Erklärung von Hans-Joachim Eckert zur Untersuchung ... - FIFA.com
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29.04.2013<br />
<strong>Erklärung</strong> des Vorsitzenden der rechtsprechenden Kammer der <strong>FIFA</strong>, <strong>Hans</strong>-<strong>Joachim</strong><br />
<strong>Eckert</strong>, <strong>zur</strong> <strong>Untersuchung</strong> des ISL-Falls<br />
Als Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer der <strong>FIFA</strong>-Ethikkommission habe ich<br />
den mir vorgelegten Bericht in Sachen ISL vom 18. März 2013 eingehend geprüft. Im Juli<br />
hat das <strong>FIFA</strong>-Exekutivkomitee den neu gewählten Vorsitzenden der<br />
<strong>Untersuchung</strong>skammer der Ethikkommission, Michael J. Garcia, beauftragt, den<br />
„ISL-Fall“ zu untersuchen. Grund für diesen Antrag war die Einstellungsverfügung der<br />
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug vom 11. Mai 2010 nach den <strong>Untersuchung</strong>en gegen<br />
die <strong>FIFA</strong>, Ricardo Terra Teixeira und Jean-Marie Faustin Havelange wegen Untreue.<br />
Die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2010 wurde durch eine Entscheidung des<br />
Schweizer Bundesgerichts vom 11. Juli 2012 öffentlich. In einem Schreiben zum<br />
Überweisungsbeschluss des Exekutivkomitees stand, „dass der ISL-Fall aus rechtlicher<br />
Sicht zwar abgeschlossen ist“, Michael J. Garcia aber damit beauftragt wird, „die<br />
Einstellungsverfügung aus moralischer und ethischer Sicht zu prüfen“.<br />
Meine <strong>Untersuchung</strong> bezieht sich auf das Material <strong>zur</strong> Einstellungsverfügung und den<br />
<strong>Untersuchung</strong>sbericht <strong>von</strong> Michael J. Garcia („<strong>Untersuchung</strong>sbericht“) sowie die<br />
beiliegenden Unterlagen, die weiter unten vollständig aufgeführt werden. Wie im<br />
<strong>Untersuchung</strong>sbericht dargelegt, regelt das <strong>FIFA</strong>-Ethikreglement die Zuständigkeit und<br />
Befugnisse der Ethikkommission. Die jetzt gültigen Ethikregeln (das<br />
<strong>FIFA</strong>-Ethikreglement) stammen <strong>von</strong> Juli 2012. Das erste <strong>FIFA</strong>-Ethikreglement wurde<br />
am 6. Oktober 2004 erlassen. Zuvor gab es keine Ethikregeln. Das Ethikreglement wurde<br />
2006 und 2009 überarbeitet.<br />
Das Ethikreglement gilt für das Verhalten <strong>von</strong> Fussballoffiziellen. Gemäss Art. 3 kann<br />
früheres Verhalten, das gegen das jetzige Ethikreglement verstösst, nur bestraft werden,<br />
wenn es gegen ein <strong>zur</strong> Tatzeit geltendes Ethikreglement verstossen hat. Gemäss Art. 3<br />
steht es der Ethikkommission ungeachtet da<strong>von</strong>, ob Sanktionen verhängt werden<br />
können, jedoch frei, das betreffende Verhalten zu beurteilen und angemessene<br />
Schlussfolgerungen zu ziehen. Aus der jetzt geltenden Präambel des Ethikreglements der<br />
<strong>FIFA</strong> ergibt sich unter anderem, dass die <strong>FIFA</strong> bestrebt ist, innerhalb des Vereins alle<br />
illegalen, unmoralischen oder unethischen Machenschaften zu unterbinden.<br />
Ich habe in Übereinstimmung mit dem <strong>Untersuchung</strong>sbericht folgende Feststellungen<br />
getroffen:<br />
Bei der <strong>FIFA</strong> handelt es sich um einen im Handelsregister des Kantons Zürich<br />
eingetragenen Verein gemäss Art. 60 ff. ZGB mit Sitz in Zürich. Die Vereinsstatuten<br />
wurden mehrfach ergänzt und/oder abgeändert. Auf die geltenden Vereinsstatuten wird<br />
Bezug genommen. Wesentlich erscheint, dass der Kongress als das oberste und<br />
gesetzgebende Organ, das Exekutivkomitee als das ausführende und das<br />
Generalsekretariat als das administrative Organ agieren. Der Präsident vertritt den<br />
Verein und ist für die Umsetzung der Entscheidungen verantwortlich.
