Der Demokratiebegriff in der Burschenschaft - Neue Deutsche ...

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27.12.2013 Aufrufe

en im Gedenken an die Paulskirchenversammlung zurückkehren. So waren es letzten Endes national begeisterte Studenten und Professoren (nicht die Regierungen!), die vor fast 200 Jahren mit dem Dreifarb Schwarz-Rot-Gold erstmalig ein bis heute gültiges Zeichen der Freiheit und der deutschen Einheit als Nationalsymbol, das seit der Wiedervereinigung 1990 auch für die neuen Bundesländer gilt, gesetzt hatten 7 , und das somit auch eine lange demokratische Tradition besitzt. Nachwirkungen des Wartburgfestes Einige der Wartburgfestteilnehmer waren auch zum Hambacher Schloss gekommen, vor allem aber viele Vertreter der Liberalen der späteren Paulskirchenversammlung, unter ihnen Johann Adam von Itzstein, Karl von Rotteck und Karl Theodor Welcker, die schon Ende 1831 ein neues badisches Pressegesetz konzipiert hatten, das im Widerspruch zu den Karlsbader Beschlüssen stand. Welcker stellte mit einer 150-seitigen Petition an die Bundesversammlung in Frankfurt die Pressefreiheit als Naturrecht dar und meinte dazu: „Das beste Preßgesetz ist gar keines“ 8 . Am Frankfurter Wachensturm vom 3. April 1833, einer sogenannten „Revolution vor der Revolution“, waren vor allem Burschenschafter aus Frankfurt und Heidelberg, aber auch aus anderen Universitätsstädten wie Würzburg, Freiburg und Giessen beteiligt. Zu ihnen gehörten spätere Paulskirchenabgeordnete wie Itzstein und der Marburger Professor und „Vater“ der Kurhessischen Verfassung Sylvester Jordan sowie vom Vorstand des Preß- und Vaterlandsvereins der Frankfurter Rechtsanwalt Gustav Peter Körner, später in den USA ein enger Freund und Berater Abraham Lincolns und Gegner der Sklaverei. Somit lassen sich auch Querverbindungen von der Burschenschaft zur Paulskirchenversammlung erkennen. Der Wachensturm war unter anderem – politisch gesehen – ein Plädoyer für freie Presse und freie Rede und letztendlich gegen den in Frankfurt tagenden Bundestag (der Fürsten) gerichtet. Das Deutschlandlied In die Zeit des Vormärz fällt auch die Entstehung des Deutschlandliedes, eines weiteren heute noch gültigen Nationalsymbols burschenschaftlichen Ursprungs. Als im Jahr 1841 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (Mitglied der Alten Göttinger Burschenschaft 1816 und der Alten Bonner Burschenschaft 1819) das Deutschlandlied auf der Insel Helgoland dichtete, war es die reine Liebe zum Vaterland, die sich in allen drei Strophen niederschlug, nicht aber politisches Kalkül. „Von der Maas bis an die Memel“ dieses in der ersten Strophe genannte Gebiet entsprach den damaligen Grenzen des Deutschen Bundes (1815-1866). Der Dichter sehnte, ganz im urburschenschaftlichen Sinn, einen geeinten deutschen Nationalstaat herbei. „Deutschland, Deutschland über alles“, für uns heute natürlich sehr befremdlich klingend, war für ihn damals keine Aufforderung zur Unterwerfung nichtdeutscher Ge- 7 Hattenhauer, Nationalsymbole (s. Anm. 6), S. 42-48. 8 Zit.: Hoede, Roland: Die Heppenheimer Versammlung vom 10. Oktober 1847, Frankfurt a. M. 1997, S. 18. - 6 -

iete, sondern ein patriotisches Bekenntnis zur Überwindung der als partikularistisch empfundenen Struktur des Deutschen Bundes. Erst in der Weimarer Republik wurde daraus eine Nationalhymne. In der NS-Zeit wurde sie jedoch instrumentalisiert, indem die erste Strophe im Marschtempo zusammen mit dem Horst-Wessel-Lied gesungen wurde. Nach dem Verbot des Deutschlandliedes durch die Besatzungsmächte wagte Konrad Adenauer einen Neubeginn, als er 1950 bei einem öffentlichen Anlass im Titania-Palast in Berlin plötzlich darum bat, die dritte Strophe dieses Liedes zu singen. Nach einem längeren Briefwechsel mit dem damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, der schon eine neue Hymne texten und komponieren ließ („Land des Glaubens, deutsches Land“), wurde das Deutschlandlied zu unserem heute wieder gültigen Nationalsymbol, wobei laut Bulletin der BRD vom 6. Mai 1952 offiziell nur die dritte Strophe gesungen wird 9 . In einem weiteren Briefwechsel von 1991 zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker wurde die dritte Strophe zur Nationalhymne des wiedervereinten Deutschland erklärt. Burschenschafter in der Paulskirche In der Frankfurter Nationalversammlung saßen außer ihrem Präsidenten Heinrich von Gagern (Jenaer und Heidelberger Burschenschaft) unter den insgesamt etwa 585 Abgeordneten 169 Burschenschafter neben anderen Korporierten, darunter 106 bis 115 Alte Corpsstudenten, die zum Teil auch als Burschenschafter geführt wurden. Zu den Verdiensten dieser Nationalversammlung gehört die Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 – nach Lothar Gall „die modernste Verfassung Europas, mit allgemeinem Wahlrecht, Judenemanzipation und Rechtsstaatlichkeit“ unter Betonung der Grundrechte. Sie wurde mit knapper Mehrheit angenommen und bestand aus 197 Paragraphen. Zu den dort enthaltenen Grundrechten in den §§ 130-183 (dazu sechs weitere §§) wurde schon seit 1848 viel Vorarbeit geleistet, nicht zuletzt durch das Vorparlament, dem auch der Wartburgfestteilnehmer Carové angehörte. Die Reichsgründung Nach der Gründung des Deutschen Reichs mit dem Zusammenschluss der deutschen Länder und Staaten im Jahr 1871 sahen die deutschen – anders als die österreichischen – Burschenschaften ihr lange ersehntes Ziel als erreicht an. Die Studentenverbindungen nahmen sich die Corps zum Vorbild und reduzierten ihr politisches Engagement. Sie konzentrierten sich eher auf die Regularien, auch auf Duelle, die nun zur Pflicht wurden, so auch bei der Burschenschaft. Aus der stets politisch besonders engagierten, aber revolutionären Bewegung wurde nun eine staatstragende Organisation. Der aufkommende Nationalismus zog einen zunehmenden Antisemitismus, seit 1873 einen nicht nur wirtschaftlich begründeten, sondern regelrechten völkischen bzw. Rassenantisemitismus nach sich, der besonders von dem 9 Hattenhauer, Nationalsymbole (s. Anm. 6), S. 62-91; Brunck, Helma: Schwarz-Rot-Gold. Nationalsymbole und der Gedanke der Urburschenschaft aus heutiger Sicht. In: Einst und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung e. V. (EuJ), Bd. 52 (2007), S. 335-355, hier S. 340-342. - 7 -

