Der Demokratiebegriff in der Burschenschaft - Neue Deutsche ...

Weitere Magazine

Empfehlungen

Info

Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller beherbergende Gasthaus „Grüne Tanne“. Die Burschenschafter waren beeinflusst durch die Spätfolgen der Französischen Revolution und die daraus resultierende Rechts- und Verfassungsentwicklung, forderten die nationale Einheit Deutschlands, die Beseitigung von Partikularismus und Selbstherrlichkeit der Souveräne, die Partizipation des Volkes und die sogenannte „Preßfreiheit“. Das waren alles Optionen, die später in den Jahren 1848/49 in den Mittelpunkt rückten. Das Wartburgfest von 1817 1817 jährte sich zum 300. Mal das Reformationsfest, was die Jenaischen Studenten dazu veranlasste, die Wartburg zum Schauplatz des ersten deutschen Nationalfestes zu wählen. Der eigentliche Grund war jedoch der vierte Jahrestag der Leipziger Völkerschlacht, daher die Festlegung auf den 18./19. Oktober 1817. Insgesamt etwa 500 von damals insgesamt 8.500 an deutschen Hochschulen immatrikulierten Studenten nahmen daran teil, die aus ganz Deutschland angereist waren. Das Einladungsschreiben hatte gewisse Einschränkungen verlauten lassen, denn es richtete sich an die protestantischen deutschen Hochschulen. Die katholischen Universitäten sowie Wien und Graz waren nicht eingeladen. Zu den Hauptakteuren und wichtigsten Festrednern gehörten Heinrich Hermann Riemann (1793-1872), vormals Teilnehmer an den Befreiungskriegen und Ritter des Eisernen Kreuzes, der Philosophie- und Theologiestudent Ludwig Rödiger sowie Wilhelm Carové (1789-1852), der später auch im Vorparlament von 1848 saß und somit weitreichenden Einfluss hatte, da er seine Erfahrungen vom Wartburgfest in die Paulskirchenversammlung mitnahm 2 . Während des Festes wurde allmählich deutlich, dass hier – entgegen dem ursprünglichen Sinn – politisch doch etwas bewegt werden sollte. Das kam schon in Reden zum Thema „Vaterland“ zum Ausdruck, mehr aber noch während einer spektakulären Bücherverbrennung von etwa 25-30 Werken, d. h. von Makulaturbänden mit angeblich „undeutschem“ Inhalt, darunter jener, in denen das Ancien régime sowie der Wiener Kongress verherrlicht wurden. Den Flammen zum Opfer fiel auch der Code Napoléon als Symbol französischer Vorherrschaft. Die Grundsätze und Beschlüsse des Wartburgfestes Der Wunsch nach Einheit und Freiheit Deutschlands stand im Mittelpunkt. Bedeutsam waren aber auch die Resultate dieses Festes: die Gründung der „Allgemeinen Deutschen Burschenschaft“ am 19. Oktober 1818 in Jena sowie die „Grundsätze und Beschlüsse des achtzehnten Oktobers, gemeinsam beraten, reiflich erwogen, einmütig bekannt und den studierenden Brüdern auf anderen Hochschulen zur Annahme, dem gesamten Vaterlande aber zur Würdigung vorgelegt von den Studierenden zu Jena“. Als Riemann gemeinsam mit Karl Müller auf 2 Ries, Klaus: Wort und Tat. Das politische Professorentum der Universität Jena im frühen 19. Jahrhundert (Pallas Athene. Beiträge zur Universitäts-und Wissenschaftsgeschichte, 20), Stuttgart 2007, S. 332-373; ders.: Burschenturner, politische Professoren und die Entstehung einer neuen Öffentlichkeit, in: Helma Brunck/Harald Lönnecker/Klaus Oldenhage (Hg.): „…ein großes Ganzes…, wenn auch verschieden in seinen Teilen“. Beiträge zur Geschichte der Burschenschaft. Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert (DuQ), Bd. 19, Heidelberg 2012, S. 1-123, hier S. 71-123, zur Rede- und Meinungsfreiheit: S. 114 f. - 2 -