2<br />
Der <strong>Untersuchung</strong>sbericht umfasst ca. 30 Seiten. Die im Rahmen der <strong>Untersuchung</strong>en<br />
beigezogenen Dokumente einschliesslich der Niederschriften <strong>von</strong> Zeugenaussagen<br />
beinhalten ca. 4200 Seiten. Der <strong>Untersuchung</strong>sbericht wurde am 18. März 2013 an den<br />
Vorsitzenden der rechtsprechenden Kammer überwiesen. Die sonstigen Unterlagen (ca.<br />
4200 Seiten) standen ihm ab dem 20. März 2013 <strong>zur</strong> Verfügung.<br />
Während der <strong>Untersuchung</strong> wurden eine Vielzahl <strong>von</strong> Zeugen, im Verfahren agierende<br />
Anwälte und Mitarbeiter der <strong>FIFA</strong> vernommen und Dokumente unterschiedlichster Art<br />
beigezogen. Unter anderem wurde auch <strong>FIFA</strong>-Präsident Joseph S. Blatter und das<br />
amtierende <strong>FIFA</strong>-Exekutivkomiteemitglied Nicolás Leoz <strong>von</strong> Michael J. Garcia<br />
angehört.<br />
I)<br />
Vorbemerkung:<br />
Hinsichtlich des gesamten Sachverhalts kann auf die Ausführungen in der<br />
Einstellungsverfügung Bezug genommen werden. Unter Berücksichtigung dieser<br />
Ermittlungen und der <strong>Untersuchung</strong>en <strong>von</strong> Michael J. Garcia habe ich keinen Zweifel an<br />
den dort getroffenen objektiven Feststellungen hinsichtlich der beteiligten Firmen und<br />
Personen und an den festgestellten Verträgen und Geldflüssen, soweit diese ermittelt<br />
werden konnten.<br />
Zum Verständnis des sog. ISL-Falles erscheint es notwendig, zumindest die Geldflüsse<br />
und deren Verwendungszweck in groben Zügen darzustellen, auf der Grundlage nicht<br />
nur des <strong>Untersuchung</strong>sberichts, sondern auch der Einstellungsverfügung.<br />
Fest steht, dass die ISMM/ISL Ende 2000 zu den bedeutendsten Medien- und<br />
Marketingunternehmen auf dem Gebiet des Sports gehörte und damit aus der Sicht der<br />
<strong>FIFA</strong> bei der Vermarktung <strong>von</strong> Rechten im Medienbereich auch ein geeigneter<br />
Geschäftspartner zu sein schien. Die ISMM AG agierte als Dachgesellschaft. Eine ganze<br />
Reihe ihrer Tochterunternehmen wickelte weltweit mittels selbständiger Medien-,<br />
Marketing- und Dienstleistungsgesellschaften unterschiedliche Aktivitäten im Bereich<br />
des Sports ab. Die Gruppe erwarb <strong>von</strong> internationalen Sportverbänden<br />
Veranstaltungsrechte mit Generallizenz oder auf Agenturbasis („rights-in“), entwickelte<br />
integrierte Sportmarketingkonzepte und „verkaufte“ diese an Sponsoren, Fernsehsender<br />
oder Lizenznehmer („rights-out“).<br />
Die <strong>FIFA</strong> schloss <strong>von</strong> Dezember 1997 bis Juli 2000 mit ISL und verschiedenen<br />
ISL-Tochtergesellschaften eine Reihe <strong>von</strong> Verträgen ab, mit denen Lizenzen und<br />
Übertragungsrechte übertragen wurden.<br />
Dabei wurden dreistellige Millionenbeträge in CHF und USD als Entschädigung für die<br />
<strong>FIFA</strong> vereinbart. Neben anderen Personen waren der jetzige Präsident Blatter und<br />
weitere ehemalige <strong>FIFA</strong>-Offizielle für die <strong>FIFA</strong> zeichnungsberechtigt. ISL nutzte für die<br />
Zahlung der Provisionen eine Reihe <strong>von</strong> Tochtergesellschaften und Stiftungen. Es<br />
scheint, dass ISL in den späten 1990er-Jahren eine Stiftung nach liechtensteinischem
3<br />
Recht errichtet hat. Weitere mutmassliche ISL-Tochtergesellschaften überwiesen Gelder<br />
