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„Liebeszauber“<br />

Gefahren des Erwachsenwerdens<br />

in der romantischen Literatur<br />

Wolfgang Lukas<br />

<strong>Bergische</strong> <strong>Universität</strong> <strong>Wuppertal</strong>


Das System der Altersklassen in der<br />

Goethezeit<br />

I II III IV<br />

Kind<br />

Jüngling/<br />

Jungfrau<br />

Mann/<br />

Weib<br />

Greis/<br />

Greisin


Altersklassen: Merkmalszuschreibung<br />

Kind Jüngling Mann Greis<br />

Zunahme der Kräfte Stillstand Abnahme<br />

Sinnlichkeit<br />

Einbildungskraft/<br />

Phantasie<br />

Verstand/<br />

Vernunft/<br />

Urteilskraft<br />

Weisheit/<br />

Erinnerung<br />

präsexuell Liebesleidenschaft Zeugungskraft postsexuell


Das Konzept der ‚Initiation‘<br />

Ausgangszustand Transitionsphase Zielzustand<br />

Separationsriten<br />

Aggregationsriten<br />

Desintegration<br />

Reintegration


Die ‚Initiationsgeschichte‘<br />

[Ausgangspunkt:<br />

Held in<br />

Herkunftsfamilie]<br />

Transitionsphase<br />

[Zielpunkt:<br />

eigene Familie]<br />

Desintegration<br />

Reintegration


Merkwürdig ist es, daß von den<br />

ältesten Zeiten her die den Menschen<br />

im Innersten verstörendste Gemütsbewegung<br />

es war, an der sich<br />

dämonische Kräfte übten. Ich meine<br />

nichts anders als die<br />

Liebesverzauberungen, von denen alle<br />

Chroniken voll sind. In tollen Hexenprozessen<br />

kommt immer dergleichen<br />

vor, und selbst in dem Gesetzbuch<br />

eines sehr aufgeklärten Staats wird<br />

von den Liebestrünken gehandelt, die<br />

insofern auch rein psychisch zu


Sie hatten zwischen sich das kleine<br />

liebliche Kind, welches weinte und<br />

sich an die Schöne bittend<br />

schmiegte, die nicht zu ihm<br />

hernieder sah. Das Kindlein hielt<br />

flehend die Händchen empor,<br />

streichelte Hals und Wange der<br />

blassen Schönen. Sie aber hielt es<br />

fest am Haar und mit der andern<br />

Hand ein silbernes Becken; die Alte<br />

zuckte murmelnd das Messer und<br />

durchschnitt den weißen Hals der<br />

Kleinen. Da wand sich hinter ihnen


Ein scheußlicher Drachenhals wälzte<br />

sich schuppig länger und länger aus<br />

der Dunkelheit, neigte sich über<br />

das Kind hin, das mit aufgelösten<br />

Gliedern der Alten in den Armen<br />

hing, die schwarze Zunge leckte vom<br />

sprudelnden rothen Blut, und ein<br />

grün funkelndes Auge traf durch die<br />

Spalte hinüber in Emils Blick und<br />

Gehirn und Herz, daß er im selben<br />

Augenblick zu Boden stürzte.<br />

Leblos traf ihn Roderich nach<br />

einigen Stunden.


Bürgerliche Partnerin<br />

‚Venus‘ (oder Äquivalente)<br />

Reales Liebesobjekt<br />

Gezähmte Erotik<br />

Nicht-reales Liebesobjekt<br />

(übernatürl.-mythisch oder<br />

Kunstobjekt)<br />

Wilde Erotik<br />

Fruchtbare Erotik<br />

Unfruchtbare Erotik<br />

Gelungene Initiation ≈<br />

Selbstfindung<br />

Gescheiterte Initiation ≈<br />

Selbstverlust (Wahnsinn/Tod)


Alle Freuden, die die Erde beut,<br />

genoß und schmeckte ich hier in ihrer<br />

vollsten Blüthe, unersättlich war<br />

mein Busen und unendlich der Genuß.<br />

Die berühmten Schönheiten der alten<br />

Welt waren zugegen, was mein Gedanke<br />

wünschte war in meinem Besitz, eine<br />

Trunkenheit folgte der andern […] ein<br />

Gewimmel von nackten Mädchen umgab<br />

mich einladend, Düfte schwangen sich<br />

bezaubernd um mein Haupt, wie aus dem<br />

innersten Herzen der seligsten Natur<br />

erklang eine Musik, und kühlte mit


Nun erschaute Nathanael erst Olimpias<br />

wunderschön geformtes Gesicht. Nur<br />

die Augen schienen ihm gar seltsam<br />

starr und tot. Doch wie er immer<br />

schärfer und schärfer durch das Glas<br />

hinschaute, war es, als gingen in<br />

Olimpias Augen feuchte Mondestrahlen<br />

auf. Es schien, als wenn nun erst die<br />

Sehkraft entzündet würde; immer<br />

lebendiger und lebendiger flammten<br />

die Blicke. Nathanael lag wie<br />

festgezaubert im Fenster […]<br />

(E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann 1817)


