erstaunlich ist dieses Schweigen aber auch, weil nahezu die gesamte<br />
Wirtschaftswissenschaft, von den Liberalen bis zu den Marxisten – auf<br />
unterschiedlichen Wegen, aber in der Konsequenz doch einmütig –<br />
begründet hat, dass Kapitalismus ohne Wachstum nicht funktionieren