an die Stiftung, die diese an bestimmte „Begünstigte“ verteilte.<br />
Diese Gelder sollten im Wesentlichen für den Rechteerwerb verwendet werden. Die<br />
Gelder sollten dabei als Provisionen, Honorare, Finders-Fees oder zusätzliche<br />
Akquisitionszahlungen dienen bzw. als „Zuwendungen an Persönlichkeiten und<br />
Entscheidungsträger des Weltsports und u. a. auch zum Neuerwerb bzw. der<br />
Verlängerung <strong>von</strong> weltweiten Vermarktungsrechten“.<br />
Anmerkung:<br />
Aus meiner Sicht wurden damit seitens der ISL-Gruppe bereits vor bzw. gleichzeitig zu<br />
den ersten vertraglichen Vereinbarungen zwischen der <strong>FIFA</strong> und der ISL-Gruppe<br />
Vorbereitungen getroffen, um die zu erwartenden Zahlungen und die Geldflüsse zu<br />
verschleiern und damit unberechtigte Zahlungen, d. h. Zahlungen ohne echten<br />
Rechtsgrund über ein Geflecht <strong>von</strong> Firmen und Bankkonten leiten zu können. Dabei<br />
muss berücksichtigt werden, dass als Minimalentgelt zwischen der <strong>FIFA</strong> und der ISMM<br />
für den Zuschlag der Verwertungsrechte der Fussball-Weltmeisterschaft 2002 CHF 650<br />
Mio. und für die Fussball-Weltmeisterschaft 2006 CHF 750 Mio. <strong>von</strong> der ISMM an die<br />
<strong>FIFA</strong> gezahlt werden sollten.<br />
Aus den Unterlagen ergibt sich, dass die <strong>FIFA</strong> bei Vertragsschluss mit der ISMM<br />
AG/ISL vereinbart hatte, sämtliche Einnahmen, die bei der Verwertung <strong>von</strong> Radio- und<br />
Fernsehübertragungsrechten anfielen, auf ein sog. Special-Account bei der Bank<br />
Nationale de Paris (BNP) in Basel einzuzahlen. Meiner Ansicht nach sind dies übliche<br />
und angemessene Gepflogenheiten unter Kaufleuten <strong>zur</strong> Kontrolle <strong>von</strong> Geldflüssen,<br />
insbesondere zumal die <strong>FIFA</strong> ausbedungen hatte, dass ihr die BNP <strong>von</strong> allen<br />
Transaktionsbelegen eine Kopie zustellen sollte.<br />
Anmerkung:<br />
Aus den seitens der Schweizer <strong>Untersuchung</strong>sbehörden festgestellten objektiven<br />
Vorgängen begannen kriminelle Strukturen innerhalb der ISMM/ISL-Gruppe, die<br />
ursprüngliche klare Vereinbarung mit der <strong>FIFA</strong> zu unterlaufen. Das Verhalten der<br />
Verantwortlichen der ISMM/ISL und der übrigen Zweigstellen und<br />
Tochtergesellschaften ist ein typisches Beispiel für eine kreative Vermischung legaler, d.<br />
h. vertraglich zulässiger Tätigkeit mit bewusst betrügerischem bzw. untreuem Verhalten.<br />
Von den Geldern, die über die ISMM-ISL-Gruppe flossen, ist sicher, dass nicht<br />
unerhebliche Beträge an den ehemaligen Präsidenten der <strong>FIFA</strong> Havelange, dessen<br />
Schwiegersohn Ricardo Teixeira und Dr. Nicolás Leoz flossen, ohne dass erkennbar ist,<br />
dass sie in irgendeiner Form eine Gegenleistung erbracht haben. Diese Zahlungen<br />
erfolgten offenbar auch über Scheinfirmen, um den wahren Empfänger zu verschleiern,<br />
und sind als Kommissionen, heute „Schmiergelder“, zu qualifizieren.<br />
Bekannte Zahlungen in diesem Zusammenhang erfolgten zwischen 1992 und Mai 2000.<br />
Aus einem Rechtsgutachten, das Michael J. Garcia bei einem unabhängigen Schweizer<br />
Anwalt eingeholt hat, geht hervor, dass die Annahme <strong>von</strong> Bestechungsgeldern durch<br />
Havelange, Teixeira und Leoz zum damaligen Zeitpunkt nach Schweizer Strafrecht nicht<br />
strafbar war. Ich komme ebenfalls <strong>zur</strong> dieser Feststellung.