Anregung des Jenaer Historikers Luden diese „Grundsätze und Beschlüsse“ 1817 als politische Programmatik dieses Wartburgfestes verfasste, begann ein Meilenstein innerhalb der Geschichte der Grundrechte. Die „Grundsätze und Beschlüsse“ von 1817 wurden offiziell nie verabschiedet, galten aber damals schon mehr als ein bloß studentisches Programm. Es war das erste geschlossene Programm des deutschen Liberalismus und ein wichtiger Anstoß zum deutschen Verfassungsstaat 3 . Wesentliche Bestandteile sind nämlich neben den Forderungen nach deutscher Einheit Menschen- und Bürgerrechte sowie soziale und gewerbliche Anliegen, wie zum Beispiel die Bauernbefreiung und die Forderungen nach wirtschaftlicher Freizügigkeit und Gewerbefreiheit. „Wir wollen uns der untersten Klassen der Gesellschaft umso lebendiger annehmen, je tiefer sie im Elend sind“ 4 . Dieser Aufruf aus den „Grundsätzen und Beschlüssen“ verdeutlicht die soziale Seite des Programms. Es waren Impulse, die später die Frankfurter Reichsverfassung von 1848/49 prägten. Hier ist bereits ein Votum für bürgerliche Freiheit, Vorurteilslosigkeit und Anerkennung der wahren Menschenwürde erkennbar. Das waren die zentralen Leitgedanken dieses Festes. Deutlich geht aus den „Grundsätzen und Beschlüssen“ aber auch die klare Absage an Wien und Metternichs Politik hervor. Stattdessen wurden Forderungen nach politischer und wirtschaftlicher Einheit Deutschlands laut. So heißt es im „Grundsatz“ Nr. 1 (K. I), der wie eine Präambel zu verstehen ist: „Ein Deutschland ist, und ein Deutschland soll sein und bleiben. Je mehr die Deutschen durch verschiedene Staaten getrennt sind, desto heiliger ist die Pflicht für jeden frommen und edlen deutschen Mann und Jüngling, dahin zu streben, daß die Einheit nicht verloren gehe und das Vaterland nicht verschwinde.“ Die nicht verabschiedeten, aber als Druck überlieferten „Grundsätze und Beschlüsse“ enthielten in ihren Formulierungen bereits Bestandteile, die – zum Teil fast wortgetreu – in weitere deutsche Verfassungen Eingang fanden und dort fortentwickelt wurden. Sie bildeten eine Ausgangsbasis für die Nassauische Verfassung von 1814, die Hessen-darmstädtische Verfassung von 1820, die kurhessische Verfassung von 1831, die Frankfurter Reichsverfassung von 1849, die Weimarer Verfassung von 1919 und das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949. So wird in den „Grundsätzen und Beschlüssen“ schon die Glaubens- und Religionsfreiheit angesprochen („Grundsatz“ Nr. 6), die Gleichheit vor dem Gesetz und die Freiheit in den Grundsätzen Nr. 7 und in Nr. 19, die Freizügigkeit in Nr. 11, das Eigentumsrecht in Nr. 20, das Freiheitsrecht im Sinne des heutigen Artikels 2 GG in den „Grundsätzen“ Nr. 28 und 29, die Meinungs- und Pressefreiheit im „Grundsatz“ Nr. 31. Aber auch allgemeine rechtliche und politische Forderungen lagen dem Wartburgprogramm zugrunde. Neben dem bereits zitierten Grundsatz Nr. 1, woraus ja ganz deutlich die Vorstellung von der Zukunft Deutschlands hervorgeht, werden im „Grundsatz“ 32 (K 14) die Öffentlichkeit der Rechtspflege und der Schwurgerichtsbarkeit 3 Kühne, Jörg-Detlef: Verfassungspolitik 1848/49 – Impulse und Lehren. Festvortrag vom 4. Oktober 1998 auf der Feier der Akademikerverbände zur 150. Wiederkehr der ersten deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche, Manuskript, S. 4. 4 Abdruck der „Grundsätze und Beschlüsse des achtzehnten Oktobers“ in: Hans Ehrentreich, Heinrich Luden und sein Einfluß auf die Burschenschaft, in: Quellen und Darstellungen, Bd. 4, 2. Aufl. 1966, Anhang S. 113-129, hier Beschluss, Nr. 11. Vgl. Brunck, Helma: Von der Wartburgfeier über die Paulskirche zum Grundgesetz – Ein Rechtsvergleich mit Beispielen, in: BBl I/99, 114. Jg., S. 9-14. - 3 -
Seite 1: Der Demokratiebegriff in der Bursch
Seite 5 und 6: Ludwig Jahn) angeblich übernahm, u
Seite 7 und 8: iete, sondern ein patriotisches Bek
Seite 9 und 10: se, die Jahrgänge 53 bis 64 (1938-
Seite 11 und 12: mungen wurde nicht vorbehaltlos akz
Seite 13 und 14: Wiedergründung nach dem Zweiten We
Seite 15 und 16: Austrittswelle aus der DB In den le
Seite 17: tag, dem 24. Mai 2013 während des

Der Demokratiebegriff in der Burschenschaft - Neue Deutsche ...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

Template löschen?

Als Template speichern?