Rotes Grün
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– vom totalen Markt zu sektoraler Blüte<br />
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Gegenstand von Entscheidungen. Das Unbehagen mag in Feierstunden<br />
zur Sprache kommen – im Alltag zählt nur Wachstum. Wirtschaftswachstum<br />
wirkt wie ein Naturgesetz, das sich der Entscheidung entzieht.<br />
Die kapitalistische Privatwirtschaft ist auf Wachstum angewiesen.<br />
Rendite- und Zinsforderungen sind auf Dauer nur zu bedienen, wenn<br />
die Wirtschaft wächst. Dieser Wachstumszwang gilt nicht nur für das<br />
Kapital, sondern für alle wesentlichen gesellschaftlichen Institutionen.<br />
Ob Arbeitsmarkt, soziale Sicherungssysteme oder öffentliche Haushalte<br />
– sie alle sind auf Wachstum hin konstruiert. So wie Wirtschaft und Gesellschaft<br />
gegenwärtig verfasst sind, wirkt Null-Wachstum zerstörend.<br />
Eine länger anhaltende Schrumpfung wäre eine Katastrophe.<br />
Deshalb lautet immer wieder die Empfehlung: »Wir müssen mehr<br />
Wachstum generieren.« Wegen der kurzfristigen Effekte ist das verständlich.<br />
Konjunkturelle Aufschwünge stabilisieren die Beschäftigung,<br />
sorgen für steigende Steuereinnahmen und solidere Sozialkassen. All<br />
das sei unverzichtbar, heißt es, Wachstum also der Königsweg. Denn<br />
am Wachstum hängen Jobs, an Jobs hängen Einkommen. Einkommen<br />
aus abhängiger Beschäftigung machen aktuell rund zwei Drittel des insgesamt<br />
verfügbaren Einkommens aus. Für neun von zehn arbeitenden<br />
Menschen sind Löhne und Gehälter die einzige nennenswerte Einkommensquelle.<br />
Entsprechend heißt das Motto: »Arbeit sichern, Arbeit<br />
schaffen.«<br />
Nun sind Änderungen des Arbeitsmarkts, der Sozial- und Steuersysteme<br />
denkbar, die den Wachstumszwang mildern. Mehr Gleichheit<br />
– also kräftige Umverteilung von Arbeitszeiten, Einkommen und Vermögen<br />
– wäre dabei das handlungsleitende Prinzip. Selbst wenn das gelänge,<br />
bliebe immer noch ein unerbittlicher Wachstumstreiber. Denn<br />
eine Wirtschaft, in deren Zentrum die Kapitalverwertung steht, muss<br />
wachsen. Eine kapitalistisch verfasste Wirtschaft kann nicht stationär<br />
funktionieren. Sie muss wachsen, weil sie ohne Wachstum keinen Antrieb<br />
hat.<br />
Ihr Antrieb sind Profite, die es per saldo und dauerhaft nur dann gibt,<br />
wenn die Einnahmen der Unternehmen ihre Ausgaben überschreiten.<br />
Für die Gesamtheit der Unternehmen entsteht eine positive Differenz<br />
zwischen Umsätzen und Kosten auf Dauer nur in einer wachsenden<br />
Wirtschaft. Folglich lähmt und neutralisiert eine Wirtschaft, die nicht<br />
wächst, den Motor einer kapitalistisch verfassten Wirtschaftsordnung.