4<br />
Jedoch steht auch fest, dass Havelange und Teixeira als Fussballoffizielle kein<br />
Schmiergeld hätten annehmen dürfen und dies an die <strong>FIFA</strong> hätten <strong>zur</strong>ückzahlen müssen,<br />
da die Gelder in Zusammenhang mit der Verwertung <strong>von</strong> Medienrechten standen.<br />
Dies ändert nichts an einer moralisch und ethisch verwerflichen Handlungsweise der<br />
beiden Personen.<br />
Ich teile die rechtliche Einschätzung <strong>von</strong> Michael J. Garcia, dass das Ethikreglement für<br />
deren Verhalten nicht gilt. Wie bereits erwähnt, verfügte die <strong>FIFA</strong> erst ab 2004 über ein<br />
Ethikreglement. Die bekannten Zahlungen <strong>von</strong> ISL an Havelange und Teixeira reichten<br />
bis 2000. Weder Havelange noch Teixeira hatten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des<br />
neuen Ethikreglements bei der <strong>FIFA</strong> ein offizielles Amt inne. Teixeira trat im März 2012<br />
<strong>von</strong> allen Fussballämtern <strong>zur</strong>ück, während Havelange seit längerer Zeit nur noch ein<br />
Ehrenamt innehatte, das ihn gemäss Ethikreglement nicht als „Offiziellen“ qualifizierte.<br />
Havelange gab zudem sein Amt als Ehrenpräsident am 18. April 2013 ab.<br />
Dr. Nicolás Leoz behauptete, dass er alles Geld, das er <strong>von</strong> ISL erhalten habe, einem<br />
Schulprojekt gespendet habe, allerdings erst im Januar 2008 – acht Jahre nach Erhalt. In<br />
jedem Fall war Dr. Nicolás Leoz bei einer Sitzung des <strong>FIFA</strong>-Exekutivkomitees im<br />
Dezember 2010 und bei der Befragung durch Michael J. Garcia bei dessen Ermittlungen<br />
nicht vollkommen ehrlich. In einem Schreiben vom 24. April 2013 teilte Dr. Nicolás Leoz<br />
der <strong>FIFA</strong> seinen Rücktritt aus dem <strong>FIFA</strong>-Exekutivkomitee und den massgebenden<br />
ständigen Kommissionen und als CONMEBOL-Präsident mit.<br />
II)<br />
Ein wesentlicher Punkt der <strong>Untersuchung</strong> durch Michael J. Garcia war letztlich das<br />
Verhalten der <strong>FIFA</strong> respektive <strong>von</strong> Präsident Blatter in der Folgezeit nach<br />
Bekanntwerden der Vorgänge um ISL.<br />
Am 21. Mai 2001 gingen die ISMM und die ISL in Konkurs.<br />
Chronologisch gesehen haben die Verantwortlichen der <strong>FIFA</strong> auf den Konkurs der ISL<br />
und den damit drohenden oder eingetretenen Verlust der <strong>FIFA</strong> zustehender Gelder aus<br />
der Vermarktung <strong>von</strong> Medienrechten aus meiner Sicht unverzüglich und auch richtig<br />
gehandelt.<br />
Wie in der Einstellungsverfügung festgestellt, wurde bereits am 29. Mai 2001 aufgrund<br />
einer Strafanzeige der <strong>FIFA</strong> vom 28. Mai 2001 gegen namentlich benannte Personen als<br />
Verantwortliche des ISL-Managements und gegen Unbekannt ein<br />
<strong>Untersuchung</strong>sverfahren eingeleitet, das seitens der Ermittlungsbehörden in der Schweiz<br />
am 18. März 2005 abgeschlossen wurde. Das <strong>Untersuchung</strong>srichteramt Zug eröffnete am<br />
8. August 2005 eine Strafuntersuchung gegen Unbekannt wegen ungetreuer<br />
Geschäftsbesorgung zum Nachteil der <strong>FIFA</strong>. Diese Verfahrenseröffnung beruhte auf<br />
Erkenntnissen aus dem oben genannten Verfahren.