en im Gedenken an die Paulskirchenversammlung zurückkehren. So waren es letzten Endes<br />

national begeisterte Studenten und Professoren (nicht die Regierungen!), die vor fast 200<br />

Jahren mit dem Dreifarb Schwarz-Rot-Gold erstmalig e<strong>in</strong> bis heute gültiges Zeichen <strong>der</strong> Freiheit<br />

und <strong>der</strong> deutschen E<strong>in</strong>heit als Nationalsymbol, das seit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vere<strong>in</strong>igung 1990<br />

auch für die neuen Bundeslän<strong>der</strong> gilt, gesetzt hatten 7 , und das somit auch e<strong>in</strong>e lange demokratische<br />

Tradition besitzt.<br />

Nachwirkungen des Wartburgfestes<br />

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allem aber viele Vertreter <strong>der</strong> Liberalen <strong>der</strong> späteren Paulskirchenversammlung, unter ihnen<br />

Johann Adam von Itzste<strong>in</strong>, Karl von Rotteck und Karl Theodor Welcker, die schon Ende 1831<br />

e<strong>in</strong> neues badisches Pressegesetz konzipiert hatten, das im Wi<strong>der</strong>spruch zu den Karlsba<strong>der</strong><br />

Beschlüssen stand. Welcker stellte mit e<strong>in</strong>er 150-seitigen Petition an die Bundesversammlung<br />

<strong>in</strong> Frankfurt die Pressefreiheit als Naturrecht dar und me<strong>in</strong>te dazu: „Das beste Preßgesetz<br />

ist gar ke<strong>in</strong>es“ 8 .<br />

Am Frankfurter Wachensturm vom 3. April 1833, e<strong>in</strong>er sogenannten „Revolution vor <strong>der</strong><br />

Revolution“, waren vor allem <strong>Burschenschaft</strong>er aus Frankfurt und Heidelberg, aber auch aus<br />

an<strong>der</strong>en Universitätsstädten wie Würzburg, Freiburg und Giessen beteiligt. Zu ihnen gehörten<br />

spätere Paulskirchenabgeordnete wie Itzste<strong>in</strong> und <strong>der</strong> Marburger Professor und „Vater“<br />

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Wachensturm war unter an<strong>der</strong>em – politisch gesehen – e<strong>in</strong> Plädoyer für freie Presse und<br />

freie Rede und letztendlich gegen den <strong>in</strong> Frankfurt tagenden Bundestag (<strong>der</strong> Fürsten) gerichtet.<br />

Das Deutschlandlied<br />

In die Zeit des Vormärz fällt auch die Entstehung des Deutschlandliedes, e<strong>in</strong>es weiteren heute<br />

noch gültigen Nationalsymbols burschenschaftlichen Ursprungs. Als im Jahr 1841 August<br />

He<strong>in</strong>rich Hoffmann von Fallersleben (Mitglied <strong>der</strong> Alten Gött<strong>in</strong>ger <strong>Burschenschaft</strong> 1816 und<br />

<strong>der</strong> Alten Bonner <strong>Burschenschaft</strong> 1819) das Deutschlandlied auf <strong>der</strong> Insel Helgoland dichtete,<br />

war es die re<strong>in</strong>e Liebe zum Vaterland, die sich <strong>in</strong> allen drei Strophen nie<strong>der</strong>schlug, nicht<br />

aber politisches Kalkül. „Von <strong>der</strong> Maas bis an die Memel“ dieses <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Strophe genannte<br />

Gebiet entsprach den damaligen Grenzen des <strong>Deutsche</strong>n Bundes (1815-1866). <strong>Der</strong><br />

Dichter sehnte, ganz im urburschenschaftlichen S<strong>in</strong>n, e<strong>in</strong>en gee<strong>in</strong>ten deutschen Nationalstaat<br />

herbei. „Deutschland, Deutschland über alles“, für uns heute natürlich sehr befremdlich<br />

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7 Hattenhauer, Nationalsymbole (s. Anm. 6), S. 42-48.<br />

8 Zit.: Hoede, Roland: Die Heppenheimer Versammlung vom 10. Oktober 1847, Frankfurt a. M. 1997, S. 18.<br />

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