Rotes Grün
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– vom totalen Markt zu sektoraler Blüte<br />
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Was bisher nur Teil der politisch gesetzten Rahmenbedingungen war<br />
(Steuern, Subventionen, Grenzwerte, Verbote), muss in den Kern der Anreize<br />
eindringen und sie prägen. Die Wirtschaft braucht nicht nur einen<br />
grünen Rahmen, sondern auch eine innere Verfassung, die ökologisches<br />
Handeln ermöglicht und belohnt. Was und wie viel der Natur zu entnehmen<br />
ist, wie Ressourcen effizient und nutzbringend verteilt werden,<br />
welches Ausmaß und welche Struktur Produktion und Konsum haben<br />
sollen und haben dürfen, welche Infrastrukturen hinsichtlich Qualität<br />
und Größe die richtigen sind – all diese zentralen Momente der Ökonomie<br />
dürfen nicht länger einem Steuerungssystem überlassen bleiben,<br />
in dem das »Je mehr, desto besser« regiert.<br />
Diese Anforderung lässt sich locker aussprechen. Aber wie ist sie genauer<br />
zu fassen und zunächst gedanklich auf den Punkt zu bringen?<br />
Hier beginnt das große Rätsel, das eine mittlerweile weltweite Suchbewegung<br />
inspiriert. Diese Fahndung ist nicht auf notorische Wachstumskritiker,<br />
Radikal-Ökologen oder grüne Sozialisten beschränkt, sondern<br />
hat auch einen amtlichen Zweig, der sich um neue Wohlstandsmaße<br />
bemüht (Enquete-Kommission 2013).<br />
Ausgehend von dem breiten Konsens, dass der bisherige Leitindikator,<br />
das Bruttoinlandsprodukt, durch andere Kennziffern zu ergänzen<br />
und zu relativieren ist, wird in Parlamenten, in der EU und in der OECD<br />
über geeignete Maßzahlen für die sozialen und ökologischen Dimensionen<br />
der Gesellschaft debattiert.<br />
Die bisherigen Ergebnisse sind zwangsläufig ernüchternd, weil von<br />
Parteien und Bürokraten, für die das heutige Wirtschaftssystem das<br />
letzte Wort der Geschichte ist, nur einige zusätzliche Zahlen, aber keine<br />
Vorschläge für neue und anzustrebende Qualitäten künftiger Entwicklung<br />
zu erwarten sind.<br />
Im Zuge der internationalen »Indikatoren-Debatte« ist viel nützliches<br />
Wissen ans Tageslicht getreten. Aber die daraus gezogenen Schlussfolgerungen<br />
sind leere Worte und Mahnungen ohne Biss. Das »Je mehr,<br />
desto besser«, der expansive Modus, kann für traditionelles Denken<br />
schwerlich zum Gegenstand kritischen Bemühens werden, weil dieser<br />
Modus bisher Garant der Stabilität und Quelle der Legitimation war.<br />
Denn Kapitalismus kann nur im Vorwärtsgang funktionieren. Bleibt der<br />
Tiger stehen, frisst er uns auf – so die Lebensweisheit unter keynesianischen<br />
Ökonomen.