5<br />
Gemäss Einstellungsverfügung haben sich keine Hinweise ergeben, dass Präsident<br />
Blatter Provisionszahlungen <strong>von</strong> ISL, ihrem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden<br />
Jean-Marie Weber oder <strong>von</strong> anderen erhalten hat.<br />
Es gibt ebenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Präsident Blatter für einen<br />
Geldfluss an Havelange, Teixeira oder Leoz verantwortlich war, noch dass er selbst<br />
irgendwelche Zahlungen <strong>von</strong> der ISL-Gruppe, auch in der Form <strong>von</strong> versteckten<br />
Kickbackzahlungen, erhalten hat.<br />
Kritisch hinterfragt werden muss jedoch, ob Präsident Blatter in den Jahren vor dem<br />
Konkurs der ISL wusste oder hätte wissen müssen, dass die ISL an andere <strong>FIFA</strong>-Offizielle<br />
Zahlungen (Schmiergeld) getätigt hat.<br />
Die <strong>FIFA</strong> selbst hat während der <strong>Untersuchung</strong> <strong>von</strong> Michael J. Garcia eine<br />
UBS-Bankaufzeichnung vorgelegt, aus der sich ergab, dass am 3. März 1997 auf ein<br />
Konto der <strong>FIFA</strong> <strong>von</strong> ISL kommend ein Betrag <strong>von</strong> CHF 1,5 Mio. überwiesen wurde, mit<br />
einem Hinweis, dass sich die Zahlung auf eine Garantie für João Havelange beziehe. Laut<br />
der Zahlungsmitteilung war der Empfänger Havelange c/o <strong>FIFA</strong>. Erwiesen ist, dass der<br />
damalige Hauptbuchhalter der <strong>FIFA</strong> diesen Vorgang dem damaligen Generalsekretär<br />
Blatter <strong>zur</strong> Kenntnis brachte und dieser die Rücküberweisung an ISL veranlasste.<br />
Präsident Blatter gab in der Einvernahme durch Michael J. Garcia an, dass „er nicht<br />
verstanden habe, dass jemand Geld an die <strong>FIFA</strong> für eine andere Person schickt, er habe<br />
aber nicht den Verdacht gehabt, dass die Zahlung eine Provision gewesen sei“.<br />
Auch hier gilt, dass das Verhalten <strong>von</strong> Präsident Blatter unter keinerlei Fehlverhalten<br />
<strong>von</strong> Ethikregeln fallen konnte.<br />
Das Verhalten <strong>von</strong> Präsident Blatter mag ungeschickt gewesen sein, da sich intern ein<br />
Aufklärungsbedarf aufdrängte, zu einem strafrechtlichen oder ethischen Fehlverhalten<br />
führt dies nicht.<br />
Anmerkung:<br />
In diesem Zusammenhang sollte hinsichtlich der Weigerung bestimmter ehemaliger<br />
Mitarbeiter, Angaben gegenüber Michael Garcia zu machen, ein Passus in die<br />
Anstellungsverträge der <strong>FIFA</strong> aufgenommen werden, dass auch nach Ausscheiden aus<br />
dem Arbeitsverhältnis eine Mitwirkungspflicht gegenüber der <strong>Untersuchung</strong>skammer<br />
besteht. Alle Kündigungsverträge sollten einen solchen Passus und bei Verstössen Strafen<br />
vorsehen.