Mich befing ein unbeschreibliches<br />

Weh, ein tiefes Mitleid regte sich in<br />

meiner Brust, selbst wußte ich nicht<br />

weshalb. Da fuhr plötzlich ein<br />

brennender Strahl in mein Herz, wie<br />

es zerspaltend! […] Der Strahl, der<br />

mein Herz durchbohrt, war aber der<br />

Blick eines menschlichen Augenpaars<br />

[…] Und dabei war es, als erfasse nun<br />

der furchtbare Blick der<br />

entsetzlichen Augen mein innerstes<br />

Wesen und bemächtige sich meines<br />

ganzen Seins; […].


Er betrachtete den schön gearbeiteten<br />

Dolch , und sagte: wie muß es doch dem<br />

Menschen seyn, der solch Eisen in die<br />

Brust des Gegners stößt, oder gar<br />

einen geliebten Gegenstand damit<br />

verletzt? Er schloß ihn ein, lehnte<br />

dann behutsam die Läden seines<br />

Fensters zurück und sah über die enge<br />

Gasse. Aber ein Licht regte sich, es<br />

war finster im Haus gegenüber; die<br />

theure Gestalt, die dort wohnte und<br />

sich um dese Zeit bei häuslicher<br />

Beschäftigung zu zeigen pflegte,


[…] meine Augen senkten sich trunken<br />

und geblendet vor dem Zauber, der<br />

sich mir da eröffnete.<br />

Ein stiller Weiher lag im Kreise der<br />

hohen Felsen, an denen Efeu und<br />

seltsame Schilfblumen üppig<br />

emporrankten. Viele Mädchen tauchten<br />

ihre schönen Glieder singend in der<br />

lauen Flut auf und nieder. Über allen<br />

erhoben stand das Fräulein prächtig<br />

und ohne Hülle und schaute, während<br />

die anderen sangen, schweigend um die<br />

wollüstig um ihre Knöchel spielenden


[Der Arzt] hatte übrigens des<br />

Obristen Zutrauen gewonnen, und<br />

dieser sagte ihm, daß in jenen<br />

Momenten sich ihm das Bild eines<br />

Frauenzimmers nahe, die er in Pisa<br />

gekannt; dann würde es ihm, als wenn<br />

ihre glühenden Blicke in sein Inneres<br />

führen, und er fühle die<br />

unerträglichsten Schmerzen, bis er in<br />

völlige Bewußtlosigkeit versinke. Aus<br />

diesem Zustande bleibe ihm ein<br />

dumpfer Kopfschmerz, und eine<br />

Abspannung, als habe er geschwelgt im


Wie gesagt, oft, wenn jenes Bild ganz<br />

verblaßt war, ergriff mich ein<br />

körperliches Übelbefinden, die<br />

Gestalt trat, wie sonst niemals, mit<br />

einer Lebendigkeit […] hervor, daß<br />

ich sie zu erfassen wähnte. Aber dann<br />

kam es mir auf grauliche Weise vor,<br />

ich sei selbst die Gestalt, […]. Ein<br />

empfindlicher Brustschmerz, und dann<br />

gänzliche Apathie endigte den<br />

peinlichen Zustand, der immer eine,<br />

das innerste Mark wegzehrende<br />

Erschöpfung hinterließ. […] Diese


[…] das schöne Mädchen folgte ihr, blaß,<br />

entstellt, die schönsten Brüste ohne Hülle, aber<br />

das ganze Bild einer Statue von Marmor ähnlich.<br />

(Liebeszauber)<br />

Er wagte kaum zu athmen, als sie nach und nach<br />

alle Hüllen löste; nackt schritt sie endlich im<br />

Saale auf und nieder, und ihre schweren<br />

schwebenden Locken bildeten um sie her ein<br />

dunkel wogendes Meer, aus dem wie Marmor die<br />

glänzenden Formen des reinen Leibes abwechselnd<br />

hervor strahlten. (Der Runenberg)<br />

Ich blickte noch einmal zurück nach der Gestalt<br />

des Fräuleins, welche eben vom Monde klar

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