6<br />
III)<br />
Vergleich 2004<br />
1)<br />
Die Einstellungsverfügung beruhte auf der Eröffnung einer <strong>Untersuchung</strong> im August<br />
2005 durch die <strong>Untersuchung</strong>sbehörden in Zug.<br />
Gegenstand der <strong>Untersuchung</strong> war u. a. die Zahlung <strong>von</strong> CHF 2,5 Mio. an die<br />
Konkursverwaltung der ISL im März 2004 und die damit verbundenen sonstigen<br />
Vereinbarungen. Im Jahr 2003 begannen die Konkursverwalter der ISL mit einer<br />
„Rückholaktion“ bei einer Reihe <strong>von</strong> Firmen, die die „Kommissionen“ ermöglicht hatten,<br />
aber auch bei Aktionären der ISL. Einer der Beschuldigten in diesem Zusammenhang<br />
war Jean-Marie Weber, ehemaliger Vorstandsvorsitzender <strong>von</strong> ISL.<br />
Im Zuge seiner <strong>Untersuchung</strong>en hat Michael J. Garcia eine Stellungnahme eines<br />
unabhängigen Schweizer Rechtsanwalts <strong>zur</strong> Frage eingeholt,<br />
ob die <strong>FIFA</strong>-Offiziellen, die Provisionen erhalten hatten, verpflichtet gewesen<br />
waren, diese Gelder an die <strong>FIFA</strong> <strong>zur</strong>ückzuzahlen;<br />
ob die <strong>FIFA</strong> verpflichtet war, solche Rückzahlungen zu verlangen.<br />
Aus der Stellungnahme des unabhängigen Schweizer Rechtsanwalts ergibt sich, dass die<br />
<strong>FIFA</strong>-Offiziellen verpflichtet gewesen waren oder wären, die zu Unrecht erhaltenen<br />
Provisionen <strong>zur</strong>ückzuzahlen (Anmerkung des Verfassers: Rechtsgrund der<br />
ungerechtfertigten Bereicherung aufgrund einer besonderen Vertrauensstellung).<br />
Mangels klarer gesetzlicher Vorgaben bestand jedoch keine rechtliche Verpflichtung der<br />
<strong>FIFA</strong> dazu; die Entscheidung, eine Rückzahlung zu verlangen oder nicht, fällt in den<br />
unternehmerischen Abwägungsbereich der <strong>FIFA</strong>.<br />
2)<br />
Der Konkursverwalter für die ISMM AG und die ISL Worldwide versuchte ab 2003 die<br />
gerichtliche Geltendmachung bzw. Durchsetzung <strong>von</strong> Rückzahlungsansprüchen<br />
gegenüber solchen Firmen/Personen oder Anteilseignern, die in die Provisionszahlungen<br />
involviert waren. Dabei ging der Konkursverwalter gegen die Liechtensteiner Stiftung,<br />
eine Firma, die Gelder an die Stiftung überwiesen hatte, sowie die Aktionäre der ISMM<br />
AG vor. Gegenstand der Klage war die Überweisung <strong>von</strong> Geldern im Mai 1999 <strong>von</strong> einer<br />
ISL-Tochtergesellschaft, wie oben allgemein beschrieben.<br />
Einer der Beschuldigten in diesem Zusammenhang war Jean-Marie Weber.<br />
Nach einer Unzahl schriftlicher Entwürfe für einen möglichen Vergleich kam es am 27.<br />
Februar 2004 zu einem Vergleich zwischen dem Konkursverwalter und Weber, in dem<br />
sich Weber verpflichtete, CHF 2,5 Mio. an die Konkursmasse zu zahlen.
7<br />
Teil des Vergleichs war eine Vereinbarung, dass „die direkten und endgültigen<br />
Empfänger der streitgegenständlichen Bezahlung, letztere dahingehend, dass sie mit dem<br />
Fussballgeschäft direkt oder indirekt verbunden sind, keinen weiteren Klagen auf<br />
Rückzahlung ausgesetzt werden“.<br />
Die fragliche Summe <strong>von</strong> CHF 2,5 Mio. wurde am 17. April 2004 <strong>von</strong> Teixeira und<br />
Havelange auf ein Konto eines Schweizer Rechtsanwalts überwiesen, der es seinerseits<br />
auf das Konkurskonto der ISL überwies.<br />
Bei einer vernünftigen Betrachtungsweise erscheint es naheliegend, dass die damalige<br />
Spitze der <strong>FIFA</strong> in diese Vergleichsverhandlungen eingebunden war. Dies umso mehr, als<br />
damit letztlich eine Art Schlussstrich unter die Verfehlungen <strong>von</strong> Teixeira, Havelange<br />
und allen Fussballoffiziellen gezogen werden konnte, wobei diese einen Teil des<br />
erhaltenen Schmiergelds an die ISL <strong>zur</strong>ückzahlen mussten.<br />
Selbst bei dem sehr intensiven Versuch des in dieser Sache ermittelnden Staatsanwalts<br />
Hildbrand und allen weiteren Versuchen <strong>von</strong> Michael J. Garcia <strong>zur</strong> Sachaufklärung<br />
bleibt ein Teilbereich nicht aufklärbar. Dies liegt insbesondere am Umstand, dass ein<br />
Vertreter der privaten Konkursverwaltung der ISL erklärt hat, dass der Schweizer<br />
Rechtsanwalt, der am Vergleich 2004 beteiligt war, angedeutet habe, er repräsentiere die<br />
<strong>FIFA</strong> und dass die <strong>FIFA</strong> ein legitimes Interesse habe, nicht an ungerechtfertigten<br />
Spekulationen beteiligt zu sein.<br />
Präsident Blatter wiederum erklärte, er habe für diesen Rechtsanwalt weder für die<br />
<strong>FIFA</strong> noch persönlich eine Vollmacht unterzeichnet und dem Rechtsanwalt bei dessen<br />
Bemühen um den Vergleich 2004 auch keine Anweisungen erteilt.<br />
Gerade weil der damals ermittelnde Staatsanwalt hier die Erfüllung möglicher<br />
Straftatbestände durch Verantwortliche der <strong>FIFA</strong> sah, hat er alles getan, um die<br />
Herkunft der CHF 2,5 Mio. aufzuklären. Er hat deshalb die <strong>FIFA</strong>-Zentrale durchsucht,<br />
Präsident Blatter vernommen und dabei im Ergebnis nur feststellen können, dass die<br />
CHF 2,5 Mio. <strong>von</strong> Havelange und Teixeira stammten, aber völlige Klarheit über das<br />
Geflecht der Personen und der Firmen konnte auch er nicht gewinnen.<br />
Dabei muss berücksichtigt werden, dass einem staatlichen Ermittler ungleich mehr<br />
Macht und Befugnisse einschliesslich <strong>von</strong> Zwangsmassnahmen <strong>zur</strong> Verfügung stehen als<br />
einem <strong>Untersuchung</strong>sführer der Ethikkommission.<br />
Der Analyse <strong>von</strong> Michael J. Garcia, dass das Zustandekommen und der Inhalt des<br />
Vergleichs sehr wohl unter dem Gesichtspunkt eines Interessenkonflikts gesehen werden<br />
können, stimme ich zu. Über ihren Anwalt versuchte die <strong>FIFA</strong>, mit dem<br />
ISL-Konkursverwalter über Jean-Marie Weber einen Vergleich abzuschliessen, und<br />
nutzte dabei Geld, das zum Teil <strong>von</strong> einem amtierenden Exekutivkomiteemitglied<br />
Teixeira stammte, der einen wesentlichen Teil der Provisionen erhalten hatte. Die <strong>FIFA</strong><br />
erhielt im Gegenzug die Zusicherung, dass auf weitere Klagen gegen sämtliche<br />
Fussballfunktionäre verzichtet wird. Danach reichte die <strong>FIFA</strong> offenbar als Teil des<br />
Vergleichs eine „Desinteresse-<strong>Erklärung</strong>“ ein, in der sie die 2001 erhobene Strafanzeige
8<br />
gegen ISL <strong>zur</strong> Geltendmachung <strong>von</strong> Rückzahlungsansprüchen <strong>zur</strong>ückzog. Dabei konnte<br />
nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob der Schweizer Rechtsanwalt, der 2004 bei der<br />
Koordination des Vergleichs mithalf, Joseph S. Blatter in die Überlegungen und<br />
Entscheidungen eingebunden hatte.<br />
Zum Zeitpunkt des Aushandelns des Vergleichs, des Abschlusses des Vergleichs und der<br />
Erfüllung des Vergleichs gab es noch keine Ethikregeln, auch wenn sie wohl in<br />
Vorbereitung waren (Herbst 2004).<br />
Formal liegen deshalb auch keine Verstösse vor, die weiter zu verfolgen sind.<br />
Auch hier gilt, dass strafrechtlich nichts veranlasst war und zivilrechtlich das<br />
Aushandeln <strong>von</strong> Vergleichen auch mit unüblichen Klauseln <strong>von</strong> der Vertragsfreiheit<br />
gedeckt ist. Dabei fliessen auch Überlegungen eines Unternehmens in die Abwägung ein,<br />
die mit der Frage einer Weiterverfolgung <strong>von</strong> möglichen berechtigten Ansprüchen und<br />
einem damit verbundenen Risiko eines Öffentlichkeitsschadens verbunden sind. Es liegt<br />
nicht an der Ethikkommission, solche Arten <strong>von</strong> Unternehmensentscheidungen im<br />
Nachhinein zu hinterfragen.<br />
IV)<br />
Bei der Frage, ob die seitens der Zuger Ermittlungsbehörden geführten <strong>Untersuchung</strong>en<br />
gegen Geldauflage eingestellt bzw. nicht weiter verfolgt wurden, kann nicht festgestellt<br />
werden, dass der Präsident Blatter eigenmächtig in irgendeiner Form Entscheidungen<br />
alleine zum Nachteil der <strong>FIFA</strong> getroffen hat und/oder damit das Vermögen des Verbands<br />
gefährdet war. Die Zustimmung zu einem Angebot der Ermittlungsbehörden, das<br />
Verfahren nach Schweizer Recht nach Art. 53 StGB gegen Zahlung einer Geldauflage<br />
einzustellen, wurde durch mehrere renommierte Anwaltskanzleien geprüft, die die <strong>FIFA</strong><br />
berieten. Diese Vorschrift entspricht einer strafprozessualen Regelung, die es nahezu in<br />
ganz Europa gibt und die dazu dient, grosse Verfahren mit Augenmass zu erledigen.<br />
Die grundsätzliche Entscheidung, einer solchen Vereinbarung zuzustimmen, auch wenn<br />
sie mit nicht unerheblichen Geldauflagen verbunden ist, ist eine unternehmenspolitische<br />
Entscheidung, bei der die Vor- und Nachteile abzuwägen sind.<br />
Zusammenfassung:<br />
Es mag sein, dass bei der <strong>FIFA</strong> Ethikregeln früher hätten eingeführt werden können und<br />
in den früheren Jahren keine ausreichenden Kontrollmechanismen bestanden, dies führt<br />
jedoch zu keiner Verletzung <strong>von</strong> Ethiknormen, die es als Regeln erst ab Oktober 2004<br />
gab.<br />
Wie sich in Deutschland oder in den USA aufgrund der grossen Korruptionsverfahren<br />
bei bedeutenden Wirtschaftsunternehmen gezeigt hat, hat man nach Bekanntwerden
9<br />
firmeninterner Schmiergeldzahlungen <strong>zur</strong> Erlangung <strong>von</strong> Aufträgen<br />
Kontrollmechanismen eingebaut, Compliance-Abteilungen eingerichtet, aber auch<br />
belastete Mitarbeiter durch Aufhebungsverträge aus dem Unternehmen entfernt.<br />
Seit Bekanntwerden der Vorgänge um ISL sind verschiedene hochrangige Offizielle der<br />
<strong>FIFA</strong> aus ihren Ämtern ausgeschieden.<br />
Ich stelle Folgendes fest:<br />
1. Der Fall ISL ist für die Ethikkommission abgeschlossen.<br />
2. João Havelange hat sein Amt als Ehrenpräsident per 18. April 2013 abgegeben. Dr.<br />
Nicolás Leoz ist per 24. April 2013 <strong>von</strong> seinen Ämtern als Mitglied des<br />
<strong>FIFA</strong>-Exekutivkomitees und ständiger <strong>FIFA</strong>-Kommissionen sowie als<br />
CONMEBOL-Präsident <strong>zur</strong>ückgetreten. Es sind diesbezüglich deshalb keine weiteren<br />
Massnahmen oder Empfehlungen erforderlich.<br />
3. Im Zusammenhang mit dem ISL-Fall sind keine weiteren Verfahren gegen andere<br />
Fussballoffiziellen angezeigt.